Münchner Sicherheitskonferenz

Im Glashaus mit Steinen werfen

von Christine Schweitzer

Über 50 Staats- und Regierungschefs und 150 Minister standen auf der Gästeliste der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz (MSK), einer seit 1963 jährlich stattfindenden Tagung. Doch ihr eigentliches Programm, das viele Panels umfasste – u.a. zu Nahost, Klimawandel, Entwicklungszusammenarbeit, Stärkung der europäischen Verteidigung, Cybersicherheit, hybride Kriegsführung, Atomwaffen und vieles mehr (1) – trat gegenüber zwei Themen zurück: Dem Verhältnis der USA zu Europa und dem Krieg in der Ukraine.

Die Tagung begann direkt mit einem Eklat: US-Außenminister Vance sprach in seiner Eingangsrede kaum über militärische Sicherheit, auch nicht über einen Truppenabzug der USA, den viele Teilnehmer*innen erwarteten. Letzteren streifte er nur indirekt mit dem Satz, dass es „es in den kommenden Jahren wichtig ist, dass Europa in großem Maße für seine eigene Verteidigung eintritt.“ Keine neue Aussage, seit Trump an der Macht ist. Doch dann kam es dicke: „Die Bedrohung, die mich in Bezug auf Europa jedoch am meisten besorgt, ist nicht Russland, nicht China, nicht irgendein anderer externer Akteur. Was mich besorgt, ist die Bedrohung von innen. Der Rückzug Europas von einigen seiner grundlegendsten Werte, Werte, die es mit den Vereinigten Staaten von Amerika teilt.“ Das führte er aus anhand der Annullierung der rumänischen Präsidentschaftswahlergebnisse durch das dortige höchste Gericht und kritisierte Deutschland dafür, keine Vertreter*innen populistischer Parteien zur MSK eingeladen zu haben. Die EU griff er an, weil ihre Kommissare beabsichtigten, „soziale Medien während Zeiten ziviler Unruhen abzuschalten – sobald sie das entdeckt haben, was sie als ‚hasserfüllte Inhalte‘ einstufen“. In Deutschland habe die „Polizei Razzien gegen Bürger durchgeführt…., die verdächtigt wurden, antifeministische Kommentare online gepostet zu haben“. Und in Schweden habe die „Regierung einen christlichen Aktivisten verurteilt, weil er an Koranverbrennungen teilgenommen hatte…“ Die Liste setzte er noch fort und versäumte es auch nicht, alle Einwander*innen zu beschimpfen. (2) In der Reaktion verwehrten sich viele Redner*innen, so auch beinahe geschlossen die deutschen Politiker*innen der großen Parteien, gegen Vance. „Es ist fast schon ein übergriffiger Umgang mit den Europäern, insbesondere mit uns Deutschen“, so Friedrich Merz.  (3)

Noch gewichtiger als dieser Misston von Seiten einer Regierung, bei dem man eigentlich nur an das Bild von den Steinen und dem Glashaus denken kann, war aber die Frage des Kriegs in der Ukraine. In der Woche vor der MSK hatte Trump mit Putin telefoniert und während der MSK wurde deutlich, dass es sehr bald ein Treffen hochrangiger Vertreter*innen Russlands und der USA in Saudi-Arabien geben werde. Aufreger für die europäischen Vertreter*innen war, dass sie nicht eingeladen sind. Der US-Sonderbeauftragte Kelloggs machte sehr deutlich. Frühere Verhandlungen seien gescheitert, weil zu viele Parteien beteiligt gewesen seien, sagte er der BBC. (4) Allerdings sei die Ukraine ‚natürlich dabei‘, war dann irgendwann zu hören, nachdem es anfänglich beinahe so aussah, als ob die USA mit Russland ohne das angegriffene Land einen Deal aushandeln wolle. (5) Präsident Selenskyj verwahrte sich auf der MSK deutlich dagegen und forderte auch eine Einbeziehung Europas. Auch die seltenen Erden der Ukraine gebe es nur gegen Sicherheitsgarantien, machte er klar. Einige europäische Länder, trafen sich dann auch direkt am Montag nach der MSK zu einem Krisengipfel in Paris.

Was es sonst noch gab? Einen neuen Vorsitzenden. In Zukunft wird Ex-NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die MSK leiten, obwohl er zwischenzeitlich auch Minister in Norwegen ist. Bekräftigungen, dass Europa weiter aufrüsten und kriegstüchtig werden müsse. Die Bereitschaft Großbritanniens, Truppen zur ‚Friedenssicherung‘ in die Ukraine zu entsenden. Die Forderung der deutschen GRÜNEN nach weitreichenden Waffen für die Ukraine. (6) Die Erwartung, dass die USA zehntausende ihrer Truppen aus Europa abziehen werden. Und ein durchaus lesenswertes Hintergrundpapier, den diesjährigen „Munich Security Report“, der sich mit Multipolarität im Weltsystem befasst. Er beschäftigt sich mit acht Ländern/Bündnissen: den USA, China, EU, Russland, Indien, Japan, Brasilien und Südafrika. (7)

Anmerkungen:

Christine Schweitzer ist Redakteurin des Friedensforums.

Rubrik

Friedensbewegung international
Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.