Klage gegen Atomwaffen in Büchel

von Peter Becker

Über die Klage von Dr. Elke Koller gegen die Bundesrepublik Deutschland über den Abzug der letzten US-Atombomben aus Büchel wurde am 14. Juli in Köln verhandelt. Die Apothekerin i. R. Dr. Elke Koller – sie wohnt etwa vier Kilometer vom Fliegerhorst Büchel in der Eifel entfernt – begehrte mit ihrer Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesverteidigungsminister, eine Verurteilung Deutschlands dazu, gegenüber den USA darauf hinzuwirken, dass die letzten zwanzig Atombomben aus Büchel abgezogen werden und die „Nukleare Teilhabe“ in den NATO-Stäben aufzugeben.

Elke Koller betonte in der über zweistündigen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ihre konkrete Betroffenheit von den Atomwaffen in Büchel und berichtete von ihrem Widerstand in der Friedensbewegung. Ihre Anwälte Peter Becker und Otto Jäckel von der IALANA begründeten die Klage mit Verweisen auf Völkerrecht und Grundgesetz (siehe unten Hintergrund). Sie machten vor allem darauf aufmerksam, dass allen BürgerInnen aus Art. 25 GG Rechte und Pflichten hinsichtlich des Völkerrechts entstehen. Alle sind verpflichtet, auf die Einhaltung des Völkerrechts durch den Staat zu achten! (Vgl. in diesem FriedensForum die Buchbesprechung „Frieden durch Recht?“) Heiterkeit im Saale rief der Beitrag der Anwältin des Verteidigungsministeriums hervor. Frau Spies betonte, dass alles dermaßen geheim sei, dass sie zu gar nichts was sagen könne. Dennoch unterstellte das Gericht zunächst einmal für den Fortgang des Verfahrens hypothetisch die Existenz der Atomwaffen in Büchel. Beweisanträge der Klägerin zur Existenz der Atomwaffen in Büchel, zu der Bedienung dieser durch deutsche Soldaten und zu den Folgerungen aus dem IGH-Gutachten zu Atomwaffen lehnte das Gericht als für die Urteilsfindung unerheblich ab. Auf die Möglichkeit einer Aussetzung des Verfahrens und Vorlage der Völkerrechts-Fragen beim Bundesverfassungsgericht wurde hingewiesen. Das Gericht erklärte nach etwa halbstündiger interner Beratung, dass es einer umfassenderen Beratung der 5 RichterInnen bedürfe und die Entscheidung dann zugestellt werde. Man darf gespannt sein! (Dieser Absatz wurde in den Text von Peter Becker, der vor dem Verfahren verfasst wurde,  wg. Redaktionsschlussüberschneidungen von M. Singe/Redaktion eingefügt.)

Hintergrund
Die deutschen Luftwaffensoldaten bewachen die amerikanischen Bomben in Büchel und üben, wie man zusammen mit US-Personal Nuklearwaffen in den Tornado-Flugzeugen montiert, und Bundeswehrpiloten, wie man mit solchen Waffen fliegt und wie man sie abwirft. Da in Büchel keine amerikanischen Flugzeuge stationiert sind, können die Bomben ausschließlich mit den deutschen Tornado-Jets transportiert und abgeworfen werden. Deutschland ist aber völkerrechtlich verpflichtet, keine Atomwaffen zu verwahren oder weiterzugeben. Das ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 des 2+4-Vertrages von 1990 sowie aus Art. 1 des Nichtverbreitungsvertrags von 1967. Vor allem darf die Bundesrepublik nicht gegen die Grundsätze des allgemeinen Völkerrechts verstoßen, die nach Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts sind. Zu diesen Grundsätzen gehört das Gewaltverbot aus Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta. Dazu gehören ferner die Grundsätze des humanitären Kriegsvölkerrechts. Mit seinem Gutachten vom 8.7.1996 hat der nationale Gerichtshof (IGH), der Gerichtshof der Vereinten Nationen, festgestellt, „dass die Bedrohung durch oder Anwendung von Atomwaffen grundsätzlich [„generally“] im Widerspruch zu den in einem bewaffneten Konflikt verbindlichen Regeln des internationalen Rechts und insbesondere den Prinzipien und Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts stehen würde“. Nach diesen Regeln müssten Waffen - zwischen Soldaten und Zivilbevölkerung unterscheiden können, - keine unnötigen Leiden verursachen und - das Gebiet unbeteiligter und neutraler Staaten nicht in Mitleidenschaft ziehen.

Das können Atombomben nicht.

Im Magazin Der SPIEGEL vom 30.5.2011 wurde mitgeteilt, dass die USA Atombomben modernisieren wollen, u.a. die in Büchel stationierten. Die Stärke der nuklearen Sprengladungen solle geändert und außerdem sollten die Waffen mit steuerbaren Heckflossen versehen werden, damit sie als Gleitbomben gezielter eingesetzt werden können. Im nächsten Jahr soll die technische Entwicklung beginnen. Dazu hatte das Gericht das Bundesverteidigungsministerium um Stellungnahme gebeten. Das Ministerium hat erwidert, dieser Vorgang werde in seinem wesentlichen Verlauf von einem fremden, souveränen Staat nach seinem eigenen, von der Bundesrepublik Deutschland unabhängigen Willen gestaltet. Das befremdet: Es ist bekannt, dass die Modernisierungen darauf abzielen, die Atombomben für das Einklinken an den neuen Eurofighter geeignet zu machen. Die Fliegerstaffel in Nörvenich soll damit ausgestattet werden. Auch dort werden deutsche Soldaten mit den Atombomben umgehen. Das Ministerium ist in seiner Klageerwiderung und auch aktuell auf keine dieser Fragen eingegangen; es wird „gemauert“.

P.S.: Die Klage wurde abgewiesen - jetzt geht's in die Instanzen.

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt
Dr. Peter Becker ist Rechtsanwalt, Co-Präsident der International Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA) und Vorstandsmitglied der Deutschen IALANA.