Gewalt-Eskalation im Nahen und Mittleren Osten verschärft Iran-Krise

Iran-Krieg noch in der Bush-Ära?

von Clemens Ronnefeldt

Während der Öl-Preis sich der 100 US-Dollar-Grenze pro 159-Liter-Fass nähert, der US-Dollar auf einem historischen Tiefpunkt und das US-Leistungsbilanzdefizit auf einem historischen Höchststand angekommen sind, verschärfen sich die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten von Woche zu Woche: Die türkische Armee geht im Nordirak gegen die PKK vor, der Libanon steht nach einer ganzen Reihe von Morden an führenden Politikern vor einem Bürgerkrieg, die israelische Luftwaffe bombardierte am 6.9.2007 eine vermutete syrische Nuklearanlage an der syrisch-irakischen Grenze und bereitet sich auf eine Militärinvasion im Gazastreifen nach der Nahost-Friedenskonferenz im November 2007 vor, um das dortige "Hamastan" in ein "Fatahstan" umzuwandeln. Im Irak lässt weder die Gewalt noch der Flüchtlingsstrom nach Syrien und Jordanien nach, wo inzwischen ca. zwei Millionen irakischer Flüchtlinge notdürftig Unterkunft gefunden haben. Die sunnitische saudische Führung sieht im irakischen schiitischen Staatschef Maliki einen Agenten Teherans, Saudi-Arabien gilt als politisch und religiös tief gespalten. Die Zahl der Anschläge gegen die Besatzungsmächte in Afghanistan erreicht 2007 neue Rekordmarken, die 2002 bereits besiegt scheinenden Taliban sind so stark wie nie zuvor in den letzten fünf Jahren. Um den pro-amerikanischen Kurs Pakistans zu halten, hat die US-Regierung hinter den Kulissen dem Militärdiktator Pervez Musharraf die US-freundlich eingestellte Benazir Bhutto als Stütze zum Machterhalt beigesellt. Nach der Erstürmung der roten Moschee und dem Mordanschlag auf Benazir Bhutto steht Pakistan am Rande des Kriegsrechts mit der Gefahr eines Bürgerkrieges.

Ende Juli 2007 verkündete die US-Regierung einen gigantischen Aufrüstungsplan: Um Iran und die schiitischen Kräfte der Region einzudämmen, werden Saudi-Arabien, Ägypten und die Golfstaaten Waffen im Wert von 34 Milliarden US-Dollar erhalten. Rüstungsgüter noch einmal in etwa gleicher Größenordung sollen zusätzlich an Israel gehen, damit dieses sich wiederum nicht vor seinen arabischen Gegnern zu fürchten braucht.

Angesichts dieser politischen Großwetterlage Iran mit einem weiteren Krieg zu überziehen, hieße vermutlich ohne Übertreibung, einen Weltkrieg zu riskieren - einen Begriff, den George W. Bush bewusst in den Diskurs einbrachte, um vermutlich einerseits China, Russland und einige widerspenstige europäische Staaten auf US-Linie zu bringen und andererseits im US-Wahlkampf "Stärke" gegenüber den Demokraten zu zeigen.

Die Zeit drängt - der US-Machtkampf wird schärfer
Je näher das Ende der Bush-Ära am 4. November 2008 rückt, desto mehr scheint sich der offen geführte Machtkampf innerhalb der US-Regierung in der Iran-Frage zuzuspitzen: Richard Cheney, dessen Verbündete im Pentagon und Kongress sowie die Lobby des American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) glauben, dass die auf absehbare Zeit letzte Chance eines Iran-Krieges mit der Präsidentschaft von George W. Bush zu Ende geht. Das Losschlagen dieser Gruppe konnten bisher vor allem US-Außenministerin Condolezza Rice sowie etliche hohe US-Militärvertreter verhindern.

Verschärfung des Iran-Konfliktes seit Sommer 2007
In den letzten Wochen haben sich der Tonfall und das Handeln der US-Regierung gegenüber Iran deutlich verschärft. Im August 2007 brachte George W. Bush seine Iran-Sicht der Dinge vor US-Kriegsveteranen auf folgende Punkte:

Iran "ist der wichtigste staatliche Unterstützer des Terrorismus auf der Welt. Der Iran schickt Waffen zu den Taliban in Afghanistan, die genutzt werden könnten, um amerikanische und NATO-Truppen anzugreifen.Mitglieder der Quds-Verbände und der Revolutionsgarden unterstützen extremistische Gruppen mit Geld und Waffen sowie hochentwickelten Sprengsätzen. Mit Unterstützung der Hizbollah haben sie gewalttätige Kräfte im Irak ausgebildet.Das Regime im Iran muss mit diesen Aktivitäten aufhören. Bis dahin werde ich das Notwendige tun, um unsere Truppen zu schützen. Ich habe unseren militärischen Kommandeuren im Irak erlaubt, gegen die mörderischen Aktivitäten Teherans vorzugehen" (zit. nach Otfried Nassauer, NDR, 6.10.2007).

Paradigmenwechsel von der Atom- zur Terrorismusfrage
Wegen der ablehnenden Haltung Chinas und Russlands im UN-Sicherheitsrat gegenüber der Drohung oder gar Legitimierung von militärischen Maßnahmen im Atomstreit sowie der klaren Politik des Chefs der Internationalen Atomenergiebehörde, Mohammed El Baradei, den Iran-Nuklearkonflikt mit diplomatischen Mitteln zu lösen, hat die US-Regierung einen Paradigmenwechsel vollzogen.

Der schon lange schwelende Streit im Wesentlichen um die Anreicherung von Uran und die damit verbundene Gefahr einer iranischen Atombombe ist in den letzten Wochen mehr und mehr zur Legitimierung eines US-Angriffs sekundär geworden. Der weitaus wichtigere, primäre Grund für einen Iran-Angriff ist für die Neokonservativen in der US-Regierung nun der Terrorismus-Vorwurf, verbunden mit der Irak-Frage. Nach ihrer Ansicht ist der Irak-Krieg nur noch dann zu gewinnen, wenn auch Iran (und Syrien) bombardiert werden sowie einen Regimewechsel erhalten - und dadurch der militärische Nachschub für den gewaltsamen Widerstand gegen die US-Truppen in Irak und Afghanistan gebrochen wird. Dies wird auch an der Ausarbeitung von Strategieplänen deutlich. Stand vor Monaten noch die Frage im Zentrum, wie die zum Teil unterirdisch verbunkerten iranischen Atomanlagen zerstört und die darin arbeitenden Ingenieure in einem Überraschungsangriff getötet werden können, um deren Wissen zu vernichten, drehen sich in den letzten Wochen die Militärplanungen schwerpunktmäßig um die Frage, wie das gesamte iranische Militärpotential sowie wichtige strategische Infrastrukturziele - etwa 1200 - in wenigen Tagen komplett ausgeschaltet werden können.

Obwohl die bestehende Resolution des UN-Sicherheitsrates, wonach Iran die Uran-Anreicherung in Natanz vollständig einzustellen hat, in der Sache eine völkerrechtlich kaum haltbare Berechtigungsgrundlage hat, könnte die US-Regierung diese Nichterfüllung ebenfalls zur Legitimierung eines Krieges missbrauchen. Im Grunde kann der noch in diesem Jahr erwartete nächste Bericht El Baradeis zu Iran so positiv ausfallen wie er will - die US-Regierung kann schon jetzt die Nichterfüllung der UN-Sicherheitsresolution zur zusätzlichen Legitimierung eines Angriffes - neben dem Terrorismusvorwurf - instrumentalisieren und einem Krieg damit sogar noch einen Hauch von völkerrechtlicher Legitimität verleihen.

Unaufgearbeitete "Altlasten" zwischen Iran und USA erschweren Lösung
Am 7. August 2007 fiel eine juristische Entscheidung von symbolischer Bedeutung: Ein US-Gericht verurteilte Iran zur Zahlung von 2,65 Milliarden Dollar Entschädigung für die Familien von US-Soldaten, die bei einem Bombenanschlag in Beirut 1983 getötet worden waren. Damals kamen 241 US-Marineinfanteristen ums Leben, der Anschlag wurde der Hizbollah zugeschrieben, die Drahtzieher in Iran vermutet. Die Gerichtsentscheidung untermalte als "Begleitmusik" aktuelle Terrorismusvorwürfe gegen Teheran.

Für den am 3. Juli 1988 erfolgten Abschuss eines iranischen Airbus A 300 durch den US-Kreuzer "USS Vincennes", bei dem 290 iranische Zivilisten getötet wurden, haben die seitherigen US-Regierungen weder eine Entschädigung gezahlt, noch eine Entschuldigung gegenüber den Familien der Opfern ausgesprochen. Captain Rogers, der auf der "USS Vincennes" den Abschussbefehl erteilt hatte, erhielt nach zweijährigen Untersuchungen von Präsident George Bush 1990 den "Legion-of-Merit-Orden" für außerordentliche Pflichterfüllung im Amt.

Die Beseitigung der Demokratie im Iran 1953 durch britische und amerikanische Geheimdienste, die Geiselnahme von US-Botschaftsangehörigen 1979 durch iranische Studierende, die Nichtauszahlung eingefrorener iranischer Guthaben in den USA an Iran, die Iran-Contra-Affäre 1984, der Beschuss Irans im Krieg 1980-1988 durch Irak mit Giftgas, geliefert u.a. aus den USA und Deutschland: All diese und noch einige weitere unaufgearbeitete "Altlasten" erschweren eine diplomatische Lösung zwischen den USA und Iran derzeit erheblich.

Der US-Kongress-Beschluss vom Februar 2006
Um den Regimewechsel in Teheran voranzubringen, beschloss der US-Kongress bereits im Februar 2006, 75 Millionen Dollar für ein Programm mit dem ansprechenden Titel "Offenheit und Freiheit für das iranische Volk" unter Federführung des US-Außenministeriums zu bewilligen. 36 Millionen wurden den Radiosendern "Voice of America", "Farda" sowie von Exiliranern betriebenen Sendern bewilligt. 20 Millionen bekamen oppositionelle Nichtregierungsgruppen zugeteilt, die sich in den USA und im Iran für Menschenrechte einsetzen. Diese vom Ansatz her zunächst begrüßenswert klingende Unterstützung entpuppte sich in der konkreten Ausführung allerdings als ein mehr als fragwürdiges Unternehmen: Bei einem von der US-Regierung finanzierten workshop in Dubai zur Anwerbung von oppositionellen MultiplikatorInnen berichtete ein iranischer Teilnehmer, er habe sich gefühlt "wie in einem Ausbildungslager für Revolutionäre bei James Bond" (zit. nach Le Monde Diplomatique, nachfolgend LMD abgekürzt, Oktober 2007, S. 5).

Die US-Präsidenten-Direktive vom April 2007
Im April 2007 wurde nach einer Direktive des US-Präsidenten ein ganzes Programm von verdeckten Aktionen gegen Iran beschlossen. Vermutlich durch undichte Stellen in den Geheimdienstausschüssen von Senat und Repräsentantenhaus wurden die eigentlich geheim zu haltenden Aktions-Planungen öffentlich.

Der Paradigmenwechsel dieser Präsidenten-Direktive liegt darin, dass bis zum Frühjahr diesen Jahres US-Dienste lediglich indirekt über Israel und Pakistan Einfluss im Iran z.B. bei der Inszenierung von Anschlägen durch ethnische Minderheiten mit dem Ziel der Destabilisierung des Regimes in Teheran genommen haben. Seit April 2007 laufen diese Aktivitäten nicht mehr indirekt, sondern direkt: Die CIA hat inzwischen die Angelegenheit selbst in die Hand genommen.

Im Detail geht es im ökonomischen Bereich um

  • Störungen der iranischen internationalen Bankverbindungen,
  • Störungen der iranischen internationalen Handelsbeziehungen,
  • Manipulation der iranischen Währung.

Was derzeit bereits läuft, kann als "Low-Intensity-Wirtschaftskrieg" bezeichnet werden.

In der Auseinandersetzung um die öffentliche Meinung wurde beschlossen,

  • Propagandasendungen weiter auszuweiten,
  • Desinformationskampagnen zu starten,
  • Iranische Exilgruppen in Europa und den USA für einen Regimewechsel einzusetzen.

Die neuen Sanktionen vom Oktober 2007 und das Versagen der US-Demokraten
Zu den am 3.12.2006 im UN-Sicherheitsrat gegen Iran verhängten Sanktionen, die Vermögenswerte von 12 Personen und zehn Firmen einzufrieren, die an iranischen Atom- und Raketen-Programmen beteiligt sind, sowie der Erweiterung dieses UN-Beschlusses am 24.3.2007 mit dem Exportverbot für iranische Waffen, verhängte am 25.10.2007 die US-Regierung wesentlich verschärfte Sanktionen gegenüber Iran:

Teherans Revolutionäre Garden wurden als "Verbreiter von Massenvernichtungswaffen" eingestuft, die iranischen Al-Quds-Brigaden als "Unterstützer von Terroristen" geächtet. Mit beiden Maßnahmen verhängte Washington erstmals drastische Strafmaßnahmen gegenüber Streitkräften eines anderen Landes. Da die Revolutionären Garden im Iran u.a. auch in der Bau-, Öl- und Pharmaindustrie tätig sind, riskieren ausländische Unternehmen, die weiterhin Geschäfte mit ihnen machen, keine Aufträge mehr in den USA zu erhalten. Vier iranische Staatsbanken wurden im neuen US-Beschluss ebenfalls geächtet.

Im neuen Haushaltsentwurf zur Finanzierung der Irak- und Afghanistankriege wurden 88 Millionen Dollar eingeplant, um B-2-Kampflugzeuge für den Transport von "Bunker-Bustern" umzurüsten und damit die unterirdischen Atomanlagen im Iran zu zerstören.

Ideologisch begleitet wurden die neuen Sanktionsmaßnahmen in den USA Ende Oktober 2007 mit einer "Islamo-faschistischen Bewusstseins-Woche". An mehr als 150 US-Universitäten organisierten Neokonservative Propaganda-Veranstaltungen mit dem Schwerpunkt "Bedrohung durch Iran".

Die derzeit aussichtsreichste US-Präsidentschaftskandidatin, Hillary Clinton, hat im Senat den Anti-Iran Beschluss mit der Einstufung der iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation mitgetragen und dafür innerparteilich u.a. von Barack Obama und John Edwards, die sich ebenfalls um das Präsidentenamt bewerben, Kritik geerntet. Dies bedeutet allerdings nicht, dass sich die beiden letztgenannten einem Iran-Krieg entgegenstellen würden: Obama und Edwards haben ebenso wie Hillary Clinton im Zusammenhang der Diskussion um ein Mitspracherecht des US-Kongresses bei einer Iran-Krieg-Entscheidung deutlich gemacht, dass sie militärische Aktionen gegen Iran nicht prinzipiell ablehnen. Diese Steilvorlage könnte George W. Bush noch politisch nützlich werden.

In Deutschland kritisierte als einer der wenigen Stimmen überhaupt der Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Auswärtigen Ausschuss und rüstungskontrollpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl-Theodor zu Guttenberg, die Sanktionsbeschlüsse: Sie seien "nicht ausreichend durch konkrete Vorwürfe gegen die betroffenen iranischen Kreise begründet worden. Das könne den Verdacht nähren, die US-Anschuldigungen seien konstruiert, um einen militärischen Angriff vorzubereiten" (SZ, 27./28.10.2007).

Bereits vor dem Oktober-Sanktions-Beschluss haben die US-Streitkräfte im Irak begonnen, einen ersten Militärstützpunkt in unmittelbarer Nähe zum Iran zu bauen.

Instrumentalisierung ethnischer Minderheiten und Oppositioneller zur Destabilisierung Irans
Perser stellen mehr als die Hälfte der iranischen Bevölkerung, alle ethnischen Minderheiten zusammen immerhin rund 44 Prozent. Die im Norden Irans an der Grenze zu Aserbeidschan beheimateten Aseris sind mit 24 Prozent Gesamtanteil die größte Minderheitengruppe. Unter Kurden, Arabern und Belutschen herrscht seit längerem große Unzufriedenheit mit der Teheraner Zentralregierung, die derzeit massiv von US- wie auch von israelischer Seite instrumentalisiert wird.

In einer in der US-amerikanischen Militärfachzeitschrift "Armed Forces Journal" im Juni 2006 abgedruckten Landkarte mit dem Titel "Blut-Grenzen: Wie ein besserer Mittlerer Osten aussehen würde" (Blood borders: How a better Middle East would look) machte sich der Autor Ralph Peters Gedanken über eine geographische Neuordnung der gesamten Region im Dreieck zwischen Türkei, Pakistan und Jemen. Neben einem dreigeteilten Irak, dessen neuer arabisch-schiitischer (Teil-)Staat im Süden des Landes auch die iranische Region Khusistan mit ihrer arabischen Mehrheit einschloss, fielen ein freies Belutschistan (auf Gebietskosten Irans und Pakistans) sowie ein Staat Kurdistan (auf Gebietskosten der Türkei, Iraks, Syriens und Irans) ins Auge. Iran würde nach dieser Vision nicht nur flächenmäßig an Macht und Einfluss stark verlieren. Mit der Abtrennung der Provinz Khusistan würde Iran rund 80% seiner derzeitigen Erdölvorräte an einen neuen arabisch-schiitischen Staat - unter US-Kontrolle - verlieren.

Ohne diese Landkarte überbewerten zu wollen, scheint sie bei Ansicht konkreter Fakten allerdings doch mehr zu zeigen als bloße neokoloniale Gedankenspiele einer Politik des "Teile und Herrsche" auf ethnischer Grundlage.

Khusistan
Die erdölreiche Provinz Khusistan trägt in erheblichem Maße zum iranischen Gesamteinkommen bei; die arabisch-schiitische Bevölkerungsmehrheit fühlt sich - mit gutem Grund - seit vielen Jahren bei der Verteilung dieser Erlöse unzureichend berücksichtigt. Wegen der Zerstrittenheit verschiedener oppositioneller Gruppen untereinander gibt es derzeit (noch) keine nennenswerten militärischen Kräfte, die eine Abspaltung mit Gewalt durchsetzen könnten. In den vergangenen Monaten wurden allerdings immer wieder Anschläge auf staatliche Sicherheitseinrichtungen verübt, ebenso auf Erdölförderanlagen. In der Provinzhauptstadt Ahwas propagiert der Satellitensender "Ahwaz-TV" die Unabhängigkeit Khusistans, auf dem Bildschirm erscheint "eine Faxnummer mit kalifornischer Vorwahl" (LMD, Okt. 2007).

Belutschen
In der im Südosten an der Grenze zu Pakistan gelegenen Provinz Belutschistan werden "die seit langem etablierten Verbindungen der US-Geheimdienste zum pakistanischen Geheimdienst ISI und zum israelischen Mossad" genutzt: "Über den ISI wurden Geld und Waffen an die Dschundallah (`Soldaten Gottes`) geschleust, eine Organisation iranischer Belutschen, die 2006 und 2007 im Südosten des Landes, in der Nähe von Zahedan, mehrfach Einheiten der Iranischen Revolutionsgarden angegriffen und ihnen schwere Verluste zugefügt hat" (LMD, Okt. 2007). Deren Opferzahlen schwoll in den letzten Jahren auf mehr als 3000 Soldaten an.

Kurden
Der US-Journalist Seymour Hersh berichtete schon im November 2006 in der Zeitschrift "The New Yorker", dass der israelische Geheimdienst Mossad der iranischen Kurdengruppe "Partei für ein freies Leben in Kurdistan" (PJAK), die mit der PKK verbunden ist, Material und Ausbildung gewährt. PJAK greift immer wieder von Stützpunkten im Irak grenznahe Einrichtungen des iranischen Staates im kurdischen Teil Irans an und erhält dabei, so Hersh, auch verdeckte Unterstützung aus den USA. "Wo Regimewechsel gewünscht wird, ist Terrorist nicht mehr gleich Terrorist", kommentierte Rudolph Chimelli von der Süddeutschen Zeitung (SZ, 25.10.2007) diese Politik.

Mudschaheddin-e-Khalq (MEK)
Der Organisation Mudschaheddin-e-Khalq (MEK) gehören etwa 3600 Kämpfer im Irak an, bei denen es sich vielfach um Exiliraner handelt. MEK-Soldaten kämpften während des iranisch-irakischen Krieges von 1980-88 auf Seiten Saddam Husseins. Nach der US-Invasion 2003 "ließ man ihre Basen intakt und setzt ihre Kämpfer für Spionage- und Sabotageaktionen im Iran ein, aber auch bei Verhören von Iranern, die im Verdacht stehen, schiitische Milizen im Irak zu unterstützen" (LMD, Okt. 2007). Seit 1997 bis heute steht die MEK auf der offiziellen US-Liste terroristischer Organisationen. Dies hindert den US-TV-Sender "Fox News" dennoch nicht, den Vorsitzenden des "Nationalen Rats des iranischen Widerstands", Aliresa Dschafarsadah, der den politischen Zweig der militärisch ausgerichteten MEK vertritt, immer wieder vor einem US-Millionenpublikum für einen Krieg gegen Iran werben zu lassen.

US-Politik gegenüber Russland und der Nato
Bei einem Treffen zwischen US-Verteidigungsminister Robert Gates und seinem russischen Amtskollegen während eines informellen Treffens der Nato-Verteidigungsminister im niederländischen Noordwijk Ende Oktober 2007 verknüpfte laut der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti der Pentagon-Chef zwei der derzeit heißesten politischen Themen: Ein russischer Verzicht auf Iran könnte einen US-Verzicht auf den geplanten Raketenschild in Osteuropa nach sich ziehen. Das russische Außenministerium reagierte gelassen und ließ verlauten, es warte auf weitere offizielle Vorschläge.

Nach einem Treffen Putins mit dem israelischen Ministerpräsidenten Olmert in London am 23.10.2007 zitierte die israelische Tageszeitung Haaretz in ihrer online-Ausgabe Regierungschef Olmert mit der Aussage, Putin habe zugesichert, keinen nuklearen Brennstoff an Iran zu liefern. Wenige Stunden später folgte das Dementi, Russland habe sich noch nicht entschieden, ob es liefern werde oder nicht. Beide Versionen stellen Putin in ein mehr als zweifelhaftes Licht, da er wenige Tage zuvor bei seinem Besuch in Teheran zugesichert hatte, dass Russland seine vertraglichen Verpflichtungen zur Belieferung des kurz vor der Fertigstellung befindlichen iranischen Atomreaktors Buschehr einhalten werde.

Die US-Regierung fürchtet, aus einem Iran-Krieg und dem sich anschließenden Blutvergießen in der gesamten Region könnte Russland als strategischer Gewinner hervorgehen.

Bei der 15. Konferenz europäischer Armeen mit Delegierten aus 38 Staaten Ende Oktober 2007 in Heidelberg kritisierte Robert Gates im Hinblick auf Afghanistan, dass die Glaubwürdigkeit der Nato auf dem Spiel stünde, weil einige europäische Länder die Kriegsanstrengungen in Afghanistan ernsthaft gefährdeten. Wenn die Allianz der größten Demokratien der Welt nicht in der Lage sei, eine Mission zu erfüllen, stelle sich die Frage, welchen Wert das 60 Jahre alte transatlantische Sicherheitsprojekt, die Nato, noch habe.

Mit diesen Aussagen hat Gates nicht nur für eine bedingungslose Kriegsgefolgschaft am Hindukusch geworben, sondern auch die Latte z.B. für die deutsche Bundesregierung sehr hoch gelegt, sollte diese im Falle eines Iran-Krieges der US-Regierung Widerstände entgegensetzen oder gar den US-Streitkräften die Nutzung ihrer Basen in Deutschland sowie die Überflugrechte verweigern.

Wesentlichen Auftrieb erhielten die Iran-Kriegsbefürworter in den USA durch die neokonservative Politik des französischen Präsidenten Sarkozy, der wie keiner seiner Vorgänger die Nähe zur US-Politik sucht und vermutlich ebenso wie Außenminister Kouchner einen Iran-Krieg unterstützen würde.

Eine diplomatische Lösung ist nach wie vor möglich
Nicht zuletzt wegen etlicher gemeinsamer Interessen zwischen USA und Iran, z.B. dem Interesse an einer Stabilisierung der Verhältnisse im Irak und einer Eindämmung sunnitischer Islamisten, könnte nach wie vor ein Krieg vermieden werden.

Die International Crisis Group gehört derzeit zu jenen Akteuren, die auf höchster politischer Ebene für eine diplomatische Lösung der Iran-Krise arbeiten. Ihre Lösungsvorschläge finden sich u.a. unter: http://www.crisisgroup.org/home/index.cfm?id=2438&l=1

Unter: http://www.versoehnungsbund.de habe ich in meiner Studie "Iran-Konflikt - Akteure, Interessen und Wege aus der Eskalation" Deeskalationsvorschläge ausführlich beschrieben.

Den Krieg stoppen, bevor die ersten Bomben fallen
In den USA gingen in vielen großen Städten wie New York oder Chicago am letzten Oktober-Wochenende 2007 mehrere zehntausend DemonstrantInnen für einen Abzug der US-Truppen aus dem Irak und gegen einen Iran-Krieg auf die Straße. Die US-Friedensbewegung engagiert sich seit Jahren für eine diplomatische Lösung zwischen Washington und Teheran - und wünscht sich Solidarität auch aus Europa. Der US-Zweig des amerikanischen Versöhnungsbundes hat bereits mehrere Delegationen nach Iran entsandt, um mit JournalistInnen, Studierenden und VertreterInnen der Zivilgesellschaft Brücken der Verständigung zu bauen.

Anregungen und Mitmachaktionen der US-Friedensbewegung finden sich unter:

Das Urteil gegen den Irak-Kriegsdienstverweigerer Florian Pfaff enthält einige Passagen auch für die Bundesregierung, was die Einhaltung des Grundgesetzes, des Völkerrechtes sowie die aktive Verweigerung sämtlicher Hilfsleistungen im Falle eines völkerrechtlichen Angriffskrieges betrifft. Ähnlich wie die Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres beschlossen haben, im Falle eines US-Angriffes auf Iran den US-Streitkräften keine Start- oder sonstigen Nutzungsrechte zu gewähren, könnte dies auch die Bundesregierung tun. Dies wäre ein deutliches Zeichen der Vernunft und der Hoffnung angesichts einer hochexplosiven Weltlage.

Quellen:
*Selig S. Harrison, USA und Iran - Fatales Bündnis der Falken, in: Le Monde Diplomatique, Deutsche Ausgabe, Oktober 2007.
*Mohssen Massarrat, Stoppt den Wahnsinn!, in: Freitag, Ost-West-Wochenzeitung, 28.9.2007.
*Peter Rudolf, Die Iran-Politik der Bush-Administration. Konfrontative Eindämmung und ihre Konsequenzen, SWP-Aktuell 2007, April 2007, http://www.swp-berlin.org
*Otfried Nassauer, Iran gefährlicher als Irak? USA eröffnen zweite Front gegen Teheran, NDR info vom 6.10. 2007, Streitkräfte und Strategien, http://www.bits.de
*Behrooz Abdolvand und Nima Feyzi Shandi, Iran: Das nächste Vietnam? in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 4/2007.

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Krisen und Kriege

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Clemens Ronnefeldt ist seit 1992 Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes.