Die Friedensbewegung kann bei Palästina nicht mehr wegschauen

Kampagne zur Anerkennung des Staates Palästina

von Wiltrud Rösch-Metzler
Hintergrund
Hintergrund

Das Ziel der israelischen Kriegsführung in Gaza ist die Eroberung , gab der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion und Vizepräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Jürgen Hardt, im Deutschlandfunk-Interview zu.

Dennoch bleibt das für die verantwortlichen Politiker in Israel folgenlos, auch weil die Bundesregierung die israelische Kriegs-Politik stützt. So hat die Bundesregierung sich bei den Internationalen Gerichtshöfen für eine Nichtbefassung und damit letztendlich für eine Straffreiheit der israelischen und palästinensischen Akteure eingesetzt. Sie hat die Entwicklungszusammenarbeit mit sechs renommierten säkularen palästinensischen Menschenrechtsorganisationen – diese hatten Material über mögliche israelische Kriegsverbrechen zusammengetragen - eingestellt, weil diese von Israel als Terrororganisationen gelabelt wurden. Sie verhindert aktiv, dass es innerhalb der EU eine gemeinsame Linie gibt, Wirtschaftsprivilegien von Israel auszusetzen. Dabei würde es sich bei der Aussetzung des EU-Assoziationsvertrags mit Israel nicht einmal um eine Sanktion gegen Israel handeln, sondern um ein Ernstnehmen der eigenen EU-Prinzipien, weil der Vertrag nach EU-Standards die Aussetzung vorsieht, wenn Israel gegen Menschenrechte verstößt. Und was ist es denn anderes, wenn Gefangene in israelischen Gefängnissen gefoltert werden oder wenn nur ein Viertel der Inhaftierten tatsächlich Hamas-Kämpfer waren und die anderen trotzdem nicht freigelassen werden? Was, wenn Medienschaffende, Ärzte und Sanitätspersonal gezielt von der israelischen Armee umgebracht werden? Was, wenn Kindern Schulbildung verwehrt wird? Was, wenn Familien ausgehungert werden? Und wo steht in diesem Fall die Friedensbewegung in Deutschland

Das Verhältnis der deutschen Friedensbewegung zu Israel war und ist geprägt von verhaltener Kritik an der israelischen Besatzungspolitik und großer Sympathie für die Menschen in Israel, die zum Teil auch jene in den von Israel besetzten Gebieten umfasst. Der Überfall und die Geiselnahme der Hamas und dschihadistischer Gruppen vom 7. Oktober 2023 führte sofort zur Solidarität mit den Opfern und Angehörigen. Dass es Organisationen und Gruppen gibt, die zur Region arbeiten, verwundert nicht angesichts der deutschen Erinnerungskultur, den engen offiziellen Beziehungen zu Israel und der Bedeutung der Region für Muslime, Juden und Christen.

Ab hier wird es kompliziert: Denn der vorhergehende Bundestag und die Merkel-Regierung haben die Definition, was Antisemitismus ist, auf Kritik an der israelischen Regierungspolitik ausgeweitet. In zwei Bundestagsresolutionen wird die umstrittene Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) zur Grundlage genommen, der Behörden und Gesellschaft folgen sollen. Diese Resolutionen sind rechtlich nicht bindend. Sie schaffen jedoch Unsicherheit bei Kirchenvorständen, gesellschaftlichen Gruppen und Parteien, und tragen dazu bei, dass Menschen in verantwortlichen Positionen Räume für Vorträge absagen, wenn sie Kritik an israelischer Regierungspolitik erwarten. So geschehen vor kurzem an der Universität Jena, wo drei Professoren einen Mediziner, der über die aktuelle Situation in Krankenhäusern in Gaza berichtet, einladen wollten, und ihnen von der Uni-Leitung ein Raum verwehrt wurde. Damit werden Spannungen in der Gesellschaft verstärkt und auf die zunehmende Differenz zwischen Regierenden und

Will man sich mit der ungelösten Palästina-Frage beschäftigen, braucht es Stehvermögen. Selbst jüdische Referierende werden von deutschen „Antisemitismusbeauftragten“ als Antisemiten diffamiert. Angesichts der brutalen Gewalt der israelischen Kriegsführung, die nicht mehr zwischen Kindern und Kämpfern unterscheidet – während ich dies schreibe, geht die israelische Armee mit fremdgesteuerten unbemannten Panzern in Gaza-Stadt vor, um so ohne eigene Gefährdung Häuser zu sprengen – beteiligen sich immer mehr Friedensbewegte an den Protesten. „All Eyes on Gaza“ oder die „Friedensdemo0310“ in Berlin und Stuttgart sind Beispiele.

Kampagne zur Anerkennung Palästinas
In dieser Situation hat pax christi eine Kampagne zur Anerkennung des Staates Palästina durch die Bundesregierung gestartet. Sie soll der Palästina-Frage wieder eine politische Perspektive geben und das Völkerrecht zur Geltung bringen. Wird die Frage allein militärisch beantwortet, führt dies in die weitere Rechtlosigkeit der Palästinenserinnen und Palästinenser, zu ethischen „Säuberungen“ oder in ein Apartheidsystem, eine Ethnodiktatur oder gar einen umfassenden Genozid. Sie führt außerdem zur Destabilisierung der Region und zur internationalen Isolierung Israels (wie auch Deutschlands). Die Kampagne will außerdem der Europäischen Union zu politischer Handlungsfähigkeit verhelfen und Deutschland aus der politischen Blockade-Sackgasse helfen. Was spricht gegen eine Anerkennung Palästinas, nachdem der Staat Israel schon seit langem von den allermeisten Ländern der Erde anerkannt ist? Die Hamas wird dadurch nicht belohnt. Die Hamas hat ihre Stärke immer aus der politischen Verzweiflung der Palästinenserinnen und Palästinenser gezogen, profitiert also von der Blockade einer politischen Lösung durch Israel, die USA und Deutschland. Die Anerkennung eines Staates gilt dem Land und seinem Volk und nicht seinen Parteien und Ideologien. Für einen Staat Palästina ist es zu spät, lautet ein weiterer Einwand. Bereits 1988 hat die PLO den Staat Palästina ausgerufen. Diese Forderung im Rahmen de

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Wiltrud Rösch-Metzler ist Journalistin und pax christi Bundesvorsitzende.