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Krieg und Sprache
von
Der NATO-Luftkrieg gegen Jugoslawien machte blitzartig deutlich, welche Wirkungen Sprache haben kann und wie mit ihr das öffentliche Bewusstsein beieinflusst wird und werden soll. Man wusste das schon immer - hier konnte man es aktuell nachvollziehen.
Dass im Krieg als erstes die Wahrheit verliert, dass dabei auch die Sprache verliert - diese Einsicht mag vielen als Binsenweisheit vorkommen. Sie bleibt jedoch richtig und wurde auch seit Ende März immer wieder geäußert.
Zwei klassische Fälle: das "Verteidigungsministerium", der "Verteidigungsminister". Muss es nicht besser und richtiger "Kriegsministerium", "Kriegsminister" heißen, gerade jetzt? Immerhin kann man auf Demonstrationen oder in Leserbriefen diese präzisen Bezeichnungen lesen, und der neue rot-grüne Kanzler Gerhard Schröder ist schon "Kriegskanzler" genannt worden. Dann die Waffennamen: Da existieren eine ganze Reihe sprachlich listiger Strategien. Da gibt es für Atombomben verniedlichende, verfälschende Namen wie "Blue boy" oder "Little boy", es gibt ablenkende Abkürzungen wie "SS-20" oder solche, die auch verniedlichen: "FROG" für eine Rakete (= Free Rocket Over Ground), und es gibt die Tierbezeichnungen mit an sich positiven Begleitgefühlen wie "Fuchs", "Leopard" oder "Marder", so dass ihr Einsatz, also im Krieg, auch mit positiven Assoziationen verbunden wird (werden soll).
Christa Wolf sagte nach einigen Tagen des Luftkriegs: "... wenn ich die Sprache der Kriegsberichterstatter höre, nimmt mein Verdacht zu, dass wir manipuliert werden" (Süddt. Ztg. 3. 4. 1999). Sie stand damit nicht allein, man muss zustimmen, und die zunehmende Verschärfung der Sprache in Politik und Medien ist mit Recht wiederholt öffentlich kritisiert worden. Dazu vier aktuelle Beispiele:
1. Wie bei den seit dem Golfkrieg andauernden
Bombardierungen des Irak durch die USA werden die
Personenbezeichnungen verschärft und
propagandistisch überspitzt. Saddam Hussein ist
generell der "Diktator". Genaugenommen ist diese
Kennzeichnung nicht falsch, aber: nur er? Wie
viele "Diktatoren" gäbe es, wäre man ehrlich, auf
dieser Erde? Nicht wenige, mit denen die USA beste
Kontakte pflegen! (Vgl. die Zeitschrift der IG
Medien, M 1-2/1999, S. 4.) Mit dem Herausgreifen
des irakischen "Diktators" werden die vielen
anderen neutralisiert, ja ignoriert, nur er wird
bezeichnet, d. h. stigmatisiert. Ganz ähnlich bei
Slobodan Milosevic, auch auf ihn als "Diktator",
ja sogar "Irrer" und "Schlächter" konzentriert
sich sozusagen das sprachliche Feuer.
2. "Bombardement" oder "Luftschlag", "Konflikt" oder
"Krieg"? Oft - vor allem: bei den beteiligten
Militärs, Regierungen und in den meisten Medien
(obwohl es immer wieder positiv-kritische
Ausnahmen gibt) - wurde die abschwächende
sprachliche Formulierung gewählt. Und "Luft-" oder
"Militärschlag" ist zweifellos schwächer und
verharmlosender als das realistischere und
wahrhafte Wort, also "Luftangriff" oder
"Bombardement"/"Bombardierung". Auch ist
"Konflikt" (vielfach ist von "Balkankonflikt" oder
"Kosovo-Konflikt" die Rede) schwächer und
ablenkender als "Krieg". Natürlich wurde seit Ende
März von der NATO "Krieg" geführt gegen
Jugoslawien, und wer da von "Konflikt" sprach
(obwohl dieses Wort in anderem Zusammenhang
sinnvoll sein kann), verhüllte und verharmloste,
indem er die Konsequenzen eines Krieges
verschwieg. - Dass die Belgrader Führung ihre
Kritiker, z. B. im Zusammenhang mit den jüngsten
Demonstrationen der Soldatenmütter, als "Verräter"
und "Handlanger ausländischer Mächte"
diskriminierte, macht die Sache nicht besser.
3. "Faschismus", "KZs": Die Minister
Rudolf Scharping und besonders Joschka Fischer
wiesen zur Untermauerung ihrer politischen
Einschätzung und Handlungsweise immer wieder
betont auf den "(neuen) Faschismus" hin, für den
Milosevic stehe. Was hier sprachlich abläuft, ist
am ernstesten und m. E. nicht gleich zu
durchschauen, obwohl dem Mechanismus bei
"Diktator" vergleichbar. Ich sage wieder: An sich
ist der Hinweis auf "Faschismus" ja nicht falsch,
denn dass die Belgrader Führungsclique seit Jahren
eine äußerst repressive, eine aggressive und
rassistische Gewaltpolitik verfolgte, dürfte
vernünftigerweise nicht bestritten werden. Die
"ethnischen Säuberungen", die Massaker,
Folterungen und Vergewaltigungen, die
Scharfschützen in Sarajevo usw., all dies
rechtfertigt einen Begriff wie "faschistisch".
Was aber falsch und irreführend ist und worin eben
die Täuschung dieses sprachlichen Manövers
besteht, ist eben dies: Blank gleichgesetzt mit
dem Hitlerfaschismus, mit der Nazi-Kriegspolitik,
mit ihren KZs und dem Holocaust, in blinder - und
medienwirksam gewollter - Analogie also, ist
Milosevics Macht- und Unterdrückungspolitik dann
natürlich kein "Faschismus". Hier zu
differenzieren, ist wichtig. Entscheidend sind
Nuancen.
4. Dies gilt, abschließend, auch für den
militärischen Ausdruck "Kollateralschaden". Wer
ihn umstandslos einer zynischen NATO-Kriegssprache
zuschreibt (wie manchmal geschehen, verfehlt das
Wesentliche. Als Fachwort des Militärs bezieht er
sich allgemein auf Begleitschäden, auf Schäden,
die am Rande des eigentlichen Ziels eintreten.
(Zugrunde liegt latein. "latus" = die Seite, und
in der Botanik gibt es "kollaterale Fasern", in
der Medizin "Kollateralgefäße"!) Das heißt,
"Kollateralschäden" gibt es auch an Gebäuden und
Straßen, nicht nur, wenn unbeteiligte Zivilisten
Opfer der Angriffe werden. Schlimm und zynisch und
den Wahnsinn des NATO-Bombenkrieges aufdeckend war
vielmehr (und hier muss die Sprachkritik
einsetzen), dass Wörter wie "Kollateralschaden"
in die Debatte gebracht wurden, um von den
menschlichen Opfern abzulenken, dass man also mit
einem solchen Fachwort Tote geringschätzt und
missachtet, um die pure Militärlogik des
Weiterbombens mit den ach so "intelligenten
Waffen" fortzusetzen.
Eins noch, die "Verantwortung". Deutschland habe sie jetzt, endlich, nach Jahrzehnten der Bindung an die Alliierten, und (fast) alle Rot-Grünen und Schwarz-Gelben sind sich einig: Deutschland nimmt seine "neue Verantwortung" in der Welt wahr. Halten wir zwei Sätze aus Bert Brechts "Dreigroschenroman" (geschrieben im Exil 1934) dagegen: Zum zwielichtigen, aber mächtigen Macheath wird gesagt: "In einem Ring, wie Sie ihn sich vorstellen ... würden Sie ... eine starke Position haben, Macheath?" - "Sagen wir - eine starke Verantwortung!" gab Macheath freundlich zurück.