15. Juni 2019

Kein(en) Tag der Bundeswehr

von Michael Schulze von Glaßer
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Auch 2019 wird der bundesweit durchgeführte Werbetag des Militärs wieder zu einem antimilitaristischen Aktionstag werden.

Zum fünften Mal wird das Verteidigungsministerium am 15. Juni 2019 den sogenannten „Tag der Bundeswehr“ durchführen lassen: An sechzehn Standorten – in Augustdorf, Bad Hersfeld, Cham, Dillingen, Erding, Faßberg, Hamburg, Jagel, Koblenz, Münster, Nordholz, Pfullendorf, Schlieben und Stralsund – öffnet die Bundeswehr ihre Kasernentore oder präsentiert sich auf öffentlichen Plätzen. Das ist aus ihrer Sicht auch dringend notwendig: Die Zustimmung der Bevölkerung für Auslandseinsätze fehlt, Nachwuchs bleibt trotz massiver Werbekampagnen aus und die geplante, milliardenschwere Aufrüstung wird angesichts maroder Schulen und steigender Armut von vielen Menschen im Land zunehmend kritisch gesehen. Auch die immer neuen Skandale – zuletzt um rechtsextreme Elitesoldaten und die unzähligen BeraterInnen im Verteidigungsministerium – kratzen am Image des deutschen Militärs. Jedes Jahr nimmt die Bundeswehr daher Millionen Euro – Steuergelder – in die Hand, um die Bevölkerung – die Steuerzahlerinnen und -zahler – wieder für sich zu gewinnen. Das Interesse daran ist mäßig. Zwar erreicht die Bundeswehr beim „Tag der Bundeswehr“ alljährlich etwa 250.000 Menschen, die Zahlen bleiben aber seit jeher hinter den Erwartungen des Verteidigungsministeriums zurück: So kamen 2016 nur 20.000 statt der erwarteten 70.000 Besucherinnen und Besucher zur Luftwaffe in Neuburg an der Donau; 2017 konnten die Militärs in der Rommel-Kaserne nahe Ulm nur 7.500 statt der angekündigten 10.000 Menschen begrüßen und zum Fliegerhorst Wunstorf nahe Hannover kamen im vergangenen Jahr nur halb so viele Gäste als von der Bundeswehr erhofft. Auch medial fand der Werbetag der Armee zuletzt kaum noch Beachtung. Die meisten bundesweiten Medienberichte nach Einführung des „Events“ erzeugte  ein für die Armee unangenehmer Fall: Beim „Tag der Bundeswehr“ in der Albkaserne in Stetten in Baden-Württemberg wurden Kleinkinder an Handfeuerwaffen gelassen. Die „Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“ (DFG-VK) machte Fotos davon publik – sie führten zum Skandal. Ursula von der Leyen versprach Besserung. FriedensaktivistInnen sind aber weiterhin aufmerksam.

Neben „Beobachtungen“ in Kasernen finden auch davor – oder bei Veranstaltungen, z.B. auf Marktplätzen gleich nebenan – regelmäßig Protestaktionen statt. 2018 gab es an vierzehn der sechzehn „Tag der Bundeswehr“-Standorte kleinere und größere Friedensaktionen. Der Werbetag der Armee hat sich mittlerweile als Tag des Protests gegen den deutschen Militarismus etabliert. Mit vergleichsweise minimalem Budget wird die teure Armee-Werbung dabei dekonstruiert. So wird es auch in diesem Jahr an den diesmal nur vierzehn Standorten sein. Dazu fand Anfang März in Kassel ein Koordinations- und Vernetzungstreffen von Friedensgruppen statt.

Im hessischen Bad Hersfeld ist der „Tag der Bundeswehr“ in das jährliche Landesfest eingebunden: Die Armee wirbt ganze zehn Tage lang mitten in der Stadt für sich. Wie auch an anderen Standorten sollen Panzer, Kampfhubschrauber und anderes Militärgerät ausgestellt werden. An mehreren Tagen sind bereits Protestaktionen geplant. Zudem haben es die örtlichen Friedensgruppen geschafft, bereits im Vorfeld eine Diskussion für einen „friedlichen Hessentag“ anzuzetteln – selbst im Kreistag wurde schon über die Bundeswehr-Werbung in Bad Hersfeld gestritten.

Am Fliegerhorst Jagel nahe Schleswig gibt es bereits seit Jahren Friedensproteste – der Standort ist durch die Auswertung von Drohnen-Aufklärungsbildern umfassend in den Mali-Einsatz eingebunden. Die erfahrenen AktivistInnen vor Ort werden den Werbetag nutzen, um gegen Auslandseinsätze zu protestieren. Ebenfalls im Norden und beinahe jedes Jahr als „Tag der Bundeswehr“-Standort ist Hamburg dabei – und immer gab es Proteste. So wird es auch im Juni 2019 sein.
Als „gewagt“ kann man die Auswahl der Staufer-Kaserne in Pfullendorf als „Tag der Bundeswehr“-Standort bezeichnen: 2017 wurden menschenverachtende Rituale in der Kaserne bekannt. Ausbilder hatten ihre Untergebenen teilweise schwer sexuell missbraucht. Ein Jahr später kam die Kaserne wieder in die Schlagzeilen: Diesmal ging es um Gewaltmärsche, bei denen mehrere Soldaten zusammenbrachen und einer sogar ohnmächtig ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Busse aus Stuttgart und Tübingen zu Protestaktionen vor der Staufer-Kaserne sind schon gebucht.

Im oberpfälzischen Cham feiert die Bundeswehr gleich mehrere Tage das 60-jährige Bestehen der Garnisonsstadt. Proteste dagegen werden schwer, sind von FriedensaktivistInnen aber dennoch geplant. Auch an den anderen bayerischen „Tag der Bundeswehr“-Standorten in Dillingen und Erding soll es Friedensaktionen geben.

In Stralsund will die Marine die Bevölkerung für sich gewinnen – geplante Friedensproteste werden die kritische Seite des Militärs und auch das am dortigen Alten Markt stattfindende öffentliche Gelöbnis thematisieren. Im westfälischen Münster könnte es eine Fahrraddemonstration zur außerhalb liegenden Lützow-Kaserne geben. An der „Rommel“-Kaserne im ostwestfälischen Augustdorf wird bei den Protesten die zweifelhafte Tradition der Bundeswehr ein Thema sein. Auch im brandenburgischen Schlieben, in Koblenz, in Cuxhaven und Fassberg in Niedersachsen sind Proteste wahrscheinlich.

Wie die Aktionen aussehen werden, liegt in der Hand der Friedensgruppen vor Ort. Doch es gibt Hilfestellungen: Die DFG-VK stellt verschiedene Aktionssets zum Thema bereit (siehe: www.dfg-vk.de). Zudem gibt es Flugblätter, Transparente, Luftballons und zahlreiche weitere Materialien, um der Bundeswehr inhaltlich etwas Kritisches entgegenzusetzen. Als verbindendes Aktionselement soll es in diesem Jahr Schilder gegen das „Werben fürs Töten und Sterben“ geben – ideal für Fotos. An vielen Standorten ist noch nicht klar, wie genau die Proteste aussehen werden – man darf gespannt sein und wird es auf der Aktionswebsite erfahren: www.kein-tag-der-bundeswehr.de

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