Handlungsrahmen Kommunale Friedensarbeit

von Gregor Witt

Viele Städte und Gemeinden haben in den letzten Jahren Beschlüsse  gegen Aufrüstung und die Militarisierung ihrer Regionen gefaßt. Aber vergleichswiese wenige ließen darauf eine ernsthafte, aufbauende kommunale Friedensarbeit folgen. Zu letzteren gehört die Stadt Schwerte.

Das Ansammeln vieler Erfahrungen, friedenspolitische Beschlüsse und Aktivitäten sowie lange Beratungen gingen voraus, bevor am 15. Juni 1989 der Rat der Stadt Schwerte einen "Handlungsrahmen für kommunale Friedensarbeit" verabschiedete. Zur Vorgeschichte des Beschlusses gehören sechs Städtepartnerschaften und Hilfsprojekte für die Dritte Welt unter dem Motto "Solidarität der Tat", eine Friedenserklärung, (Mit-)Trägerschaft bei und Förderung von Mahn- und Gedenkveranstaltungen, eine Fachtagung und die Herausgabe von Publikationen zu kommunaler Friedensarbeit u.a.m.
Heraus kam ein umfangreicher Katalog von Angeboten und Anregungen, der bestimmt seinesgleichen suchen muß. Dennoch ist aus der örtlichen Friedensinitiative nicht durchgängig begeisterte Zustimmung, sondern auch herbe Kritik zu hören. Sie macht sich vor allem daran fest,

  • daß der Handlungsrahmen angesichts der kommunalen Möglichkeiten für eine eigen Friedenspolitik zu unkonkret sei,
  • die Bürgerinitiativen kaum informiert und beteiligt, sondern für Zwecke kommunaler Selbstdarstellung – mißbraucht wurden und
  • die versprochene Bürgerbeteiligung nicht stattgefunden habe.

Trotz und wegen der zitierten Kritik stellen wir in eine: Kurzfassung die Absichtserklärungen des Handlungsrahmens vor, um Anregungen für die Friedensarbeit in anderen Kommunen zu geben:

1. Kommunale Friedenspädagogik
Der Beitrag der Erziehung zum “Lernziel Frieden" soll ausgeweitet werden. Dazu sollen in Zukunft:

  • in Abstimmung mit Eltern, den Trägern der Kindergärten und den Schulen Friedenserziehung in der Vorschulischen und schulischen Bildung angeregt und gefördert werden;
  • im Rahmen kommunaler und außerschulischer Jugendarbeit und  Erwachsenenbildung Friedenserziehung betrieben werden;
  • Jugendschutzgesetze konsequent angewendet und eine Öffentlichkeitsarbeit dafür verstärkt werden;
  • gesetzlich eingeschränkte Verbote zur Aufstellung von Unterhaltungsspielgeräten, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung des Krieges zum Gegenstand haben, konsequent angewendet werden;
  • Literaturecken und Informationsbörsen zu Friedenserziehung und -politik in öffentlichen Büchereien eingerichtet werden;
  • geeignete Konzepte entwickelt werden, um energisch aufkommenden Neonazismus entgegentreten zu können;
  • in der Weiterbildung friedensbezogene Themen angeboten und eine Geschichtswerkstatt zur Vergangenheitsaufarbeitung eingerichtet werden;
  • Zielgruppenarbeit an der Volkshochschule für Frauen, Ausländer, Arbeitslose intensiviert werden; ‘
  • Mittel für neue Formen des Lernens, die sich mit der Entwicklung alternativer, humaner Zukunftsentwürfe beschäftigen (Zukunftswerkstätten), bereitgestellt werden.

2. lnterkulturelle Arbeit mit Aussiedlern, Ausländern und Flüchtlingen
Neben anderem zwingen Imperialismus und Kolonialismus, die Folgen zweier Weltkriege, neu aufflammende Kriege wie auch das Ungleichgewicht von katastrophaler Armut und Not auf der einen und Reichtum und Wohlstand auf der anderen Seite Menschen beständig, ihre Heimat auf der Suche nach humaneren Lebens- und Existenzbedingungen zu verlassen. Um ihnen praktische Hilfe und Solidarität zu geben sollen:

  • ein Konzept und Maßnahmen ergriffen werden zur "Integration deutscher Aussiedler";
  • ein Konzept und Maßnahmen ergriffen werden zur “Kommunalen Ausländerarbeit", womit Solidarität und Toleranz gestärkt werden;
  • Bedingungen geschaffen werden, die den Erhalt und die Pflege der kulturellen Identität ausländischer Gruppen fördern und ermutigen;
  • Anlässe wie Stadtfest und Sommerprogramm für Kulturen vermittelnde Angebote genutzt werden;
  • Ausländer als sachkundige Einwohner verstärkt in die Ausschußarbeit einbezogen werden.

3. Militärische Infrastruktur
Weil im atomaren Kriegsfall mit der völligen Zerstörung des städtischen Lebensraumes gerechnet werden muss und die Stärkung der militärischen Infrastruktur keine ösung bietet, sondern das Problem der Lebenssicherung verschärft, sollen:

  • alle politischen und (planungs-) rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, den weiteren Ausbau der militärischen Infrastruktur zu verhindern
  • Patenschaften u.ä. für militärische Einrichtungen nicht übernommen werden.

4. Örtliche Friedensbewegung
Die örtliche Friedensbewegung wird als Bestandteil der Neuen Sozialen Bewegung angesehen, die sich durch Kritik und Veränderung des Lebensstils umfassend für Frieden, soziale Gerechtigkeit, den Abbau von hierarchischen und patriarchalen Strukturen, Völkerverständigung und den Erhalt unserer Umwelt einsetzen. Deshalb sollen:

  • für in der Friedensarbeit tätige Initiativen ür konkrete Sachaufgaben und Veranstaltungen entsprechende Haushaltsmittel und Räumlichkeiten bereitgestellt werden;
  • bei sich bietenden Anlässen Mahn- und Gedenkstätten für den Frieden unter Beteiligung der Bevölkerung und gesellschaftlicher Gruppen errichtet werden.

5. Zivilschutz
Ein wirksamer Schutz der Bevölkerung bei einer atomaren militärischen Auseinandersetzung kann niemals erreicht werden. Ziel muss daher ausschließlich die Vermeidung von Kriegen sein. Dazu sollen:

  • die BürgerInnen in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband für Selbstschutz und anderen Experten über die Belange des Zivilschutzes informiert werden;
  • Zivilschutzplanungen- offengelegt werden, soweit sie nicht als Verschlußsache eingestuft sind;
  • die Ausgliederung des Katastrophenschutzes aus dem Zivilschutz angestrebt werden;
  • keine weiteren Zivilschutzanlagen geplant und gebaut werden;
  • eine friedensthematische künstlerische Gestaltung der städtischen Tiefgarage am Markt ermöglicht werden.

6. Kommunale Friedensarbeit auf überörtlicher Ebene
Kommunale Friedensarbeit bedarf der Solidarität, Ermutigung, Anregung und Hilfe anderer Städte und Gemeinden. Dazu soll:

  • mit (Fach-)Hochschulen und Einrichtungen, in denen Friedensforschung gelehrt bzw. -forschung betrieben wird, zusammengearbeitet werden;
  • Informationsaustausch mit anderen Städten angestrebt werden;
  • die kommunale Friedensarbeit z.B. durch Tagungen und Seminare zu bestimmten Problemkreisen weiterentwickelt werden.

7. Städtepartnerschaften
Um den mit den Städtepartnerschaften eingeschlagenen Weg der Völkerverständigung durch Förderung der Kontakte zwischen den Menschen konsequent weiterzugehen, sollen:

  • die partnerschaftlichen Beziehungen durch Aktivierung von Erfahrungsaustausch und gemeinsamen Projekten weiter vertieft werden;
  • die Partnerstädte über die kommunale Friedensarbeit in Schwerte informiert werden; _
  • über den Erfahrungsaustausch gemeinsame Positionen zu Problemen und Möglichkeiten der Friedenserziehung mit den Partnerstädten erarbeitet werden;
  • gemeinsame Aktionen mit den Partnerstädten unternommen werden, um im Falle besonderer Notlagen z.B. in Ländern der Dritten Welt oder von Katastrophen praktische Hilfe zu leisten;
  • möglichst bald blockübergreifende Beziehungen zu Städten der Staaten des Warschauer Paktes aufzunehmen.

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