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Hermes - kein Bote des Friedens
vonDurch die Förderung von Rüstungsexporten in Diktaturen und Bürgerkriegsländer haben Hermesbürgschaften wiederholt zu Unterdrückung und militärischen Auseinandersetzungen beigetragen. Aber auch Projekte wie der Großstaudamm Ilisu in der Südosttürkei, über dessen Förderung die Bundesregierung voraussichtlich bald entscheiden wird, können zur Verschärfung von Konflikten beitragen. Aufgrund der jahrelangen Kritik an den negativen Folgen hermes-verbürgter Projekte kündigte die Bundesregierung im Koalitionsvertrag eine Reform der Hermesbürgschaften nach ökologischen, sozialen und entwicklungsverträglichen Gesichtspunkten an. Ihre Umsetzung steht noch immer aus. Auch unter friedenspolitischen Kriterien ist eine Hermes-Reform längst überfällig.
Spätestens seit dem Zusammenbruch des Ostblocks und der damit einhergehenden Reduzierung der Bundeswehraufträge klagt die deutsche Rüstungsindustrie über einen Nachfragerückgang - bei gleichzeitig respektablen Gewinnen. Ihr Heil suchte sie in einer verstärkten Exportorientierung und erhielt dabei die offene Unterstützung der jeweiligen Bundesregierung. Diese sicherte 1994, vornehmlich aus Angst vor dem Argument der Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie, Hilfe bei der Ausweitung der Exporte zu. So konnte die deutsche Rüstungsindustrie bei einem weltweiten Rückgang des Handels mit Rüstungsgütern ihr Exportniveau und den Ruf als eine der fünf Spitzennationen halten. Besonders stark ist die Bundesrepublik dabei im Export von Anlagen, die sich für die Waffenproduktion eignen und bei den sogenannten Dual-use-Gütern, d.h. Gütern, die sich sowohl zivil als auch militärisch nutzen lassen. Wie schnell aber ein Dual-use-Gut zur Waffe wird, zeigen die Giftgasanlagen in Libyen und dem Irak. Sie eignen sich ebenso gut für die Produktion von Pestiziden.
Auf der anderen Seite des Geschäftes stehen zu einem großen Anteil die Entwicklungsländer. 64 % des weltweiten Rüstungshandels wurden 1998 von ihnen getätigt. Insgesamt geben die Entwicklungsländer jährlich fast 200 Mrd $ für Rüstung aus.
Ein Bindeglied zwischen den Exporten von Rüstungsgütern und rüstungsnahen Gütern und den Entwicklungsländern sind die Hermes-Bürgschaften. Mit ihnen können deutsche Unternehmen ihre Exporte in schwierige aber wachstumsträchtige Märkte gegen politische und wirtschaftliche Risiken versichern. Zu den verbürgten Exporten gehörten in der Vergangenheit z,. B. Überwachungsflugzeuge für Algerien, Ausrüstungs- und Ersatzteile für militärische Schnellboote für Kuwait und Patrouillen boote für die Philippinen.
Geliefert werden darf zwar nur an NATO-Mitglieder sowie an NATO-gleichgestellte Länder und nicht in Spannungsgebiete, aber schon einfache Paragraphen-Interpretationen ermöglichten in der Vergangenheit auch Exporte an die Großkunden Indonesien und Türkei. Im Fall der Türkei, die faktisch einen Bürgerkrieg gegen die kurdische Bevölkerung führt und zudem den Ostteil Zyperns völkerrechtswidrig besetzt hält, wurden Hermes-Bürgschaften für die Lieferung von 590 Militärlastwagen von Daimler Benz an das türkische Verteidigungsministerium, für den Export mehrerer Fregatten an die türkische Marine sowie für Aufklärungsgerät für den Distriktsgouverneu von Diyabakir in den kurdischen Gebieten bekannt.
Kriegsschiffe für Indonesien
In Indonesien sind seit der Besetzung Osttimors im Dezember 1975 Zehntausende Menschen getötet worden. Dennoch unterstützte die Bundesregierung die indonesische Regierung mit Rüstungsgütern, im Zweifelsfall gefördert durch Hermes. Spektakulärstes Beispiel ist die Lieferung von 39 Schiffen aus den Restbeständen der NVA 1993. Die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) war darüber hinaus an der Modernisierung der Schiffe mit einem Kredit über 425 Mio DM beteiligt. Als Argument für das Projekt galt die Erhaltung von 170 Arbeitsplätzen unter der Federführung der MAN-Tochter Ferrostahl. Gegen diesen Handel hatten nicht nur Rüstungsexportgegener aus der Bundesrepublik protestiert, sondern auch das benachbarte Malaysia und Portugal. Wofür Indonesien die Schiffe gebrauchen würde, erklärte der Chef der indonisischen Stereitkräfte dem Asian Defence Journal: sie gingen an die Marineeinheit, die zur Bekämpfung "innerer Unruhen" eingesetzt werden.
Staudammbau in Nahost
Als Teil des gigantischen Südostanatolien-Projekts GAP, soll der Ilisu-Staudamm den Tigris kurz vor der Grenze zu Syrien und Irak aufstauen. Zwecks Bewässerung und Stromerzeugung geplant, ist das GAP gleichzeitig ein wichtiges machtpolitisches Instrument gegenüber den arabischen Nachbarstaaten und der kurdischen Bevölkerung. Wiederholt drohte die Türkei Syrien mit dem Stauen des Wassers, sollte Syrien der PKK weiterhin Zuflucht gewähren. Dies hat mehrfach kriegerische Auseinandersetzungen zwischen der Türkei und Syrien in greifbare Nähe gerückt. Während des Golfkriegs von 1991 reduzierte die Türkei z. B. den Wasserzufluss zum Irak. In Syrien kam es schon zur Rationierung von Trinkwasser, da der Abfluss des Euphrat durch die bisher fertiggestellten Dämme des GAP um fast die Hälfte gesunken ist. Vor diesem Hintergrund ist es besonders brisant, dass die Türkei die UN-Konvention über die nicht-schiffbare Nutzung grenzüberschreitender Wasserwege nicht unterzeichnet hat, in der die Vertragsstaaten zusichern, Anrainern am Unterlauf des Flusses keinen Schaden zuzufügen. Auch wenn derzeit darüber verhandelt wird, wie der Weiterfluss einer Mindestmenge Wasser in die Nachbarländer bei Betrieb des Ilisu-Kraftwerks technisch gewährleistet werden kann, ist nicht auszuschließen, dass die Türkei im Konfliktfall auf das Erpressungspotential des Staudamms zurückgreift.
Auch innerhalb der Türkei war das GAP immer heftig umstritten. Der Ilisu-Damm würde zur Vertreibung von 16.000 Kurdinnen und Kurden führen, die nicht mit einer angemessenen Entschädigung rechnen können. Obwohl die Türkei versprochen hat, internationale Standards bei der Projektdurchführung einzuhalten, haben keinerlei Konsultationen mit der betroffenen Bevölkerung stattgefunden. Angesichts des langjährigen Bürgerkriegs in der Region und der noch kürzlich erfolgten Inhaftierung kurdischer Bürgermeister ist nicht davon auszugehen, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung gewährleistet ist.
Die Bundesregierung und mit ihr sieben weitere Regierungen erwägen dennoch, das Projekt mit Exportkreditversicherungen zu unterstützen. Mit Auflagen sollen die menschenrechtlichen Bedenken gegen das Projekt zerstreut werden. Es bleibt jedoch unklar, wie die Einhaltung der Auflagen gewährleistet werden kann.
Hermes-Reform: Jetzt
Rüstungsexporte machen laut Regierungsangaben nur ca. 1 % der gesamten Ausfuhrdeckungen aus. Sie tragen jedoch in besonderer Weise zu Menschenrechtsverletzungen und militärischen Konflikten bei und hemmen eine nachhaltige Entwicklung. Rüstungsgütern und dual-use Gütern für militärische Empfänger müssen daher grundsätzlich von der Bürgschaftsvergabe ausgeschlossen werden.
Gekürzter und ergänzter Artikel von Maike Rademaker, Beispiel: Rüstungsexporte. In: Sebastian Strecker, Hermes-wohin? Argumente für eine Reform der Hermes-Bürgschaften. Hg: WEED, Bertha-v.-Suttner-Platz 13, 53111 Bonn, Tel. 0228 - 76613-0, Fax 0228 - 696470, e-mail: weed [at] weedbonn [dot] org, http: www.weedbonn.org. Bonn, 1997. Überarbeitung und Ergänzung: Heike Drillisch
Siehe auch die beiliegende Postkartenaktion von WEED zur Hermes-Reform.