Eine Woche vor Ostern rufen wir mit unserem Aufruf "Kriege stoppen - Frieden und Abrüstung jetzt! " in mehreren Zeitungen zur Teilnahme an den Ostermärschen 2025 auf. Hilf auch du mit bei der Mobiliserung!
Großbritanniens Atomstreitkräfte

"...Ich denke, es wäre nicht wünschenswert, wenn wir uns durch eine Teilnahme an Rüstungskontrollverhandlungen einschränken würden."
(Nick Witney, Direktor für Atompolitik und Sicherheit im britischen Verteidigungsministerium, im März 1993 vor dem Select Committee des Unterhauses)
Es gibt kein Anzeichen dafür, daß Großbritannien seine Atomwaffenprogramme jemals wegen der Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags eingeschränkt hätte. Waffensysteme sind entwickelt, stationiert, außer Dienst gestellt und modernisiert worden, als ob der Vertrag nicht existiert hätte. Und Großbritannien hat sich an keiner einzigen Abrüstungsvereinbarung beteiligt.
Seit 1968 hat die "kleine" Atommacht Großbritannien 22 Atomwaffensysteme entwickelt. Darunter ballistische U-Boot-Raketen, Atombomben und »depth bombs«, strategische U-Boote, atomwaffenfähige Flugzeugträger, Zerstörer, Fregatten, Kampfflugzeuge und Hubschrauber, genauso wie Boden-Boden-Raketen und Artilleriegranaten. Fünf Atomwaffensysteme sind von den USA geliefert worden, alle übrigen sind entweder ausschließlich britisch oder aus Gemeinschaftsprogrammen mit den USA hervorgegangen. Großbritannien führte 44 Atomwaffenversuche durch, fast die Hälfte davon nach 1968.
Das eklatanteste Beispiel für die Missachtung von NPT-Verpflichtungen durch Großbritannien ist die Einführung größerer Atomwaffensysteme unmittelbar vor oder nach NPT-Folgekonferenzen. 1968 schickte Großbritannien wenige Wochen, bevor es dem endgültigen Text des Sperrvertrags zustimmte, sein erstes Polaris-U-Boot auf Patrouilleneinsatz. Und im Juli 1980, nur wenige Wochen vor der zweiten NPT-Folgekonferenz kündigte Großbritannien an, das ballistische Raketensystem für Trident-U-Boote zu kaufen, und begann mit der Entwicklungsarbeit an dem Trident-Gefechtskopf.
Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik
Für die jetzige britische Regierung ist eine atomwaffenfreie Welt kurz- und mittelfristig keine praktische oder realistische Möglichkeit. Vollständige nukleare Abrüstung gilt nur als ein langfristiges Ziel.
Stattdessen rechtfertigt das Verteidigungsministerium neue Entwicklungsvorhaben mit der Vermutung, daß Großbritannien in etwa zehn Jahren durch Raketen aus der »Dritten Welt« bedroht werden könne. Anläßlich einer Studie über Raketenabwehrsysteme erklärte das Ministerium im August 1994, es werde "Optionen, Kosten, technische Risiken und zeitliche Realisierungsmöglichkeiten vor allem mit Blick auf die entstehende Bedrohung aus der Dritten Welt untersuchen."
Als Reaktion auf us-amerikanisch-sowjetische Abrüstungsinitiativen Anfang der 90er Jahre stellte Großbritannien ein paar Waffen der Marine und Bomben der Luftwaffe außer Dienst. Um keine Illusionen zu wecken, stellten sie jedoch klar, daß dies ausschließlich deshalb geschah, weil diese Waffen sich militärisch überholt hätten. Großbritannien distanzierte sich explizit von den atomaren Abrüstungsinitiativen der beiden Großmächte.
Durch das Außer-Dienst-Stellen der militärisch überholten Waffen verkleinerten sich das gesamte Atomarsenal von 300-350 auf 200 Sprengköpfe. Wenn das Trident-U-Boot-Programm zur Jahrhundertwende abgeschlossen ist, wird das britische Atomarsenal jedoch wieder auf eine Größe von 300 angewachsen sein.
Stand der britischen Atomrüstung
In den letzten 15 Jahren hat Großbritannien sein strategisches Atompotential erheblich weiterentwickelt. Das Trident-U-Boot wird bis zu 96 Gefechtsköpfe mit einer Sprengkraft von je 100 Kilotonnen (also insgesamt das Tötungspotential von 640 Hiroshima-Bomben) an Bord haben. Das Zerstörungspotential der fertiggestellten Trident-Flotte wird 2.500 Hiroshima-Bomben entsprechen. Verglichen mit der gegenwärtigen Polaris-Flotte, werden die Trident-U-Boote eine größere Zahl von nuklearen Gefechtsköpfen mit einer größeren Sprengkraft besitzen.
Die Raketen werden eine größere Reichweite und eine verbesserte Zielgenauigkeit haben, und sie werden wesentlich mehr verschiedene Ziele treffen können. Trotzdem betrachtet Großbritannien die Trident-Flotte noch immer als eine Minimalabschreckung. Anfang 1992 lehnte Premierminister John Major den Abbau strategischer Atomwaffen ab und nannte sie "das mindestnotwendige strategische Abschreckungsmittel, um auch in Zukunft die Sicherheit unseres Landes zu garantieren".
Darüber hinaus lehnt Großbritannien den formellen Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen ab. "Eine solche Erklärung", meinte Verteidigungsminister Malcolm Rifkind im November 1993, "würde in jedem Fall bedeuten, daß ein konventioneller Angriff geführt werden könnte, ohne eine Überschreitung der Nuklearschwelle befürchten zu müssen... Bei all seinem vordergründigen moralischen Reiz würde uns ein Verzicht auf den Ersteinsatz aus dem Feld der Kriegsverhütung heraus- und in das Feld der Kriegsbegrenzung hineinführen."
Britische Fliegerverbände werden weiterhin für Atomwaffen nachgerüstet. Großbritannien hat vier Tornado-Staffeln auf dem RAF-Stützpunkt in Brüggen (Deutschland) und vier weitere in Großbritannien stationiert. Alle sind sie mit der Atombombe WE-177A/B bestückt.
Es ist davon auszugehen, daß die WE-177A/B um das Jahr 2007 das Ende ihrer Dienstzeit erreichen wird. Obwohl das Trident-Programm nach britischer Absicht eine substrategische Rolle übernehmen soll, ist die WE-177 auch eine taktische Atombombe und man erhält sich die Kapazitäten, um eine neue von Flugzeugen abzuwerfende Bombe zu entwickeln, die an ihre Stelle treten soll.
1993 testete die Royal Navy im Geheimen eine amerikanische Tomahawk-Cruise Missile auf einem ihrer Nuklear-U-Boote. Das britische Interesse an Tomahawks wurde im Juli 1994 von Verteidigungsminister Malcolm Rifkind bestätigt, der erklärte, Großbritannien werde "die Möglichkeit untersuchen", Tomahawk-Cruise Missiles "anzuschaffen und in NATO-Dienst zu stellen". Es wird davon ausgegangen, daß gegenwärtig nur konventionell bewaffnete Cruise Missiles in Erwägung gezogen werden, doch die Tomahawk könnte auch eine atomare Abschreckungsvariante darstellen, die billiger ist als das Trident-System.
Die britische Atomrüstungsindustrie
Die britische Atomrüstungsindustrie (Atomic Weapons Establishment, AWE in Aldermaston) ist zuständig für Forschung und die Konzeption, Entwicklung, Herstellung, Wartung und die Demontage von Atomsprengköpfen. Das AWE beschäftigt etwa 5.000 Menschen.
Großbritannien hat sich eindeutig darauf festgelegt, seine Möglichkeiten zur Konstruktion, Entwicklung und Herstellung neuer Atomwaffen auch in Zukunft zu erhalten. Für Verteidigungsminister Rifkind besteht noch immer die Notwendigkeit eines "herausfordernden Forschungsprogramms, damit wir unsere Fähigkeit bewahren, für die Sicherheit und Zuverlässigkeit unserer stationierten Gefechtsköpfe zu garantieren, und damit wir unsere technologische Kompetenz erhalten, Gefechtsköpfe zu entwickeln und herzustellen, sofern künftige Umstände dies notwendig machen sollten."