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Ein Reisebericht
Israel-Palästina
von
In den ersten beiden Februarwochen 2023 reiste eine Delegation von dreizehn Mitgliedern der internationalen katholischen Friedensbewegung Pax Christi nach Israel und Palästina. Wir kamen aus sechs Ländern – mit dem gemeinsamen Ziel, die Verbindung mit unseren Partnern wieder aufzunehmen, die Fakten vor Ort aus erster Hand zu erfahren, religiösen Führer*innen, Aktivist*innen und denjenigen, die direkte Hilfe leisten, zu begegnen und mit Menschen zu sprechen, die von der Besatzung betroffen sind. Vor allem aber wollten wir unser unerschütterliches Engagement für und unsere Solidarität mit unseren palästinensischen Schwestern und Brüdern in ihrer legitimen Forderung nach Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit bekräftigen.
Was wir sahen, war schlichtweg herzzerreißend: Familien, die täglich in der Angst leben, dass ihre Häuser ohne Vorwarnung abgerissen werden könnten – wegen fehlender Baugenehmigungen, die selten bis gar nicht von den israelischen Behörden erteilt werden; Landwirte, die sich entscheiden müssen zwischen der Pflege ihrer Tiere und der Ernte und der Abwehr von gewaltsamen Übergriffen der Siedler; Menschenrechtsaktivist*innen und andere Sprecher*innen der Zivilgesellschaft, die bedroht werden, weil sie den Mächtigen die Wahrheit sagen und sich für Kinder, Frauen, Gefangene sowie andere, deren Rechte verletzt werden, einsetzen; Beduinengemeinschaften, die darum kämpfen, ihre Lebensweise zu bewahren, während sie mit umfassenden Räumungsbefehlen konfrontiert werden. Wir hörten uns Geschichten über Trauer, Enteignung, Landbeschlagnahmung und Inhaftierung an. Wir hörten Stimmen voller Angst, Wut, Widerstand und Hoffnungslosigkeit. Überall brachten die Menschen ihre Frustration zum Ausdruck über die Wirkungslosigkeit der Palästinensischen Autonomiebehörde sowie ihre große Besorgnis über die künftige zunehmende Gewalt und Unterdrückung. Die großen Zukunftsängste, wenn die neue ultranationalistische Regierung die Kontrolle übernimmt, waren nachvollziehbar.
Was wir erlebten, war schlichtweg unglaublich: Mitfühlende Lehrkräfte, die Räume und Spielplätze in Orte der Sicherheit und Freude verwandeln; Kinder, die wie alle Kinder mit Freude teilen, was sie lernen; Frauen, die sich weigern, sich von ihrer Situation überwältigen zu lassen und stattdessen Wege finden, Gärten anzulegen, neue Fähigkeiten zu erlernen und Einkommen erzeugende Genossenschaften zu gründen; Organisationen, die einen sicheren Raum bieten, in dem die Menschen ihre Geschichten von Verlust und Schmerz, aber auch von Hoffnungen und Träumen miteinander teilen, sich dabei gegenseitig unterstützen und ihre Entschlossenheit dadurch gegenseitig stärken. Wir waren mit internationalen Freiwilligen unterwegs, die die Bedrohten begleiten und ihre Anwesenheit zur Abschreckung vor Angriffen durch Soldat*innen und Siedler*innen nutzen. Wir hörten Journalist*innen und NRO-Mitarbeiter*innen zu, die entschlossen sind, der Welt von den täglichen
Demütigungen zu berichten, die diesem Volk durch Besatzung zugefügt werden.
Wir lernten, den Spruch „to exist is to resist“ (Existieren heißt widerstehen) voll und ganz zu schätzen – wie allein schon der bloße Akt der Fortführung des alltäglichen Lebens eine mächtige Form des gewaltfreien Widerstands ist. Unser Zeugnis von SUMUD, ein Wort für die Weigerung der Palästinenser*innen aufzugeben, sowie ihre unerschütterliche Entschlossenheit, an dem festzuhalten, was ihnen rechtmäßig gehört, war für uns aufrüttelnd und inspirierend.
Planmäßige Entrechtung
Was wir sahen und hörten, war nichts Geringeres als ein mit Vorsatz durchgeführter Plan, eine Gruppe von Menschen zu Gunsten einer anderen zu entrechten. Wir sahen die sich immer weiter ausbreitenden illegalen jüdischen Siedlungen und das Netz von getrennten Autobahnen, Brücken und Tunneln, das diese stützt. Wir sahen eine moderne Infrastruktur, die ausschließlich für den Gebrauch und den Nutzen der israelischen Bürger*innen bestimmt ist. Wir standen am Fuße der monströsen, zehn Meter hohen israelischen Mauer, die sich strategisch tief in das Westjordanland hineinzieht und dabei palästinensische Familien und Gemeinden von ihrem Land und voneinander trennt. Wir sahen, wie die Kontrollpunkte, die Straßensperren und ein Genehmigungssystem für Palästinenser*innen, ausschließlich von Israel verwaltet, unvorstellbare Härten schaffen, die den Zugang der Palästinenser*innen zu allen Bereichen ihres täglichen Lebens behindern – Arbeit, Schule, Gesundheitsversorgung und die Freiheit zur Religionsausübung.
Leider ist die Situation im Heiligen Land keine neue Entwicklung, und die internationale Gemeinschaft, einschließlich derer, die in ihr eine führende Rolle spielen, ist sich der Wirklichkeit bewusst, mit der das palästinensische Volk konfrontiert ist und die wir auf schmerzliche Weise miterlebt haben. Wir fragen: Wann wird die internationale Gemeinschaft handeln, um dem palästinensischen Volk Freiheit, Gerechtigkeit und Würde zu erwirken – im Einklang mit den einschlägigen UN-Resolutionen und dem Völkerrecht und insbesondere im Lichte der jüngsten Berichte von Menschenrechtsorganisationen?
Was wir wahrgenommen haben, ist eine grausame, ungerechte militärische Besatzung, die nun seit über 55 Jahren andauert. Was wir gesehen haben, ist die Brutalität eines Unterdrückers, ein diskriminierendes System, das jeden Bereich des palästinensischen Lebens kontrolliert und die Frage aufwirft, ob dies nicht doch Apartheid ist. Was wir laut und deutlich von jede*r palästinensischen und israelischen Friedensaktivist*in, der*wir begegneten, vernahmen, war der Ruf nach Gerechtigkeit und Gleichheit sowie nach einem sofortigen Eingreifen der internationalen Gemeinschaft, um sicherzustellen, dass Israel alle Normen des internationalen Rechts einhält. Es war ein Schrei danach, dass Palästinenser*innen als menschliche Wesen betrachtet und mit Würde behandelt werden.
Wir sind in unsere jeweiligen Länder zurückgekehrt – mit starken Erinnerungen in unseren Herzen und Seelen. Unser persönliches Zeugnis müssen wir nun in gemeinsames Handeln umsetzen. Daher haben wir uns dazu verpflichtet:
über die Realität der Besatzung aufzuklären;
ein Ende der Straffreiheit durch die internationale Gemeinschaft einzufordern, die es Israel ermöglicht hat, internationales Recht, die Genfer Konvention, das Römische Statut und UN-Resolutionen schamlos zu verletzen;
aktiv mit politischen Entscheidungsträgern und religiösen Führern ins Gespräch zu treten und ihnen mitzuteilen, was wir gesehen und gehört haben;
die Übernahme von Verantwortung für den Mord an der Journalistin Shireen Abu Akleh einzufordern, da der erste Jahrestag ihres Todes naht (11. Mai);
das Ökumenische Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) zu fördern;
andere zu ermutigen, nicht nur die toten historischen Steine zu besichtigen, sondern auch den lebendigen Steinen zu begegnen, d.h. mit dem palästinensischen Volk ins Gespräch zu kommen und seine Stimmen zu hören. Unsere Hoffnung ist, dass andere die Geschichten der Palästinenser anhören, ihre Gastfreundschaft genießen und dann das Erfahrene mit ihren Mitmenschen teilen.
In diesem Jahr begehen die Palästinenser*innen den 75. Jahrestag der Nakba, ihrer Katastrophe, als über 750.000 Palästinenser*innen durch Angst oder Gewalt gezwungen wurden, aus ihren angestammten Häusern zu fliehen und mehr als 400 palästinensischen Dörfer systematisch zerstört wurden.
Wir verpflichten uns, dieser düsteren Ereignisse zu gedenken und dafür zu sorgen, dass auch sie die Aufmerksamkeit erhalten, die sie zu Recht verdienen.
Die Erklärung wurde am 15. März 2023 verfasst, Übersetzung: Charles Borg-Manché, Klaus Hagedorn, Martin Pilgram und Martina Waiblinger (auf der Grundlage von www.DeepL.com/Translator). Sie wurde von der Redaktion des Friedensforums leicht bearbeitet und gekürzt. Der vollständige Text findet sich hier: https://paxchristi.net/wp-content/uploads/2023/03/Statement-on-the-Holy-Land-Pilgrimage-15.03.2023.pdf
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Israelische Soldaten stoppen und durchsuchen fünf Palästinenser. Aufnahme der Christian Peacemaker Teams von 2015, Foto: CPT Palestine, CC BY 2.0
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Christian Peacemaker Teams. Foto: rpb 1001, CC BY-NC 2.0