Mit Alfred Nobel gegen Dynamit Nobel

Kein Friedensnobelpreis für Minenproduzenten

von Thomas W. Klein
Initiativen
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1992 kamen in Frankfurt a.M., in den Räumen von medico international, Vertreter/innen einiger friedenspolitisch aktiver Gruppen zusammen, um eine maßgeblich von Jody Williams und den Vietnam Veterans of America (VVAF) begonnene Diskussion zum Thema Landminen aufzugreifen und erste Ansätze einer von verschiedenen Organisationen getragenen Kampagne zu unterstützen. Zu den ersten Arbeitstreffen konnte Angelika Beer, damals die Koordinatorin des deutschen Trägerkreises (heute verteidigungspolitische Sprecherin der bündnisgrünen Bundestagsfraktion), nur sehr wenige Gruppen begrüßen.

Die Erstunterzeichner eines Aufrufs zum Stopp der Produktion, des Exports und der Anwendung von Landminen waren in der Bundesrepublik: medico international, Frankfurt a.M.; Deutsche IPPNW-Sektion (AG Süd-Nord), Berlin; BUKO-Kampagne: Stoppt den Rüstungsexport, Bremen; Rüstungsinformationsbüro Baden-Württemberg, Freiburg; Kampagne gegen Rüstungsexport, Idstein (heute: Wiesbaden) und die AG Landminen im Netzwerk Friedenskooperative, Bonn. Die Erstunterzeichner/innen des Aufrufs haben sich ganz sicher nicht vorstellen können, wie erfolgreich diese Kampagne verlaufen würde.

1997, nur fünf Jahre später, sind die Kampagnen-Forderungen nicht mehr bloß das Thema einiger weniger Gruppen. Die zu Beginn gestellten Forderungen - Verbot von Produktion, Export und Anwendung von Landminen, Regelung von Minenräumung, Rehabilitation und Entschädigung nach dem Verursacherprinzip - werden inzwischen im Rahmen einer von rund 1000 Organisationen getragenen Kampagne geteilt. Allein in dem deutschen Trägerkreis gibt es mittlerweile neben den oben erwähnten Erstunterzeichnern eine breite Unterstützung durch viele Organisationen: Komitee für Grundrechte und Demokratie, Brot für die Welt, Deutscher Caritasverband, Deutsche Welthungerhilfe, Diakonisches Werk der EKD, Kindernothilfe e.V., Misereor, Pax Christi, terre des hommes, UNICEF u.v.a. mehr.

Die diesjährige Verleihung des Friedensnobelpreises ist ein beispielloser Erfolg des Engagements von Basisinitiativen und Nicht-Regierungs-Organisationen. Schließlich ist dieser Preis an eine Kampagne gegangen, die von ihren ursprünglichen Zielen keineswegs abgerückt und nicht zu Ausnahmeregelungen bereit gewesen ist, die eine Verwässerung der anfangs erhobenen Forderungen bedeutet hätten: Vielmehr wurde an den in der Anfangsphase genannten Forderungen festgehalten und bei den Konferenzen in Genf und Oslo waren diese z.T. Gegenstand der offiziellen Verhandlungen. Bei der bevorstehenden Konferenz in Ottawa im Dezember 1997 werden sich voraussichtlich rund hundert Länder der Erde dazu verpflichten, "niemals und unter keinen Umständen Antipersonenminen zu verwenden, entwickeln, produzieren, erwerben, lagern oder indirekt weiterzugeben". Bestehende Minenfelder müssen innerhalb festgelegter Fristen geräumt werden.

Für die Organisationen der internationalen Landminenkampagne wird es nun darauf ankommmen, auch zukünftig - trotz des erzielten Teilerfolgs - einige wichtige Punkte nicht aus dem Auge zu verlieren. Ziel muß es sein, die Definition von Landminen nicht so eng zu fassen, wie es die Rüstungsindustrie hierzulande gerne hätte: Es kann eben nicht nur um die "alten" Antipersonenminen und "Billigminen" gehen, sondern auch um die als Submunition, "High-Tech-Waffen" oder auch als "intelligente Munition" bezeichneten Minen. Diese sollen, geht es nach dem Willen von Regierungen und der Industrie in einigen westlichen Ländern, weiter produziert werden. Die internationale Landminenkampagne hat sich bisher nicht mit so faulen Kompromissen, wie geographische Ausnahmen z.B. bezüglich der Grenze zwischen Nord- und Südkorea anfreunden können. Das hat ihre Glaubwürdigkeit und Stärke ausgemacht. In Zukunft wird ein anderer Aspekt in den Vordergrund treten: In der Frage von "intelligenten", angeblich die Zivilbevölkerung nicht schädigenden Minen, wird ebenfalls die klare Ablehnung solcher Ausnahmeregelungen nötig sein, um von den ursprünglichen Zielen nicht abzukommen.

Außerdem gilt es den Druck auf die Länder zu verstärken, die den Vertrag nicht unterschreiben wollen. Und schließlich ist mit der Forderung an alle Regierungen, die für Entwicklung und Beschaffung von Landminen (auch der "High-Tech"-Varianten) bereitgestellten Gelder zugunsten der Rehabilitation und Entschädigung von Minenopfern umzuwidmen, noch ein Aspekt wichtig, der bei den bisherigen Verhandlungen zu kurz gekommen ist.

In der Bundesrepublik versuchen augenblicklich die Minenproduzenten sich mit einem Etikettenschwindel aus der Affäre zu ziehen: Minen werden umdefiniert und mit den oben bereits erwähnten Begriffen sollen die modernen Minentypen aus der Schußlinie gebracht werden. Auf Briefe und Protestpostkarten, die die Produktion von Minen in DASA-Werken anprangern, reagiert beispielsweise Daimler-Benz-Chef Jürgen Schrempp inzwischen mit einer Standard-Antwort: Die von der DASA produzierte PARM 1 (Panzerabwehrrichtmine) sei gar keine richtige Mine, sondern eigentlich eine Panzerfaust. Ein anderer "Experte", Oberstleutnant Wendt vom Pressestab des Bundesverteidigungsministeriums, erklärte dagegen am 29.1.1997 im Westdeutschen Rundfunk: Panzerabwehrrichtminen werden "den Minen zugeordnet, da sie nach Ausbringen und Schärfen autark (...) Kampffahrzeuge bekämpfen". Unabhängig vom Ausgang des "Expertenstreits" genügt ein Blick in Militärzeitschriften, um zu wissen, daß es eine ganze Reihe von deutschen Munitionsherstellern gibt, die an der Entwicklung und Herstellung von Minen beteiligt sind: Dynamit Nobel, Troisdorf: Produktion der Antipanzermine DM-11, Entwicklung der Antipanzermine AT-2; Diehl GmbH & Co, Nürnberg: Produktion der Antipersonenmine DM-11 (zukünftig nicht mehr möglich) und Endmontage des MW-1 (Verlegesystem für Submunition); Rheinmetall Industrie GmbH, Düsseldorf: Produktion der Submunition MUSPA (gegen Flugzeuge, Fahrzeuge und Personen) und MUSA (gegen Fahrzeuge und Personen); Gesellschaft für intelligente Wirksysteme mbH (GIWS), Nürnberg: Systementwicklung der Smart 155 (Suchzündermunition); MBB im Besitz der Daimler-Benz-Aerospace (DASA), Stuttgart: Entwicklung und Produktion der Antipanzermine PARM 1 und Produktion der MW-1 (Mehrzweckwaffe 1); Raketen Technik Gesellschaft mbH, Unterhaching (eine Tochterfirma von MBB und Diehl: Generalunternehmer für das Tornado-Waffensystem MW-1 (für Minen, Splitterbomben und div. Submunition) ... usw. usf.- die Liste der deutschen Firmen, die sich über die diesjährige Verleihung des Friedensnobelpreises nicht gefreut haben, ist lang. Sie wird zur Arbeitsgrundlage einer bisher sehr erfolgreichen Kampagne, für die auch nach Ottawa die Arbeit nicht ausgegangen sein wird.

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Thomas Klein ist Presse- und Öffentlichkeitsreferent der Kampagne "Produzieren für das Leben - Rüstungsexporte stoppen!", Wiesbaden.