Christlich-islamische Begegnung und Friedensarbeit

Interreligiöser Dialog

von Jürgen Neitzert
Schwerpunkt
Schwerpunkt

Im Sommer 1992 entstand das Vorhaben einiger Mitglieder der Christlich - Islamischen Gesellschaft im Raum Köln, mit einem interreligiösen Ge­bet von Muslimen, Juden und Christen für Frieden in Bosnien ein Zei­chen gegen den Krieg und für ein Zusammenleben der Menschen über die Grenzen der Religionen hinweg zu setzen. Die Initiative ergriff ein evangelischer Pastor im Sonderdienst für christlich-islamischen Dialog, Uwe Grieser.

Schon in den Jahren davor hatte unsere Arbeitsgemeinschaft "Gerechtigkeit und Frieden" der Franziskaner das Friedens­gebet der Religionen in Assisi 1986 aufgegriffen und zusammen mit anderen muslimischen und christlichen Gruppen zu mehreren Friedensgebeten in Düssel­dorf und Köln eingeladen, zuletzt in der Zeit des zweiten Golfskrieges. Dabei waren es zumeist türkische, marokkani­sche und deutsche Muslime, die mit zum Gebet eingeladen hatten. Uns war wichtig, daß bei einem Friedensgebet für Bosnien auch muslimische, serbi­sche und kroatische Bosnier selber mit dabei wären. So wurden langsam Kon­takte zur Moschee der Muslime aus Bosnien, zur Kroatisch-Katholischen Gemeinde und zur serbisch-orthodoxen Gemeinde aufgebaut. Bei einem ersten Vorbereitungstreffen waren dann auch Vertreter aller Gruppen und ein Mitglied der jüdischen Gemeinde gekommen. Was dann folgte, waren zwei Jahre in­tensiver Bemühungen, trotz aller Kriegsgreuel, die allein durch das Schicksal vieler Flüchtlinge aus Bos­nien, die in Köln leben, immer präsent waren, im Gespräch miteinander zu bleiben. Das erste Friedensgebet fand im September 1992 in der Kölner Anto­niterkirche statt, begonnen mit einer Verurteilung aller Verbrechen des Krieges und Bußgebeten.

Es folgten drei weitere Gebete um Frie­den in Bosnien, einmal in einer türki­schen Moschee, in der 600 Menschen zusammenkamen, dann wieder in Köl­ner Kirchen. Aus den Begegnungen und Gebeten ist dann eine gemeinsame Hilfsaktion für Menschen in Zentral­bosnien entstanden, die wir nach einem interreligiösen Projekt in Sarajewo "Zajedno pomoci - zajedno moliti" (Gemeinsam beten - gemeinsam helfen) nannten. Etwa 100 000 DM Spenden für Lebensmittel sowie viele Sachspenden kamen zusammen, die dann in die Re­gionen Zentralbosniens geliefert wur­den, wo nach wie vor ein Zusammenle­ben der verschiedenen Gruppen besteht. Uns war es sehr wichtig, gerade in die­sem Krieg, wo die Fronten ja oft entlang der Konfessions- und Religionsgrenzen verlaufen, als religiöse Gruppen ein Zeichen gegen diesen Krieg zu setzen, deutlich zu machen, daß sich das Un­recht nicht auf die Religion als Legiti­mation berufen kann. Es ging auch darum, die andere Realität aufzuzeigen, die in den Berichten über den Krieg immer zu kurz kommt: die vielen religi­ons- und konfessionsverschiedenen Fa­milien, das nach wie vor bestehende  Zusammenleben besonders in Zentral­bosnien, auch wenn der Krieg sicher viel daran geändert hat.

Schwierigkeiten, Missverständnisse, die Frage, wo angesichts der Schicksale vieler Kriegsflüchtlinge hier in Köln auch Grenzen für gemeinsame Zeichen sind, Enttäuschung über die kleine Zahl der wirklich Mittragenden, das hat un­sere Initiative auch die beiden Jahre be­gleitet. Ich denke nur, daß sich bei die­ser kleinen Zahl in diesen zwei Jahren manches verändert hat. Durch die ge­meinsame Initiative, besonders das ge­meinsame Hilfsprojekt, das viele Tref­fen nötig machte, war immer ein Ge­sprächsfaden geblieben, miteinander über die Situation zu reden. Es gab viele gegenseitige Besuche, manchmal eine Teilnahme am Gottesdienst der anderen Gruppen, manche Vorurteile wurden durch Erfahrungen revidiert. Die kroa­tisch-katholische Gemeinde lud den Imam der bosnischen Moschee zum "Runden-Tisch-Gespräch" ein, wir wa­ren zu Gast bei Feiern der muslimischen Freunde, wie etwa zum Opferfest, aus erst formelleren Treffen wurden Freund­schaften.

In der Friedensarbeit unserer Arbeits­gemeinschaft "Gerechtigkeit und Frie­den" ist in den letzten Jahren die christ­lich-islamische Begegnung zu einem Hauptschwerpunkt geworden. Uns ging es über die Friedensarbeit für Bosnien hinaus auch darum, Zeichen gegen das neue Feindbild "Islam" und Feindlich­keiten gegen türkische Mitbürger hier zu setzen; aber auch, beizutragen, Vorur­teile gegen den Islam bei uns durch Er­fahrungen zu revidieren. So sehr die Religionen oft Ursache von Kriegen wa­ren und sind, denke ich doch, daß in ih­nen auch gerade ein Potential steckt, Respekt vor der Würde des Anderen zu lernen.

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt
Jürgen Neitzert ist Franziskaner Bruder in Köln und im christlich-islamischen Dialog aktiv.