Krieg um Öl oder Frieden durch die Sonne

von Franz Alt
Hintergrund
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Die Öl- und Gasreserven der USA auf heimischem Boden sind schon in wenigen Jahren erschöpft. Die ölabhängigste und am meisten energieverschwendende Gesellschaft braucht die großen Energiereserven im Nahen und Mittleren Osten als letzte Tankstelle - notfalls werden Kriege geführt. Der Golfkrieg II. vor 11 Jahren war ein Krieg um Öl. Der jetzige Afghanistan-Krieg ist auch ein Krieg um Öl und Gas in Kasachstan, Kirgisien und Aserbaidschan - um Pipelines durch Afghanistan und Pakistan wurde schon mit der Taliban-Regierung verhandelt. Und der drohende Irak-Krieg wird ebenfalls ein Krieg um Öl sein.

Die Prognosen des Weltenergierats sind eindeutig: Das Öl reicht noch etwa 40 Jahre, das Gas 46 Jahre, Uran 60 Jahre und Kohle etwa 120 Jahre. Was aber dann? Auf dem Johannesburg-Gipfel haben die USA erneut klargemacht, dass Energiesparen und Erneuerbare Energien für sie keine Alternativen zur heutigen fossil-atomaren Energieversorgung sind. Und die übrigen Industriestaaten wollen ihre Verbräuche nur bescheiden reduzieren. Weltweit aber steigt der Energieverbrauch. Wir benehmen uns wie Pyromanen. Wir verbrennen heute an einem Tag, was die Natur in 500.000 Tagen an Kohle, Gas und Öl angesammelt hat. Neben den Treibhauseffekt zeigt das bedrohlich nahende Ende der Ressourcen, in welche kriegerischen Katastrophen wir wie blind hineinstolpern, wenn nicht rasch im großen Stil Energie effizienter genutzt und auf Erneuerbare Energien umgestiegen wird. Auch China, Indien, Russland oder Länder wie Pakistan sind an den letzten Öl- und Gasreserven interessiert. Und sie alle haben Atombomben.

Schon heute kommen 90 Prozent des geförderten Öls aus Quellen, die vor über 20 Jahren gefunden wurden. Es werden zwar immer noch Öl- und Gas Reserven entdeckt, aber nur noch bescheiden kleine.

Die Welt-Energiekrise ist vorprogrammiert - mit und ohne Irak-Krieg. Mit dem Irak-Krieg kommt sie freilich schneller. Denn dieser wird wahrscheinlich zu einer Talibanisierung der Politik in Saudiarabien führen und somit zu einem Anstieg des Ölpreises. Osama Bin Laden käme so mit Hilfe von George W. Bush seinem Ziel näher, den gesamten Nahen Osten zu destabilisieren und in Saudi Arabien oder einem anderen Ölland ein fundamentalistisches Regime zu errichten. Sein Terrornetz verfügt heute über mehr Geld und Personal als vor einem Jahr. Das ist auch ein Ergebnis der Politik von George W. Bush und seiner Verbündeten ein Jahr nach dem 11. September.

Der Terrorismus, der bekämpft werden sollte, ist heute wahrscheinlich gestärkt, aber die Öl- und Gaszufuhr aus Mittelasien scheint gesichert. Doch Öl und Gas werden immer teurer. 1970 hatte ein Barrel Öl noch stark zwei Dollar gekostet, heute über 27 Dollar. Die jetzt spürbare Knappheit wird den Preis in den nächsten Jahren nach oben treiben.

Je teurer aber das Öl, desto weniger Wirtschaftswachstum. 1970 betrug das Wirtschaftswachstum bei niedrigem Ölpreis in den G7-Staaten vier Prozent, heute bei teurem Öl noch ein halbes Prozent. Und Null-Wachstum bedeutet Massenarbeitslosigkeit. Wirtschaftskrise, Energiekrise, der Klimawandel und die Massenarbeitslosigkeit: Gibt es keinen Ausweg aus dem Teufelskreis?

Erst wenn Millionen Menschen den Zusammenhang zwischen den genannten Krisen erkennen, bekommt die Alternative des Solarzeitalter mit einer solaren Kultur und einer solaren Weltwirtschaft ökonomische Strahlkraft und reale Chance. Die entscheidende politische Frage des 21. Jahrhunderts wird heiáen: Krieg um Öl oder Frieden durch die Sonne.

Die Sonne schickt uns täglich 15.000 mal mehr Energie als alle Menschen verbrauchen. Und das macht sie noch 4,5 Milliarden Jahre - umweltfreundlich, zuverlässig für "alle" Zeit und preiswert. Die Sonne schickt uns keine Rechnung. Die Lösung steht am Himmel.

Hinzukommen Energie aus Wind, Wasser, Erdwärme, Biomasse, Biogas, solarer Wasserstoff, Strömungs- und Wellenenergie der Ozeane. Um Öl wurden und werden Kriege geführt, nicht aber um die Sonne. Sie scheint für alle - für George W. Bush wie für Osama Bin Laden und sie ist mit ihrem Sicherheitsabstand von 150 Millionen Kilometern zur Erde menschlichem Zugriff entzogen. Die Volkswirtschaften müssten für die 100-prozentige solare Energiewende in den nächsten 30 bis 50 Jahren etwa zwei Prozent ihres Bruttosozialproduktes aufwenden. Die Versicherungen weisen darauf hin, dass die rein materiellen Folgekosten des alten fossil-atomaren Weges, der ohnehin bald zu Ende sein wird, weit höher sind - vom Leid und Elend von Millionen Betroffener und von den Kriegsfolgen ganz abgesehen. Die Fluten dieses Sommers waren nur Vorboten. Wenn wir nicht rasch handeln, steht uns die vielleicht größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte bevor.

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Franz Alt ist Politologe, Journalist und Buchautor. Seit 2000 ist er Leiter und Moderator des 3sat-Magazins "GRENZENLOS".