6x jährlich informiert unsere Zeitschrift, das FriedensForum, über Aktionen und Kampagnen der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeexemplar zu.
Ein tödliches Dreieck
Krieg, Rüstung und die Klimakatastrophe
vonKrieg, Rüstung und die Klimakatastrophe, in der wir im Grunde schon stecken, auch wenn wir uns noch dagegen wehren, diese Tatsache zu akzeptieren, stellen ein tödliches Dreieck dar: Rüstung und Krieg leisten einen bedeutsamen Beitrag zur Umweltvernichtung und Ausstoß von klimaschädlichen Gasen; der Klimawandel macht bewaffnete Konflikte wahrscheinlicher und den Menschen, die vor den Folgen der Klimakatastrophe fliehen, wird zunehmend ein Zugang zu sicheren Regionen der Welt verwehrt. Da braucht es gar keinen großen Krieg in Europa, wie dieser Schwerpunkt des Friedensforums heißt, um erschreckende Bilder unserer Zukunft zu zeichnen.
Der Beitrag von Rüstung und Krieg zur Klimakatastrophe
Daten, was Klimabelastung durch Rüstung und Krieg angeht, gibt es nur punktuell, denn es gibt keine umfassende Berichtspflicht über CO2-Ausstoß im militärischen Sektor. Auch nach dem Pariser Klimagipfel 2015 ist es jedem Staat selbst überlassen, ob und was er berichten will. Manöver und Auslandseinsätze werden nirgendwo erfasst, ebenso wenig wie der Treibstoffverbrauch und die anderen Faktoren, die im Weg, den eine Waffe von der Gewinnung ihrer Rohstoffe über Produktion, Tests, Lieferung an „Verbraucher“, Einsatz im Manöver oder Krieg bis hin zu ihrer Verschrottung und Wiederaufbau dessen, was sie zerstört hat, anfallen. (1) Am besten bekannt sind noch der CO2-Ausstoß einzelner Waffensysteme wie Panzer oder Kampfflugzeuge. Hier nur ein Beispiel: Während ein normaler Haushalt in Deutschland rund elf Tonnen CO2e pro Jahr verbraucht (2), benötigt ein Eurofighter elf Tonnen CO2e pro Flugstunde. 2018 hatte der Eurofighter 10.480 Flugstunden… (3)
Der Studie „Climate Crossfire“ zufolge gingen 2022 geschätzt rund 5,5 Prozent der weltweiten CO2-Äquivalent-Emissionen auf Rüstung und Militär zurück, das sind 2.750 Megatonnen CO2e. Wenn Militär ein Land wäre, hätte es den viertgrößten Fußabdruck in der Welt, nach China, den USA, Indien und noch vor Russland. (4)
Auch zu einzelnen Kriegen gibt es – allerdings vermutlich stark geschätzte – Zahlen.
- Kuwait 1990-91: Die brennenden Ölquellen verursachten 4,7 Millionen t CO2e Ausstoß. Außerdem wurden knapp zwei Millionen Tonnen Rohöl in den Persischen Golf geleitet. (5)
- Gaza-Krieg: Geschätzt 281.000 Tonnen Kohlendioxid wurden in den ersten 60 Tagen nach dem Hamas-Angriff ausgestoßen, die meisten durch Israel. Die Raketen der Hamas verursachten 713 t CO2e. (6)
- Zum Krieg in der Ukraine gibt es mehrere Studien. Die „Initiative on GHG Accounting of War“ schätzt, dass der Krieg bis September 2023 Klimaschäden mit einem Äquivalent von 150 Millionen Tonnen CO2 verursacht hat, soviel wie die jährlichen CO2-Emissionen Belgiens. (7) Und nahezu 900 Fälle schwerer Umweltschäden hat Ecoaction in der Ukraine seit Kriegsbeginn dokumentiert, darunter Waldbrände, Ölteppiche und giftigen Rauch. (8)
Interessant ist in diesem Kontext vielleicht auch, dass die erwähnte Studie der „Initiative on GHG Accounting of War” schätzt, dass die Umweltfolgen von Wiederaufbau höher sind, als die durch die Zerstörung selbst verursachten Klimaschäden. Hier kommen u.a. die extrem klimafeindliche Herstellung von Zement/Beton zum Tragen sowie die Entsorgung der Altlasten. Letztere ist übrigens ja auch in Deutschland immer noch ein Thema – man denke an die Waldbrände auf Truppenübungsplätzen, die wegen solcher Altlasten nicht gelöscht werden konnten oder die rund 1,6 Millionen Tonnen konventioneller Munition und etwa 5000 Tonnen chemischer Kampfstoffe in der Ostsee, die in den beiden Weltkriegen durch Militäroperationen oder danach durch Verklappung versenkt wurden. (9)
Der Beitrag der Klimakatastrophe zu Krieg
Die Friedensforschung ist sich ziemlich einig in folgender Aussage: Der Klimawandel verursacht nicht direkt bewaffnete Konflikte, aber er wirkt als Risikomultiplikator, der besonders fragile Länder trifft. Zu solchen Risiken gehören:
- Extreme Wetterereignisse (Bsp.: Libyen 2023)
- Anstieg des Meeresspiegels und Küstenerosion (Bsp: Südsee)
- Bedrohung der Lebensgrundlagen (Bsp.: Steigende Drogenproduktion in Afghanistan während des westlichen Angriffskriegs auf Afghanistan 2001)
- Lokale Ressourcenkonflikte (Bsp.: Sudan-Darfur)
- Grenzüberschreitende Wasserkonflikte (Bsp.: Nil)
- Schwankende Lebensmittelpreise, die zu Aufständen führen (Bsp.: Ägypten 2011)
- Nicht-intendierte Auswirkungen von Klimapolitiken (Bsp.: Waldrodung für Anbau von „Biodiesel“) (10)
All das führt zu Konflikten, wenn die zuständigen Regierungen nicht in der Lage sind, die Probleme aufzufangen und die Konflikte zu bearbeiten. Und das sind sie selten, nicht nur im Globalen Süden, sondern auch bei uns, wie an dem vergleichsweise harmlosen Beispiel der Bauernproteste 2023 in Europa zu beobachten war. Diese entzündeten sich ja letztlich an Maßnahmen, die Regierungen zum Schutz von Natur und Nachhaltigkeit ergreifen woll(t)en, aber die Betroffenen mit den Auswirkungen auf ihre wirtschaftliche Existenz allein ließen.
Klimakatastrophe und Flucht: Ein Horrorszenario
Die Klimaforscher*innen haben in den letzten Jahren immer wieder neue Szenarien entworfen, wie sich das Klima verändert, wenn die Erwärmung auf so und so viele Grad steigt. In ihren Einzelheiten sind sie unterschiedlich, aber eigentlich alle warnen davor, dass bestimmte Teile der Welt – vorwiegend im Globalen Süden -, die heute noch die Heimat von Menschen sind, durch den steigenden Meeresspiegel oder durch Hitze unbewohnbar werden dürften. Der jüngste Bericht des Weltklimarats (IPCC) von 2023 (11), der schon 2021 von Wissenschaftler*innen geleakt wurde, die fürchteten, dass der endgültige Bericht durch Regierungen verfälscht und verwässert würde, zeigt wahre Horrorszenarien auf, sofern nicht sofortige und umfassende Maßnahmen ergriffen würden. (Und dass das nicht passiert, sehen wir ja jeden Tag.) Was wird das für die Betroffenen bedeuten? Während die Länder Europas, Nordamerikas und Australien vermutlich genügend Ressourcen haben, um die Folgen abzumildern, trifft das für die betroffenen Länder in Süd- und Südostasien und Afrika südlich der Sahara kaum zu. Menschen werden keine andere Wahl haben, als zu versuchen, sich woanders ein Leben neu aufzubauen. Aber wohin? Schon heute sterben zahllose Menschen auf der Flucht. Seit 2014 bis Ende April 2024 sind allein im Mittelmeer fast 30.000 Menschen ertrunken. (12)
Immer mehr Staaten und die EU haben begonnen, sich gegen Geflüchtete abzuschotten. Inzwischen gibt es nach Zählung der Neuen Zürcher Zeitung weltweit 79 solcher Sperranlagen. (13) Die meisten sind in Europa und bei einigen gibt es einen Zusammenhang zum Krieg in der Ukraine, aber auch zwischen Pakistan und Afghanistan, der Türkei und Syrien oder den USA und Mexiko entstehen solche Zäune und Mauern. Die EU gibt für die bewaffnete Frontex-Mission 2024 922 Millionen Euro aus. 2004 waren es noch sechs Millionen. (14)
Es braucht nicht viel Phantasie, was geschehen wird, wenn die Zahl der Klimaflüchtlinge stark zunimmt. Auch der Weltklimarat spricht im Zusammenhang seiner Szenarien 3-5 (den schlechten Szenarien) von zu erwartendem Nationalismus und dem Zusammenbruch von Solidarität. Steht der beinahe weltweite Aufwuchs bei militärischen Investitionen vielleicht auch damit in Zusammenhang? Geht es gar nicht so sehr um Russland, sondern darum, sich auf die Abwehr von Schutzsuchenden vorzubereiten, denn das scheint leichter politisch durchsetzbar, als die von Weltklimarat geforderten konsequenten Maßnahmen zum Klimaschutz durchzuführen? Wie viele Hunderttausende, vielleicht Millionen werden dann sterben?
Es ist Usus, Artikel und Vorträge über die Klimakatastrophe mit dem Satz zu beenden, dass es noch nicht zu spät ist, dass noch entscheidende Maßnahmen ergriffen werden könnten, um die Klimaerwärmung in beherrschbaren Grenzen zu halten. Das ist immer noch wahr, wenngleich die Wahrscheinlichkeit, dass es geschieht, mit jedem Jahr immer geringer wird. Vielleicht wäre es deshalb angebrachter, über weltweite Solidarität und Resilienz gegenüber den Folgen der Klimakatastrophe nachzudenken und das zu tun, was unsere Regierungen versäumen – ein gemeinsames Überleben ALLER vorzubereiten?
Anmerkungen:
- (1) Die Autorin hat diesen „Todesweg einer Waffe“ in einem Vortrag beschrieben, der auf dem Youtube-Kanal des Bund für Soziale Verteidigung angesehen werden kann: https://www.youtube.com/watch?v=5p_QWk26vXM&t=7s
- (2) Von CO2-Äquivalenten spricht man, weil zu den Treibstoffgasen auch andere Gase als Kohlendioxid gehören, z.B. Methan.
- (3) https://www.nzz.ch/wissenschaft/vernachlaessigte-emissionen-von-treibhau...
- (4) Lin, H.C., Buxton,N., Akkerman,M., Burton, D., de Vries, W. (October 2023): Climate crossfire: how NATO’s 2% military spending targets contribute to climate breakdown, Transnational Institute, Stop Wapenhandel & Tipping Point South, with IPPNW and Centre Delas, https://www.tni.org/en/publication/climate-crossfire, S. 16.
- Zu den USA lohnt sich diese Studie hier: Crawford, Neta C. (2019) Pentagon Fuel Use, Climate Change, and the Costs of War, Watson Institute, https://watson.brown.edu/costsofwar/papers/ClimateChangeandCostofWar
- (5) Michaelowa, Axel and Tobias Koch (2001) Military Emissions, Armed Conflicts, Border Changes and the Kyoto Protocol, Climatic Change 50: 383–394, 2001, https://link.springer.com/article/10.1023/A:1010695312025, S.:386); https://www.iwkoeln.de/presse/iw-nachrichten/sarah-fluchs-wie-kriege-die...
- (6) https://www.theguardian.com/world/2024/jan/09/emissions-gaza-israel-hama...
- (7) https://climatefocus.com/publications/climate-damage-caused-by-russias-w... file:///C:/Users/Anwender/Downloads/klimaschaeden-krieg-100-1.pdf
- (8) https://en.ecoaction.org.ua/
- (9) https://www.bundeswehr-journal.de/2022/acht-millionen-euro-mehr-fuer-ber...
- (10) Siehe https://www.bpb.de/themen/kriege-konflikte/dossier-kriege-konflikte/2666...
- (11) IPCC (2023): Synthesis Report 2023, https://www.ipcc.ch/report/ar6/syr/ . Eine deutsche Zusammenfassung gibt es hier: https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/grundlagen-des-klima...
- (12) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/892249/umfrage/im-mittelm...
- (13) https://www.nzz.ch/fotografie/migration-die-zahl-der-grenzmauern-nimmt-r...
- (14) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1172183/umfrage/budget-de...