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KDV in Israel: Rückschlag für die Refuseniks
vonGleich nach der Verhandlung wurde Lieutenant David Zonsheine ins Militärgefängnis zurückgebracht. Von der Strafe, die ein Disziplinarausschuss der Armee gegen ihn verhängt hatte, weil er seinen Reservedienst nicht angetreten hatte, hatte er noch achtzehn Tage abzusitzen. Der Oberste Gerichtshof Israels hatte entschieden, dass die Reservisten der israelischen Armee nicht das Recht haben, den Dienst in den besetzten Gebieten zu verweigern. Die israelische Gesellschaft sei zu polarisiert, um ihren Kämpfern selektive Gewissensbekundungen gestatten zu können.
David Zonsheine ist einer der zahlreichen Offiziere und Soldaten, die sich weigern, den Dienst in den besetzten Gebieten anzutreten. Sie stützen sich auf ein israelisches Gesetz, welches Soldaten ausdrücklich dazu verpflichtet, offensichtlich illegale Befehle zu verweigern. "In den letzten beiden Jahren ist die israelische Besatzung zu einem Mittel zur kollektiven Bestrafung einer Zivilbevölkerung geworden", schrieb Zonsheine gemeinsam mit sieben anderen Verweigerern. "Die Besatzung ist illegal und aus diesem Grund ist es nicht mehr möglich, zwischen einem legalen und einem illegalen Befehl zu unterscheiden." Daher wollen sie ihren Dienst in den besetzten Gebieten erst gar nicht antreten. Generell lehnen sie den Dienst in der Armee nicht ab.
Das Konzept der "selektiven Verweigerung" ist 1982 während des Libanonfeldzugs entstanden. Seitdem haben tausende Soldaten und Offiziere der israelischen Armee den Dienst an bestimmten Orten oder bestimmte Arten des Einsatzes verweigert, weil sie diese für nicht rechtmäßig oder für moralisch oder politisch abstoßend hielten.
Die israelische Armee erkennt eine selektive Verweigerung aus Gewissensgründen nicht an, sondern behandelt sie als Disziplinarvergehen, das entsprechend in einem Disziplinarverfahren von einem Offizier der jeweiligen Einheit geprüft und geahndet wird. Die Armee hat kein Interesse daran, der Diskussion über die Rechtmäßigkeit ihrer Maßnahmen und damit über die Politik der israelischen Regierung in den besetzten Gebieten ein Forum zu bieten.
Im Disziplinarverfahren hat der Angeklagte kein Recht auf anwaltliche Vertretung oder angemessene Vorbereitung auf das Verfahren. Ihn erwarten Arreststrafen von bis zu 35 Tagen. Oft erhält er gleich danach die nächste Einberufung. Damit wird ein ununterbrochener Kreislauf von Einberufung, Verweigerung, Disziplinarstrafe in Gang gesetzt. Bis zum Frühsommer 2002 schien die Armeeführung noch ihrer alten Strategie zu folgen, hartnäckige Verweigerer relativ schnell aus der Armee auszuschließen oder auf andere Posten zu versetzen. Inzwischen jedoch werden immer mehr sogenannte Refuseniks immer häufiger zu wiederholtem Arrest verurteilt. So wurde Yonathan Ben-Artzi gerade zum siebten Mal verurteilt. Er hatte den Militärdienst aus Gewissensgründen insgesamt verweigert. Sein Antrag war aber vom sogenannten Conscience Committee1, das diese Fälle behandelt, nicht anerkannt worden. Nun wird er wieder und wieder einberufen, weigert sich, zum Dienst anzutreten, wird vom Disziplinarausschuss abgeurteilt und weggesperrt.
Das israelische Militärgesetz räumt Verweigerern allerdings das Recht ein, die Behandlung ihres Falles vor dem Militärgericht einzuklagen. Dieses Vorgehen birgt ein erhebliches Risiko, da das Militärgericht für den Vorwurf der Befehlsverweigerung Haftstrafen von bis zu zwei Jahren verhängen kann. Andererseits haben die Verweigerer dort aber Anspruch auf die Vertretung durch einen Rechtsanwalt und könnten all ihre Gründe für die Verweigerung vortragen. Das Militärgericht muss dann über die Stichhaltigkeit ihrer Gründe und damit über ihre Befreiung vom Wehrdienst entscheiden.
David Zonsheine war der erste Refusenik, der den Obersten Gerichtshof Israels ersucht hat, die IDF anzuweisen, seinen Fall vor dem Militärgericht zu verhandeln. Seine Arreststrafe wurde bis zur endgültigen Entscheidung ausgesetzt. Weitere sieben Verweigerer schlossen sich ihm an. Die Friedensbewegung und die verschiedenen Verweigerergruppen warteten gespannt auf das Urteil. Politisch hätte eine Verweisung an das Militärgericht einen großen Durchbruch bedeutet, denn mit einer positiven Entscheidung wäre zum ersten Mal auch das Recht auf eine selektive Verweigerung aus Gewissensgründen anerkannt worden.
Am 30. Dezember 2002 hat das Gericht nun das letzte Wort gesprochen: Ein Recht auf Verweigerung bestimmter Arten des Wehrdienstes bestehe nicht. Das Gericht äußerte zwar Verständnis, dass Reservisten den Dienst aus Gewissensgründen verweigert hätten. Es würde aber "die Bande schwächen, die uns als Nation zusammenhalten", wenn die Verweigerung für rechtens erklärt würde. "Gestern gab es Widerstand gegen die Räumung des Libanon, heute gegen den Dienst (im Westjordanland) und morgen gegen die Räumung (jüdischer) Siedlungen", hieß es zur Begründung.
Auf die Frage, ob die Besetzung von Westbank und Gaza rechtmäßig ist, hat sich das Gericht nicht eingelassen. Dies hatten die Refuseniks zwar gefordert, das Gericht hatte aber deutlich gemacht, dass es keinesfalls bereit war, dieses sensible Thema zu diskutieren.
Weitere Informationen über Kriegsdienstverweigerung und den Nahost-Konflikt unter:
http://www.seruv.org.il
http://www.yesh-gvul.org
http://www.hanitzotz.com/challenge/