Hermes - kein Bote des Friedens

von Maike RademakerHeike Drillisch
Schwerpunkt
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Durch die Förderung von Rüstungsexporten in Diktaturen und Bürger­kriegsländer haben Hermesbürgschaften wiederholt zu Unterdrückung und militärischen Auseinandersetzungen beigetragen. Aber auch Pro­jekte wie der Großstaudamm Ilisu in der Südosttürkei, über dessen För­derung die Bundesregierung voraussichtlich bald entscheiden wird, können zur Verschärfung von Konflikten beitragen. Aufgrund der jah­relangen Kritik an den negativen Folgen hermes-verbürgter Projekte kündigte die Bundesregierung im Koalitionsvertrag eine Reform der Hermesbürgschaften nach ökologischen, sozialen und entwicklungsver­träglichen Gesichtspunkten an. Ihre Umsetzung steht noch immer aus. Auch unter friedenspolitischen Kriterien ist eine Hermes-Reform längst überfällig.

Spätestens seit dem Zusammenbruch des Ostblocks und der damit einherge­henden Reduzierung der Bundeswehr­aufträge klagt die deutsche Rüstungsin­dustrie über einen Nachfragerückgang - bei gleichzeitig respektablen Gewinnen. Ihr Heil suchte sie in einer verstärkten Exportorientierung und erhielt dabei die offene Unterstützung der jeweiligen Bundesregierung. Diese sicherte 1994, vornehmlich aus Angst vor dem Argu­ment der Arbeitsplätze in der Rü­stungsindustrie, Hilfe bei der Auswei­tung der Exporte zu. So konnte die deut­sche Rüstungsindustrie bei einem welt­weiten Rückgang des Handels mit Rü­stungsgütern ihr Exportniveau und den Ruf als eine der fünf Spitzennationen halten. Besonders stark ist die Bundes­republik dabei im Export von Anlagen, die sich für die Waffenproduktion eig­nen und bei den sogenannten Dual-use-Gütern, d.h. Gütern, die sich sowohl zi­vil als auch militärisch nutzen lassen. Wie schnell aber ein Dual-use-Gut zur Waffe wird, zeigen die Giftgasanlagen in Libyen und dem Irak. Sie eignen sich ebenso gut für die Produktion von Pesti­ziden.

Auf der anderen Seite des Geschäftes stehen zu einem großen Anteil die Entwicklungsländer. 64 % des weltweiten Rüstungshandels wurden 1998 von ihnen getätigt. Insgesamt geben die Entwicklungsländer jährlich fast 200 Mrd $ für Rüstung aus.

Ein Bindeglied zwischen den Exporten von Rüstungsgütern und rüstungsnahen Gütern und den Entwicklungsländern sind die Hermes-Bürgschaften. Mit ih­nen können deutsche Unternehmen ihre Exporte in schwierige aber wachs­tumsträchtige Märkte gegen politische und wirtschaftliche Risiken versichern. Zu den verbürgten Exporten gehörten in der Vergangenheit z,. B. Überwa­chungsflugzeuge für Algerien, Ausrü­stungs- und Ersatzteile für militärische Schnellboote für Kuwait und Patrouillen boote für die Philippinen.

Geliefert werden darf zwar nur an NATO-Mitglieder sowie an NATO-gleichgestellte Länder und nicht in Spannungsgebiete, aber schon einfache Paragraphen-Interpretationen ermög­lichten in der Vergangenheit auch Ex­porte an die Großkunden Indonesien und Türkei. Im Fall der Türkei, die fak­tisch einen Bürgerkrieg gegen die kurdi­sche Bevölkerung führt und zudem den Ostteil Zyperns völkerrechtswidrig be­setzt hält, wurden Hermes-Bürgschaften für die Lieferung von 590 Militärlast­wagen von Daimler Benz an das türki­sche Verteidigungsministerium, für den Export mehrerer Fregatten an die türki­sche Marine sowie für Aufklärungsgerät für den Distriktsgouverneu von Diyabakir in den kurdischen Gebieten bekannt.

Kriegsschiffe für Indonesien
In Indonesien sind seit der Besetzung Osttimors im Dezember 1975 Zehntau­sende Menschen getötet worden. Den­noch unterstützte die Bundesregierung die indonesische Regierung mit Rü­stungsgütern, im Zweifelsfall gefördert durch Hermes. Spektakulärstes Beispiel ist die Lieferung von 39 Schiffen aus den Restbeständen der NVA 1993. Die bundeseigene Kreditanstalt für Wieder­aufbau (KfW) war darüber hinaus an der Modernisierung der Schiffe mit einem Kredit über 425 Mio DM beteiligt. Als Argument für das Projekt galt die Er­haltung von 170 Arbeitsplätzen unter der Federführung der MAN-Tochter Ferrostahl. Gegen diesen Handel hatten nicht nur Rüstungsexportgegener aus der Bundesrepublik protestiert, sondern auch das benachbarte Malaysia und Portugal. Wofür Indonesien die Schiffe gebrauchen würde, erklärte der Chef der indonisischen Stereitkräfte dem Asian Defence Journal: sie gingen an die Ma­rineeinheit, die zur Bekämpfung "innerer Unruhen" eingesetzt werden.

Staudammbau in Nahost
Als Teil des gigantischen Südostanato­lien-Projekts GAP, soll der Ilisu-Stau­damm den Tigris kurz vor der Grenze zu Syrien und Irak aufstauen. Zwecks Be­wässerung und Stromerzeugung geplant, ist das GAP gleichzeitig ein wichtiges machtpolitisches Instrument gegenüber den arabischen Nachbarstaaten und der kurdischen Bevölkerung. Wiederholt drohte die Türkei Syrien mit dem Stauen des Wassers, sollte Syrien der PKK weiterhin Zuflucht gewähren. Dies hat mehrfach kriegerische Auseinander­setzungen zwischen der Türkei und Sy­rien in greifbare Nähe gerückt. Während des Golfkriegs von 1991 reduzierte die Türkei z. B. den Wasserzufluss zum Irak. In Syrien kam es schon zur Rationie­rung von Trinkwasser, da der Abfluss des Euphrat durch die bisher fertigge­stellten Dämme des GAP um fast die Hälfte gesunken ist. Vor diesem Hinter­grund ist es besonders brisant, dass die Türkei die UN-Konvention über die nicht-schiffbare Nutzung grenzüber­schreitender Wasserwege nicht unter­zeichnet hat, in der die Vertragsstaaten zusichern, Anrainern am Unterlauf des Flusses keinen Schaden zuzufügen. Auch wenn derzeit darüber verhandelt wird, wie der Weiterfluss einer Min­destmenge Wasser in die Nachbarländer bei Betrieb des Ilisu-Kraftwerks tech­nisch gewährleistet werden kann, ist nicht auszuschließen, dass die Türkei im Konfliktfall auf das Erpressungspoten­tial des Staudamms zurückgreift.

Auch innerhalb der Türkei war das GAP immer heftig umstritten. Der Ilisu-Damm würde zur Vertreibung von 16.000 Kurdinnen und Kurden führen, die nicht mit einer angemessenen Ent­schädigung rechnen können. Obwohl die Türkei versprochen hat, internatio­nale Standards bei der Projektdurchfüh­rung einzuhalten, haben keinerlei Kon­sultationen mit der betroffenen Bevölke­rung stattgefunden. Angesichts des langjährigen Bürgerkriegs in der Region und der noch kürzlich erfolgten Inhaftie­rung kurdischer Bürgermeister ist nicht davon auszugehen, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung gewährleistet ist.

Die Bundesregierung und mit ihr sieben weitere Regierungen erwägen dennoch, das Projekt mit Exportkreditversiche­rungen zu unterstützen. Mit Auflagen sollen die menschenrechtlichen Beden­ken gegen das Projekt zerstreut werden. Es bleibt jedoch unklar, wie die Einhal­tung der Auflagen gewährleistet werden kann.

Hermes-Reform: Jetzt
Rüstungsexporte machen laut Regie­rungsangaben nur ca. 1 % der gesamten Ausfuhrdeckungen aus. Sie tragen je­doch in besonderer Weise zu Menschen­rechtsverletzungen und militärischen Konflikten bei und hemmen eine nach­haltige Entwicklung. Rüstungsgütern und dual-use Gütern für militärische Empfänger müssen daher grundsätzlich von der Bürgschaftsvergabe ausge­schlossen werden.

Gekürzter und ergänzter Artikel von Maike Rademaker, Beispiel: Rüstungs­exporte. In: Sebastian Strecker, Hermes-wohin? Argumente für eine Reform der Hermes-Bürgschaften. Hg: WEED, Bertha-v.-Suttner-Platz 13, 53111 Bonn, Tel. 0228 - 76613-0, Fax 0228 - 696470, e-mail: weed [at] weedbonn [dot] org, http: www.weedbonn.org. Bonn, 1997. Über­arbeitung und Ergänzung: Heike Dril­lisch

Siehe auch die beiliegende Postkartenaktion von WEED zur Hermes-Reform.

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Maike Rademacher ist Mitarbeiterin von Weltwirtschaft und Entwicklung (WEED) in Bonn und arbeitet in der Hermes-Kampagne.
Heike Drillisch ist Mitarbeiterin von Weltwirtschaft und Entwicklung (WEED) in Bonn und arbeitet in der Hermes-Kampagne.