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HCA: UN- Protektorat erzwingen
vonEntmilitarisierung ist essentiell für jeden Waffenstillstand in Bosnien-Herzegowina, der anhalten soll. Auf der Basis der Schaffung eines UN-EG-kontrollierten Protektorats für Bosnien-Herzegowina und die besetzten Gebiete Kroatiens, wie es bereits im Sommer 1991 von Ivan Dzidic vorgeschlagen worden war, müsste ein schrittweiser Prozess der Entmilitarisierung stattfinden.
Dieser Prozess würde die internationale Kontrolle und Zerstörung schweren militärischen Geräts sowie den Ankauf und Vernichtung von Infanteriewaffen vorsehen. Wir dokumentieren Auszüge aus zwei Papieren, die auf der 'Friedenskonferenz der BürgerInnen und Gemeinden' der Helsinki - BürgerInnenversammlung vorgelegt worden waren. Diese Vorschläge, die eine begrenzte Militärintervention beinhalten, werden vor allem von oppositionellen Kräften verschiedener ex-jugoslawischer Staaten befürwortet.
Es gibt drei Hauptgründe, warum Protektorate wichtig sind:
a) Gegenwärtig beruhen die Friedensverhandlungen im ehemaligen Jugoslawien auf Gesprächen zwischen politischen Führern, die im großen und ganzen der Idee der Schaffung ethnischer Staaten verpflichtet sind. Jeder Kompromiss, der zwischen ihnen erzielt wird, wird nur den Status Quo einfrieren, d.h. die de facto Aufteilung großen Teilen Ex-Jugoslawiens in ethnische Gemeinden. Die internationale Gemeinschaft wird in Misskredit gebracht werden, weil die peace-keeping Kräfte, die die Waffenstillstände überwachen, in der Realität dann zu Parteien der ethnischen Aufteilung werden.
Wir glauben, daß der gegenwärtige Status Quo in Bosnien-Herzegowina und Kroatien unakzeptabel ist. Wenn grundlegende menschliche Werte hochgehalten und ein dauernder Frieden geschaffen werden sollen, dann müssen Bedingungen für multi-ethnische Gemeinschaften wiederhergestellt werden, was immer ihr politischer Status dann sein wird.
b) Der Krieg in Jugoslawien kann nicht einfach durch miteinander konfligierende politische Ziele erklärt werden. Er reflektiert eine tiefgehende soziale Malaise - den Zusammenbruch sozialer, politischer, ökonomischer und administrativer Beziehungen als eine Folge des Zusammenbruchs eines Staates, der jeden Aspekt des sozialen Lebens kontrollierte. Was daher benötigt wird, ist ein Ansatz, der von unten her das soziale Leben wiederaufbaut.
c) Die Bedingungen, die zu dem Krieg im früheren Jugoslawien geführt haben, existieren in vielen anderen Gebieten Osteuropas und der Dritten Welt. In der Tat finden gleichartige Kriege in der transkaukasischen Region und in Afrika statt. Wenn wir die Ausbreitung solcher Kriege verhindern wollen, müssen wir neue, umfassende Methoden der Friedensschaffung ergreifen.
Protektorate errichten
Protektorate bedeuten mehr als nur die Trennung der kriegführenden Parteien, was bislang die Rolle der UN-Peace-Keeping Kräfte war. Protektorate verschieben die Diskussion über den zukünftigen politischen Status der Regionen, bis normales Leben wiederhergestellt und die Atmosphäre von Furcht beseitigt wurde. Sie würden auch bedeuten, daß multi-ethnische und multi-kulturelle Gemeinschaften auf allen gesellschaftlichen Ebenen geschützt würden. In einzelnen würde dies bedeuten:
Als erstes ein effektiver und sofortiger Waffenstillstand, der durch Druck auf die ethnischen militärischen Führer erreicht wird. Er wird gefolgt durch die Entwaffnung der paramilitärischen Gruppen. Dies ist die wesentliche Voraussetzung für alle weiteren Maßnahmen.
Zu diesen gehört die Auflösung der Gefangenenlager, die Wiederherstellung eines Rechtssystems, der ökonomischen und verwaltungstechnischen Infrastruktur, der sozialen Dienste und aller anderen Aspekte des zivilen Lebens. Dies sind die notwendigen Voraussetzungen zur Ermutigung der Flüchtlingen, in ihre Heimatorte zurückzukehren.
Die Durchsetzung von Protektoraten
Der Protektoratsvorschlag müsste durch UNO und EG bei den Genfer Verhandlungen vorgebracht werden. Er kann nur von außen durch politischen und militärischen Druck durchgesetzt werden, der weit über reines Peace-keeping hinausgeht. Im Falle Bosnien-Herzegowinas würde dies beeinhalten:
- Die Grenzen Bosnien-Herzegowinas werden versiegelt, um ALLE kämpfenden Einheiten von ihrem Nachschub an militärischen Resourcen und ihre Unterstützung durch ihre "Vaterländer" abzuschneiden.
- Sichere Schutzräume für Flüchtlinge werden innerhalb Bosnien-Herzegowinas geschaffen.
- West-Ost und Süd-Nord-Korridore für humanitäre Hilfe werden geschaffen und geschützt. Sie garantieren auch die Bewegungsfreiheit zivilen Verkehrs.
- Protektorate werden um Sarajevo und andere Städte wie Tuzla erzwungen.
Derzeit ist der Haupteinwand gegen Protektorate ihre Kosten. Sind die nationalen Regierungen bereit, den internationalen Institutionen die notwenidgen Mittel zur Verfügung zu stellen? Die Alternative ist viel teurer. Dieser Krieg kostet Leben, Häuser und Mittel der Versorgung. Er löscht Geschichte aus. Und er zerstört menschliche Werte nicht nur bei denen, die diesen Krieg führen, sondern auch im Rest der anscheinend gleichgültigen Welt.
Entmilitarisierung
Schweres militärisches Gerät ist in den Händen großer organisierter militärischer Einheiten der Moslems (Territorialverteidigung von Bosnien-Herzegowina), der Serben (Armee der Serbischen Republik) und der Kroaten (Kroatisches Verteidigungskomitee) oder der regulären kroatischen Armee. Daher muß die Entwaffnung einen schrittweisen Verhandlungsprozeß beinhalten: von einem Waffenstillstand durch UN-Kontrolle schwerer Artillerie zur kompletten Zerstörung dieser Art militärischer Ausrüstung als einem lebenswichtigen Teil des Prozesses des Friedensschaffens in dieser Region. Der Anreiz, die schwere Ausrüstung fortzugeben, sollte politische und ökonomische Art sein. In anderen Worten: Alles außer grundlegender humanitärer Hilfe sollte für alle Seiten an die Bedingung geknüpft sein, die schwere militärische Ausrüstung zu zerstören. Besonders alle Hilfe und Anleihen für den Wiederaufbau sowie die Normalisierung des Lebens sollte den lokalen Behörden in Bosnien-Herzegowina nur gegeben werden, wenn sie volle Entmilitarisierung akzeptieren.
Aus zwei - nicht von der Versammlung offiziell angenommenen - Konferenzpapieren der Ohrider "Friedenskonferenz der BürgerInnen und Gemeinden". Bei weitem nicht alle TeilnehmerInnen stimmten der Forderung nach einem UN-Protektorat zu, besonders nicht seiner militärischen Implikationen. Allerdings war der Vorschlag von führenden Persönlichkeiten aus der HCA, vor allem ihrer Vorsitzenden Mary Kaldor und Mient Jan Faber, eingebracht worden. Übersetzung: cs