Mexiko

Ist Donald Trump wirklich Mexikos Hauptsorge?

von Nico Carlos

Der Ton von Donald Trumps Wahlkampagne und sein Wahlsieg haben bei vielen Menschen in Mexiko, die die Ziele von Beleidigungen and Angriffen durch Trump und viele seiner AnhängerInnen waren, ein Gefühl großen Unbehagens ausgelöst. Aber die MexikanerInnen waren überzeugt, dass die Umfragen vor den Wahlen zutrafen, und sie waren so sicher, dass Hillary Clinton gewinnen würde, dass einige der wichtigsten mexikanischen Zeitungen am Wahltag Überschriften wie “Clintons Sieg ist nur eine Formsache” trugen.

Trumps Sieg und seine unmittelbar folgenden Ankündigungen, dass er eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen werde (obwohl Bill Clinton 1995 schon mehr als 500 km einer solchen Mauer gebaut hat), machte vorübergehend Schlagzeilen in der internationalen Presse. Deshalb dachte die mexikanische Regierung, dass dies ein guter Zeitpunkt sei, international Sympathien zu sammeln, weil man das direkte Zielobjekt eines solchen Weltklasse-Bullies sei, der, so schien es, sogar drohte, in Mexiko einzufallen, falls er es für notwendig hielte. (1)

Der mexikanische Präsident Peña Nieto rief zu “nationaler Einheit” gegen die neue US-Administration auf und dachte, dass er, wenn er der Bevölkerung die Wahl zwischen den beiden Regierungen lasse, die Menschen eher seine Regierung als die so offen anti-mexikanische US-Regierung unterstützen würden. Zur gleichen Zeit gab es in Mexiko eine Welle von Protesten gegen den Benzinpreis, die wachsende Wirtschaftskrise, Straffreiheit für Kriminelle und deren enge Verbindungen zur Politik und dem Militär.

Inspiriert von den Frauenmärschen in den USA entschied die mexikanische Zivilgesellschaft, ihre Ablehnung der offen anti-mexikanischen und rassistischen Politik von Donald Trump auszudrücken, indem sie in Mexico City und mehr als zwanzig weiteren Städten im Land am 12. Februar 2017 Demonstrationen veranstaltete. 87 zivile Organisationen mit unterschiedlichen Hintergründen, einschließlich Amnnesty International, Artikel 19, die Nationale Autonome Universität von Mexiko u.a. beschlossen, eine Demonstration unter dem Slogan “Lasst Mexiko erbeben” (Vibrar México”) abzuhalten. Die mexikanische Regierung fühlte sich von Donald Trump so in die Enge getrieben, dass sie die Demo als eine Möglichkeit ansah, die hohe Rate an Ablehnung gegenüber ihrer Politik in der einheimischen politischen Arena umzudrehen. Verschiedene Persönlichkeiten und Organisationen aus dem Umfeld der Regierung beschlossen, sich der Demonstration anzuschließen und die Gelegenheit zu nutzen, ihre Weste gegenüber den eigenen BürgerInnen weiß zu waschen, indem sie mitmarschierten. Einige von ihnen traten sogar in den Massenmedien auf und riefen offen zur Unterstützung von Peña in seinen Bemühungen auf, Mexiko gegenüber Trump zu “verteidigen”. Der Plan ging nicht auf, da einige dieser Personen von der Masse weggejagt und nach kurzer Zeit die Slogans gegen Peña lauter wurden als die Gesänge gegen Trump. Viele Banner trugen Slogans wie “Einheit ja, Korruption nein”, “Ich bebe gegen Peña Nieto”, “Ich fürchte Trump nicht, aber mein Präsident fürchtet ihn”, usw. (2)

Es ist offensichtlich, dass die mexikanische Zivilgesellschaft nicht bereit ist, ihre Augen gegenüber dem zu schließen, was in Mexiko passiert, und Präsident Peña nur deshalb zu unterstützen, weil seine Regierung von der Trump-Administration schlecht behandelt wird. Die mexikanische Regierung hat immer noch keine verlässliche Antwort auf die Frage gegeben, wo die 43 verschwundenen Studenten sind und hat immer noch keine Untersuchungen gegen die brutalen Menschenrechtsverletzungen eingeleitet, die ihre Sicherheitskräfte begehen. Allein 2017 sind zudem bislang sechs JournalistInnen ermordet worden. Am 23. März wurde die ermittelnde Journalistin Miroslava Breach vor ihrem Haus ermordet. Nach ihrer Ermordung sagte ein anderer bekannter und mit Preisen ausgezeichneter Journalist, Javier Valdez: “Mögen sie uns alle dafür töten, dass wir über diese Hölle berichten”. (3) Am 15. Mai wurde auch Javier Valdez brutal ermordet. (4) Sein Wagen wurde gestoppt, er wurde aus dem Auto gezerrt und mitten auf der Straße, wenige Schritte entfernt von den Büros von Ríodoce, den Zeitungen, die er gegründet hatte, hingerichtet. (5)

Seit dem Jahr 2000 sind mehr als 100 JournalistInnen in Mexiko getötet worden. In den meisten Fällen wurden die Täter nicht festgestellt, und die totale Straflosigkeit in Mexiko geht immer weiter. Während die Massenmedien, die die Regierung unterstützen, Kriminelle für diese Morde verantwortlich machen, meint die Zivilgesellschaft, dass es keine klare Unterscheidung zwischen der Polizei, dem Militär, den PolitikerInnen und den DrogenhändlerInnen gibt. Die Zivilgesellschaft in Mexiko ist nicht in die Falle von Nationalismus und falschem Patriotismus getappt, die von der Regierung aufgestellt wurde. Es scheint im Moment klar, dass aktuell nicht Donald Trump, sondern eher Enrique Peña Nieto, die Bundesregierung und die Regierungen der 32 mexikanischen Bundesstaaten das Problem sind.

Anmerkungen

  1. http://www.politico.com/story/2017/02/trump-threatens-mexico-over-bad-ho...
  2. https://twitter.com/jenarovillamil/status/831270668230594560/photo/1
  3. http://www.milenio.com/policia/culiacan-sinaloa-periodista-javier_valdez...
  4. http://internacional.elpais.com/internacional/2017/05/15/mexico/14948745...
  5. http://riodoce.mx/

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt
Nico Carlos ist ein Menschenrechtler, der in Mexiko City lebt. Aus Sicherheitsgründen verwendet er ein Pseudonym.