Alternativen zu Krieg und Besatzung

Internationale Irakkonferenz 7. - 9. März 2008

von Joachim Guillard
Initiativen
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Am 20. März jährt sich der US-geführte Überfall auf den Irak zum fünften Mal. Die Bilanz dieser fünf Jahre Krieg und Besatzung ist verheerend. Mehr als eine Million Irakerinnen und Iraker starben vermutlich bereits an den Folgen und über vier Millionen, fast ein Sechstel der Bevölkerung, ist auf der Flucht. Die US-geführte Aggression führte somit zur, nach den Kriegen im Kongo, weltweit größten humanitären Katastrophe der letzten Jahrzehnte.

Obwohl in Hinblick auf das Ausmaß des Krieges und die weltpolitische Bedeutung durchaus mit dem Vietnamkrieg vergleichbar, entwickelte sich bisher keine breite Protestbewegung dagegen. Offensichtlich fördern die täglichen Bilder aus dem Irak vor allem eines: Hilflosigkeit.

Die Medienberichte konzentrieren sich ausschließlich auf die Konflikte zwischen irakischen Kräften, auf das Milizen-Unwesen, auf religiös motivierte Gewalt und Terroranschläge. Die von US-geführten Truppen ausgeübte Gewalt verschwindet ebenfalls völlig im Hintergrund. Die Besatzer erscheinen gar als Kräfte, die verzweifelt bemüht sind, einem in sich zerrissenen Land Frieden und Stabilität zu bringen.

Um dieses schräge Bild gerade zu rücken, veröffentlichte das Global Policy Forum mit Unterstützung von dreißig weiteren Friedens- und Menschenrechtsgruppen im Juni 2007 einen umfassenden Bericht, der die zentrale Verantwortung der Besatzungsmächte für die Lebensbedingungen und die herrschende Gewalt im Irak belegt (s. Friedensforum 5/2007).

Dieses Thema steht auch im Zentrum der ersten beiden Blöcke der Irakkonferenz 2008. Céline Nahory, Ko-Autorin des Reports wird ihn ihrem Beitrag die wesentliche Feststellungen des Berichts der gängigen Berichterstattung gegenüberstellen. Weitere Experten und Zeugen ihre Darstellungen untermauern.

Heftig umstritten ist vor allem die Zahl der Opfer, die Krieg und Besatzung bisher forderten. Hier reichen die Schätzungen von 80.000 des Iraq Body Count bis zu über einer Million des britischen Instituts ORB. Les Roberts, einer Autoren der "Lancet-Studie" die im Oktober 2006 die Zahl auf 650.000 schätzte, wird auf der Konferenz erläutern, wie die unterschiedlichen Zahlen zustande kommen und wie sie einzuschätzen sind.

Schon vor dem jüngsten Krieg hatte ein 13-jähriges mörderisches Embargo Opfer in Millionenhöhe gefordert. Hans v. Sponeck, ehem. UN Koordinator für Irak, wird zu Beginn der Konferenz daher eine Bilanz der gesamten zwei Jahrzehnte westlicher Irakkrieg ziehen, für die auch Länder wie Deutschland und die UNO eine maßgebliche Verantwortung tragen.

Prof. Norman Paech, Völkerrechtsexperte und außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE wird der Frage nachgehen, ob die Besatzung völkerrechtlich gesehen tatsächlich beendet ist, wie es die USA und auch die deutsche Regierung behaupten.

Während die irakisch-amerikanische Ärztin Dahlia Wasfi skizzieren wird, was ein Leben unter Besatzung für die Betroffenen bedeutet, wird die in London lebende irakische Frauenrechtlerin und Autorin Haifa Zangana sich darauf konzentrieren, wie sich der Zusammenbruch des Landes auf das Leben der Frauen auswirkte. Vor wenigen Wochen erschien auf englisch ihr neues Buch, "Stadt der Witwen - Bericht einer irakischen Frau über Krieg und Widerstand" (City of Widows - An Iraqi Woman`s Account of War and Resistance).

Über die maßgeblichen Kräfte hinter der alltäglichen Gewalt werden wir Aussagen aus zwei gegensätzlichen Blickwinkeln erhalten: Während die irakische Journalistin Iman Ahmad Khammas, aktiv in der Bagdader Frauenorganisation Women`s Will Association vor Ort die Folgen von US-Angriffen wie das Treiben irakischer Milizen und Sicherheitskräften untersuchte, wird Clifton Hicks, der heute bei den Irak-Veteranen gegen den Krieg (IVAV) aktiv ist, die Eskalation der Gewalt aus der Sicht eines ehemaligen Panzerfahrer und Richtschütze in Bagdad schildern.

Der Altorientalist Prof. Walter Sommerfeld, der den Irak aus zahlreichen längeren Aufenthalten kennt und auch aktuell intensiven Kontakt zu Freunden und Kollegen im Irak hält, wird der gängigen simplizistischen Vorstellung einer Spaltung der irakischen Gesellschaft in Kurden, Sunniten und Schiiten ein wesentlich komplexeres Bild irakischer Kräfte und Interessengegensätze entgegenstellen.

Ein solcher Überblick ist schließlich entscheidend, um die möglichen Alternativen zur Besatzung beurteilen zu können, die zum Schluss im größten Block vorgestellt und diskutiert werden.

Die Vorschläge der irakischen Opposition zum Aufbau eines stabilen und demokratischen Iraks werden von Dr. Khair El-Din Haseeb vorgestellt, der Schirmheer einer sehr breiten nationalen Initiative zur Beendigung der Besatzung ist. Im Rahmen dieser Initiative haben über 100 Vertreter verschiedenster Organisationen und gesellschaftlicher Schichten sehr detaillierte Pläne ausgearbeitet, bis hin zu Entwürfen einer neuen Verfassung und eines neuen Wahlgesetzes.

Der US-amerikanische Politikveteran William R. Polk, US-Sicherheitsberater unter John F. Kennedy und Mitglied des einflussreichen US-amerikanischen Council on Foreign Relations wird den irakischen Vorschlägen seinen "praktikablen Rückzugsplan" entgegensetzen, den er zusammen mit Ex- Senator George McGovern, Kongressmitglied John Murtha und General William Odom erarbeitet hat.

Dennis Kucinich, demokratischer US-Kongressabgeordneter und entschiedener Kriegsgegner wird seinen "12-Punkte-Plan zur Beendigung des Krieges" präsentieren, den er im Januar 2007 im Repräsentantenhaus einbrachte.

Kucinichs Vorschläge decken sich in vieler Hinsicht mit dem Friedensplan der Transnational Foundation (TFF), den Hans v. Sponeck zur Diskussion stellen wird. Hier flossen aber zudem noch Ansätze ziviler Konfliktbearbeitung aus der Friedensforschung und grundlegende Erfahrungen mit Missionen der Vereinten Nationen ein. Wir erwarten, dass trotz aller Unterschiede sich am Ende dieser einmaligen Diskussionsrunde ein Grundkonsens über die wesentlichen Elemente für ein Ende der Besatzung herausschälen wird.

Programm und Informationen über die Referenten siehe: http://www.irakkonferenz2008.de

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Joachim Guillard ist im Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg aktiv. Er ist Verfasser zahlreicher Fachartikel zum Thema Irak und Mitherausgeber bzw. Koautor mehrerer Bücher.