Internationale Friedensorganisationen

von Guido Grünewald

Das Internationale Friedensbüro (International Peace Bureau = IPB) wurde am 1. Dezember 1891 in Bern gegründet und ist somit die älteste bestehende internationale Friedensorganisation. Bis zum 1. Weltkrieg war das IPB das einzige internationale Zentrum der Friedensbewegun­gen. Stark geprägt durch einen völkerrechtlich orientierten Pazifismus, setzte sich das Friedensbüro vor allem für einen Bund der Völker, die internationale Schiedsgerichtsbarkeit sowie für Völkerverständigung und Abrüstung ein. Für seine Verdienste erhielt es 1910 den Friedens­nobelpreis; insgesamt wurden bis heute 13 seiner Vorstandsmitglieder mit diesem Preis ausgezeichnet.

Mit der Ausdifferenzierung der Frie­densbewegungen nach dem 1. Weltkrieg verlor das IPB seine überragende Stel­lung. In den 60er und 70er Jahren gab es wichtige Anstöße etwa für die Anerken­nung des Rechts auf Kriegsdienstver­weigerung (KDV) als Menschenrecht durch die UN, durch sein Beharren auf dem Ziel der allgemeinen und vollstän­digen Abrüstung mit der Forderung nach einer Weltabrüstungskonferenz und mit der Gründung des Abrüstungs­sonderausschusses der Nicht-Regie­rungsorganisationen in Genf 1970.

Heute versteht sich das IPB als globales Netzwerk unabhängiger Friedensorgani­sationen bzw. unabhängiger Organisa­tionen, für die Friedensarbeit nur ein Aktionsfeld neben anderen ist (z.B. Ge­werkschaften) und die als assoziierte Mitglieder beitreten. Ziel des IPB ist es, die Institution des Krieges abzuschaffen. Zu diesem Zweck unterstützt es einer­seits die Abrüstungsbemühungen der Vereinten Nationen und setzt sich für den Ausbau des Völkerrechts ein. Ande­rerseits ist das Friedensbüro bestrebt, die Basisbewegungen für Frieden zu stärken und zu vernetzen, ihre Stimme in internationalen Gremien zu Gehör zu bringen und die Bemühungen um so­ziale Gerechtigkeit, den Schutz der Menschenrechte und die Erhaltung der Schöpfung mit dem Friedenskampf zu verbinden.

Das IPB zählt heute ca.110 Mitgliedsor­ganisationen aus 35 Ländern, die schwerpunktmäßig in Europa, zuneh­mend aber auch im Pazifik und in Nord­amerika beheimatet sind. Das Büro un­terstützt bestehende internationale Netzwerke (z.B. gegen Waffenhandel und das Wettrüsten auf See) und hilft bei der Gründung neuer Netzwerke (z.B. für die völkerrechtliche Ächtung von Atomwaffen). Das Sekretariat in Genf fungiert als Dienstleistungszentrum, das den Mitgliedsorganisationen und Netz­werken Informationen und Vermitt­lungsdienste zur Verfügung stellt. Pu­blikationen sind das Informationsblatt IPB News, das auch über die Abrü­stungsverhandlungen und die Be­mühungen um eine Reform der Verein­ten Nationen berichtet, eine besondere Regionalausgabe für die Pazifik-Region, die in Australien hergestellt wird, sowie Broschüren und Bücher, jüngst z.B. zum Thema Wettrüsten auf See (Bases and Battleships) und zur Geschichte inter­nationaler Friedensarbeit (100 years of peace making).

Das IPB hat Konsultativstatus bei der UNO und der UNESCO und kann die Ansichten der Mitgliedsorganisationen dort zu Gehör bringen. Zusammen mit dem International Peace Communica­tion and Coordination Centre (IPCC) hat es Anfang 1991 in Brüssel das Europäische Büro für Frieden und Si­cherheit (EPSO = European Peace and Security Office) eingerichtet, das die Entwicklungen auf dem Feld der Frie­dens- und Sicherheitspolitik in der EG beobachten und Lobbymöglichkeiten für Friedensorganisationen schaffen soll. Verschiedene Mitgliedsorganisationen haben in der Nähe Helsinkis ein Balti­sches Friedenszentrum errichtet. Ar­beitsschwerpunkte für das kommende Jahr sind Waffenhandel, völkerrechtli­che Ächtung von Atomwaffen (gemein­sam mit internationalen Juristenorganisationen), UN-Reform und eine Kampagne um sicherzustellen, daß auf der Weltumweltkonferenz 1992 in Brasilien die schädlichen Folgen des Militärs für Umwelt und Entwicklung diskutiert werden. Darüber hinaus wer­den Mitgliedsorganisationen in Zusam­menarbeit mit dem IPB Seminare durch­führen, u.a. zu Gewalt und Frauen in Kanada sowie anläßlich der 100 Jahr-Feier im August 1992 in Helsinki, wo es u.a. um die Dimensionen der gewalt­freien Volksmacht, die Zukunft der UN und die Friedensbewegung im dritten Jahrtausend gehen wird.

Deutsche Mitglieder des IPB sind die DFG-VK, der Versöhnungsbund, das Internationale Begegnungshaus-Frie­denszentrum in Bielefeld, IFIAS und die Zeitschrift Der Pazifist. Volle Mit­gliedschaft mit Stimmrecht bei der Jah­resversammlung können auch lokale und regionale Friedensgruppen erwer­ben (Jahresbeitrag 100 Schweizer Fran­ken); nationale Organisationen zahlen 400 SFr. Außerdem gibt es für 50 SFr die Möglichkeit der Einzelmit­gliedschaft.

War Resisters`International,
Die WRI wurde 1921 unter dem Espe­rantonamen Paco im holländischen Bilthoven gegründet und hat seit 1923 ihren Sitz in London. Sie wurzelt in der radikalen Gewaltlosigkeit der Quaker und im gewaltfreien Antimilitarismus eines Teils der Arbeiterbewegung, vor allem der Anarcho-Syndikalisten; eine anarchistische Strömung war immer in der Internationalen vertreten. Im Unter­schied zum IPB ist für eine Mit­gliedschaft in der WRI ein Bekenntnis zum radikalen Pazifismus Vorausset­zung. Die Grundsatzerklärung, die jedes Mitglied unterzeichnen muß, lautet: Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuwirken.

Kern der WRI-Arbeit ist die weltweite Vernetzung der KriegsdienstgegnerIn­nen und ihrer Organisationen und die Unterstützung ihrer gewaltfreien Aktio­nen. Dazu gehören zunächst die Bemühungen um die weltweite Anerken­nung des Rechts auf KDV sowie für eine Verbesserung der Situation der KDVer; jährlich zum 1. Dezember pu­bliziert die WRI eine Ehrenliste der Gefangenen für den Frieden und unter­stützt die Aktionen zum Internationalen Tag der KDVer am 15. Mai. Die Mehrheit in der WRI lehnt heute einen Alternativdienst für KDVer ab und tritt für eine umfassende Verweigerung aller Kriegsdienste ein; die WRI unterstützt die Verweigerung von Rüstungssteuern und einer Beschäftigung in der Rüstungsproduktion. Wie das IPB will die WRI den Krieg als Institution überwin­den, wobei sie den Schwerpunkt aller­dings auf eine vollständige Entmilitari­sierung der Gesellschaften mittels per­sönlicher Verweigerung legt. Spätestens seit dem Manifest für eine gewaltlose Revolution von 1972 engagiert sich die Internationale gleichzeitig für den Auf­bau einer gewaltfreien, enthierarchi­sierten Gesellschaft im Sinne einer Graswurzelrevolution. Außerdem bemüht sich die WRI um die gewaltfreie Lösung von Konflikten durch persönli­ches Engagement: die Internationalen Friedensbrigaden (Schutz von Men­schenrechtsaktivistInnen in Südamerika) und das Golf-Friedensteam werden aktiv unterstützt.

Das Büro in London vermittelt Infor­mationen und Kontakte, bereitet Vor­tragsreisen, Delegationen und Konfe­renzen vor und koordiniert Aktionstage. Publikationen der WRI sind Das Zer­brochene Gewehr (4-5mal jährlich, Kurznachrichten auf deutsch), die mo­natlichen erscheinenden Peace News sowie Broschüren und Bücher, jüngst zu Gewaltfreier Kampf und Soziale Ver­teidigung (Nonviolent Struggle and Social Defence). Entscheidend für die Wirksamkeit der WRI ist jedoch die Aktivität der Mitgliedsorganisationen und der AktivistInnen in den internatio­nalen Arbeitsgruppen, die gegenwärtig zu folgenden Themen arbeiten: Nahost, Lateinamerika, Gewaltfreie Ökonomie, Gewaltfreies Training, Gewaltfreiheit und Ökologie. Die Frauen-AG organi­siert für 1992 in Thailand einen eigenen Kongreß.

Die WRI zählt 60 Mitgliedsorganisatio­nen (davon 29 assoziierte) in 26 Län­dern mit Schwerpunkt Europa, aber auch aus Asien, Afrika und Südamerika. Wie im IPB wird über eine Strukturre­form diskutiert, um eine bessere regio­nale Repräsentation und die Geschlech­terparität zu gewährleisten. Auch die WRI besitzt Konsultativstatus bei der UNO; momentan wird allerdings über einen Antrag diskutiert, diesen Status angesichts der Verhaltens der UN im Golfkrieg aufzugeben. Deutsche Mitgliedsorganisationen (Sektionen) sind die DFG-VK, die F™GA, die Hambur­ger DFG-IdK und die IDK Berlin; assoziierte Mitglieder sind der Freundeskreis Wehrdiensttotalverweigerer, die Selbstorganisation der Zivildienstleistenden und das Anti-Kriegs-Museum in Berlin-Wedding. Christine Schweitzer wurde auf der Dreijahreskonferenz im Juli 1991 in den Vorstand der WRI gewählt. Auch in der WRI besteht die Möglich­keit der Einzelmitgliedschaft; Beitrag sollte nach eigener Selbsteinschätzung gezahlt werden.

Kontaktadressen für das IPB: Interna­tional Peace Bureau, 41, rue de Zurich, CH-1201 Genève, Suisse; Tel. 004122-7316429; Fax bisher gleiche Nummer (eine neue ist beantragt) und Guido Grünewald, Ubierring 41, 5000 Köln 1, Tel. 0221/324442.

Kontaktadressen für die WRI: War Re­sisters`International, 55 Dawes Street, London SE17 1EL, UK; Tel. 004471-7037189; Fax 004471-7082545 und Christine Schweitzer, Lützowstr. 22, 5000 Köln 1, Tel. 0221/2401819.

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Dr. Guido Grünewald ist internationaler Sprecher der DFG-VK und Vorstandsmitglied des EBCO.