Aktionswoche der Kampagne „Stopp Air Base Ramstein!“

Kassandra-Rufe mit der Ramstein-Kampagne?

von Renate Wanie

Dies ist „der Beginn des Endes der Militärbasis, denn ‘das weiche Wasser bricht den Stein‘“, so begann vor zwei Jahren der Start der Kampagne „Stopp Air Base Ramstein!“ mit dem Aufruf zur ersten Menschenkette gegen die Drohnenpolitik der Air Base in Ramstein. „Wir wollen mit einer langfristigen Kampagne der Aufklärung und der Aktion beginnen.“ In diesem Jahr haben zum dritten Mal Aktionstage rund um die Air Base Ramstein und Kaiserslautern stattgefunden und zum zweiten Mal gab es eine internationale Aktionswoche.

Der US-Militärstützpunkt Ramstein ist ein zentrales Drehkreuz für die Vorbereitung und Durchführung völkerrechtswidriger Angriffskriege. Die meisten tödlichen Einsätze US-amerikanischer Kampfdrohnen, u.a. in Irak, Afghanistan, Pakistan, Jemen, Syrien und Afrika, werden über die Satellitenrelaisstation auf der US-Air-Base Ramstein durchgeführt“, so die Begründung der Kampagne aus dem Appell. Dies werde von der Bundesregierung geduldet. Nie wieder Krieg. Dieser Gedanke verpflichte. Die Air Base fordere den Protest der Friedensbewegung geradezu heraus, so ein Argument der Kampagne.

Auch während des Jahres nimmt die Kampagne Stellung zur aktuellen Drohnenpolitik der Bundesregierung, z.B. mit dem der Aufruf „X tausend Mal Nein zu Drohnen“, gerichtet an die Bundesregierung im Juni zum Beschluss der Beschaffung der israelischen Drohne Heron TP für die Bundeswehr für über eine Milliarde Euro. Ein Koordinierungskreis von etwa zwanzig Aktiven aus verschiedenen Initiativen diskutiert kontinuierlich die anstehenden Themen und Fragen und bereitet die Aktionskonferenzen vor. Ein Email-Newsletter informiert über einen bundesweiten Verteiler, das „Aktionsbüro Ramstein Kampagne“ in Berlin gibt die Zeitung „Stopp Ramstein“ heraus. Auf Wunsch aus der Bevölkerung wurde der Name der Kampagne ergänzt und lautet jetzt: „Stopp Air Base Ramstein!“.

Friedenscamp und Aktionstraining
Der Auftakt der Aktionswoche vom 03. bis 10.09.2017 begann mit der Eröffnung des einwöchigen Friedenscamps in der Nähe von Ramstein. Etwa 800 Menschen waren auf dem großen Gelände dabei und haben an den täglichen Programmangeboten, wie Workshops, Diskussionsrunden und Musikbühne, teilgenommen. Von hier kam eine wesentliche Unterstützung für die Veranstaltungen während der Aktionswoche. Selbstorganisation, regionale Bioprodukte, Verpflegung/Küchenzelt, konsequente Mülltrennung und Kinderbetreuung erinnerten an Friedenscamps der 1980er Jahre.

An einem Schnupper-Workshop zu Grundlagen eines Aktionstrainings mit anschließendem Sitzblockadetraining, durchgeführt von Marion Küpker (DFG-VK) und mir, haben 15 Leute teilgenommen. Offensichtlich ermutigt und mit sichtbarer Begeisterung fuhr die Gruppe am nächsten Tag nach Büchel und blockierte dort drei Tore des Atomwaffenlagers, was eine Hundertschaft der Polizei alarmierte. Vor der US-Air Base in Ramstein sind derzeit noch keine Aktionen Zivilen Ungehorsams geplant.

Als musikalischer Höhepunkt galt das Musikfestival „KünstlerInnen für den Frieden“ am Ende der Woche in Kaiserlautern.

Jubelnde Menschenkette
Vom Bürgerhaus Ramstein-Miesenbach sowie vom Denkmal für die Opfer der Flugtagskatastrophe bis zur Air Base Ramstein  wurde die Kette am 9. September mit etwa 5.000 applaudierenden DemonstrantInnen geschlossen. Menschen aus der Bevölkerung, angereiste Friedensbewegte und auffallend viele junge Leute reihten sich ein in den Protest gegen die Drohnen-Relaisstation. Mitglieder des Motorrad-Clubs „Kuhle Wampe“ leisteten mit ihren Motorrädern einen Beitrag und gaben unter Jubel die geschlossene Kette bekannt. Ein plötzlicher starker Regen veranlasste leider, die Redebeiträge der Abschlusskundgebung zu kürzen.

Kongress zu weltweiten Militärbasen
Der internationale Kongress zu den weltweiten US-Militärbasen wurde in zwei Etappen in der Versöhnungskirche in Kaiserslautern mit ca. 300 Teilnehmenden durchgeführt. Eröffnet wurde mit Beiträgen zu der weltweiten geostrategischen Bedeutung der Basen (mit Ann Wright, USA via skype), zur Ramstein Air Base mit ReferentInnen aus der Region (Fee Strieffler und Wolfgang Jung) und juristischen Klärungen über dieBasen im Ausland mit dem Anwalt Otto Jäckel. „Die Liegenschaften der US-Airbase Ramstein sind kein exterritoriales Gebiet. Sie gehören zum deutschen Staatsterritorium und sind den US-Streitkräften  (…) »zur ausschließlichen Nutzung zu Verteidigungszwecken überlassen« worden. (…) Die Führung völkerrechtlicher Aggressionen und Angriffe auf Zivilpersonen sind von diesem Nutzungszweck nicht gedeckt“, so Jäckel. (1) Eine Ermutigung für kommende Aktionen? Dazu trugen sicherlich auch die Fallbeispiele für regionalen Widerstand bei. Gäste aus Belgien, Estland, Japan und Südkorea, Irland und Großbritannien brachten einen Einblick in ihre Erfahrungen im Protest gegen Militärstützpunkte mit. Anhaltenden Widerstand gibt es z.B. in Okinawa/Japan, das bis 1972 von US-Soldaten besetzt war. Unter dem Motto „Kein Kornsand für den Krieg!“ protestierte dort aktuell täglich eine breite BürgerInnenbewegung u.a. mit Sitzblockaden gegen eine US-Landebahn. Oder in Südkorea: Seit 1952 übt die US-Army auf einem Bombenabwurfplatz. Menschenketten, Kunstausstellungen sind Beispiele für den kontinuierlichen „Oma-Protest“ mit meist älteren Menschen. Ein Stützpunkt konnte geschlossen werden. Aus Estland wurde über die an der europäischen Ostgrenze stationierten NATO-Soldaten aufgeklärt, sie stehen außerhalb der Gerichtsbarkeit im Land. Am Ende wurde über den Widerstand an Militärstandorten in Deutschland informiert und ein internationales Netzwerk gegründet. 

Prominenz auf der Abendveranstaltung
Ein großer Erfolg war auch die Abendveranstaltung, ebenfalls in der Versöhnungskirche: Die große Kirche reichte nicht aus, um die ca. 1.200 Teilnehmenden aufzunehmen, so wurden die Vorträge in das Gemeindezentrum übertragen. Drei prominente RednerInnen waren geladen: Ann Wright, pensionierte US-Colonel und ehemalige Diplomatin im US-Außenministerium. Sie trat 2003 aus Protest gegen die US-Invasion im Irak zurück und gehört jetzt zu den Veterans for Peace. Wegen des schweren Sturms in den USA referierte sie per skype. Zweiter Redner war Eugen Drewermann, Theologe, Psychoanalytiker, Schriftsteller und suspendierter römisch-katholischer Priester. Der dritte war Daniele Ganser, geschätzter wie auch umstrittener Historiker und Publizist aus der Schweiz, dessen Auftritte häufig heftige Kontroversen hervorrufen. Doch zunächst rief er dazu auf, die Friedensbewegung solle sich nicht durch Angst regieren lassen, sondern die Angst überwinden und appellierte zu „Mut statt Angst!“.

Eingeladen als scharfer Kritiker des US-Imperialismus und der Militäraktionen anderer NATO-Staaten, stieg Daniele Ganser in seine frei gehaltene Rede mit einer sehr problematischen wie fragwürdigen Vorbemerkung ein: „Als Schweizer darf ich das sagen: Deutschland wird immer niedergedrückt, mit dem Stichwort Hitler - Nationalsozialismus in Verbindung gebracht. Das ist psychologische Kriegsführung, die Deutschland schon seit vielen Jahren erleide. (…) Das ist ein Trick, um sie runterzubügeln. Dann sage ich, diese Verbindung Deutschland-Hitler müsste man kappen und sprechen von Deutschland – Goethe.“ Diese Aussage provozierte im Nachhinein Kritik.

Ganser wurde die Verharmlosung der Verbrechen Nazi-Deutschlands vorgeworfen. 

Dazu die Antwort von Reiner Braun, Mitorganisator der Kampagne: „Wir (als deutsche Friedensbewegung) haben unsere  Position zum Faschismus und die heißt „Nie wieder!“, klare Lehren ziehen und alles tun, dass es nie wieder vorkommt. Dazu gehört auch eine antifaschistische Aufklärung. Für uns kann es kein Vergessen geben.“

Überzeugend und sichtlich bewegt kritisierte Drewermann, dass das Drehkreuz Ramstein als „Zentrale des internationalen Mordens außerhalb von Gerichtsurteilen weiter unterhalten“ werde, sie gehöre nicht auf deutschen Boden. Weltweit gebe es 600 US-Militärstützpunkte, Russland habe einen in Syrien. Empört kritisierte Drewermann die 2%-Forderung vom BIP der NATO-Staaten einerseits und den zu geringen Etat für die Vereinten Nationen andererseits. Zudem spielten im bundesdeutschen Bundestagswahlkampf Krieg und Frieden, Abrüstung, globaler Abbau der Militärpräsenz – bis auf die Linkspartei - keine Rolle. Er dankte der Kampagne für das nachhaltige Nein-Sagen und verglich sie mit den weisen Rufen der griechischen Kassandra. Anhaltender Applaus zeugte von starker Zustimmung. 

„Wir kommen wieder!“
Im September 2015 sollte die Menschenkette ein Auftakt sein, doch „sicher nicht der Beginn des Widerstandes, aber vielleicht der Anfang einer neuen, Mut machenden, mobilisierenden, zusammenführenden, bundesweiten Kampagne“, so der Aufruf. Im Jahr 2017 ist der Kampagne tatsächlich eine Ausweitung der Mobilisierung gelungen: mit den Fünftausend in der geschlossenen Menschenkette, der enorm großen Beteiligung an der abendlichen Vortragsveranstaltung und am internationalen Kongress. Auf meine Nachfragen kam mir große Begeisterung entgegen, vor allem für Kongress und Abendveranstaltung. Ausgeweitet werden muss zukünftig die Berichterstattung in den bundesweiten Medien, die über die große Resonanz der regionalen und sozialen Medien hinausgeht und die Politik in Berlin erreicht. 

Anmerkung
1) Die Airbase wurde den USA „lediglich“ auf unbestimmte Zeit entsprechend Art. 48 Abs. 2 i.V.m. Art. 53 Abs. 1 ZA-NTS überlassen.

Alle Redebeiträge der Aktionswoche: https://www.ramstein-kampagne.eu/2017/09/redebeitraege-stopp-air-base-ra...

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