Buchbesprechung

Krieg vor der Haustür

von Outi Arajärvi
Hintergrund
Hintergrund

Sarah Brockmeier und Philipp Rotmann wollen mit ihrem Buch „Krieg vor der Haustür“ ihre LeserInnen aufrütteln nachzudenken, warum es so schwierig ist, Krisen und Kriege zu verhindern, welche Blockaden es immer wieder gibt, effizienter und besser Frieden zu fördern, aber auch, was man aus den Erfahrungen der letzten Jahrzehnten Krisendiplomatie, Entwicklungszusammenarbeit und militärischer und ziviler Interventionen lernen kann.

Vor allem geht es ihnen darum zu zeigen, was PolitikerInnen, DiplomatInnen, SoldatInnen oder PolizistInnen im Auslandseinsatz, aber auch interessierte BürgerInnen tun können. „Wir schreiben über die kleinen, konkreten Chancen für mehr Frieden und mehr Sicherheit innerhalb der ungerechten Welt.“ Sie präsentieren daher keine Konzepte für eine gerechtere Weltordnung, sondern bieten zum Teil sehr kritische Einblicke in die heutige Praxis der deutschen und europäischen Politik. Sie zeigen, was alles nicht getan wird, obwohl es möglich wäre, Menschen zu retten, einen Konflikt zu entschärfen oder sogar einen Krieg zu verhindern. Und wenn doch eine Hilfsmaßnahme, ein Entwicklungsprojekt oder ein ziviler oder militärischer Einsatz aufgelegt wird, werden oft nicht die besten Optionen gewählt oder im Laufe des Projekts wird nicht überprüft, ob die intendierten Ziele wenigstens ansatzweise erreicht werden können oder ob vielleicht mehr Schaden angerichtet wird.

Die Stärke des Buches ist, dass die AutorInnen auch gute Beispiele und Erfolge beschreiben und dabei analysieren, welche Faktoren ausschlaggebend waren. Es ist spannend geschrieben, mit detailreichen Erzählungen direkt aus der Praxis mit wirklichen Menschen und ihren Schicksalen – es ist manchmal fast nicht zum Aushalten und man rauft sich die Haare, wenn Korruption begünstigt wird oder ein Krieg ausbricht oder ein sinnloser Militäreinsatz fortgeführt wird. Andererseits ist es wohltuend zu lesen, wie ein langfristig arbeitendes UN-Büro in Westafrika in der Region gute Mediationsdienste organisieren kann und wie ein Projekt des Zivilen Friedensdienstes in Guinea den Boden für friedliche Konfliktbearbeitung gelegt hat und so wirklich Frieden gesichert werden konnte. Sie schreiben über die verpassten Chancen, auf dem Konflikt in Südsudan einzuwirken und über die fehlende Hilfe für die JesidInnen, die aus dem Irak und Syrien vor dem IS fliehen mussten, wenn sie nicht getötet oder versklavt werden wollten. Der Militäreinsatz in Libyen wird kritisch beleuchtet und die fehlgeleitete Entwicklungshilfe in Mali. Die guten Nachrichten kommen aus Gambia und Guinea; über die Krisen dort haben wir nichts gehört, weil dort kein Krieg geführt wurde. Es wird ein Blick auf die höchste Ebene der UNO, auf den Sicherheitsrat, geworfen, wo die verschiedenen Interessen der ständigen und nichtständigen Mitglieder sich gegenseitig blockieren und gut gedachte Vorschläge, z.B. aus Brasilien, dort oft keine Chance haben. Schließlich diskutieren die AutorInnen noch die rechtlichen Möglichkeiten, Kriegsverbrecher in Deutschland zu verurteilen, dabei kommt sowohl der Völkermord in Ruanda in den Fokus als auch die Verbrechen des Assad-Regimes in Syrien.

Brockmeier und Rotmann kennen sich aus in den Regionen, über die sie schreiben, kluge ExpertInnen werden interviewt und zahlreiche Quellen sind aufgelistet. Sie sind keine PazifistInnen, sondern plädieren in manchen Situationen auch für eine militärische Option als Druckmittel und auch für gezielte Militäroperationen. Sie warnen gleichzeitig davor, keine Ziele und Strategien für alle Einsätze zu entwickeln und sehen auch die Gefahr, dass ein militärischer Einsatz außer Kontrolle geraten kann. Sie kritisieren die deutsche Politik und Öffentlichkeit und dabei auch explizit die deutsche Friedensbewegung dafür, dass sie nur über die „richtigen“ Mittel diskutierten, militärisch oder zivil. Die Debatte über Ziele und effektive Strategien sei damit blockiert. Dabei reduzieren sie meiner Meinung nach die Friedensbewegung nur auf den Teil, der militärkritisch arbeitet. Die vielen Ansätze, die gerade für Prävention, Zivile Konfliktbearbeitung und Aufbau von friedensstützenden Strukturen in zahlreichen Friedensorganisationen verfolgt werden, werden dabei ausgelassen. Zwar kommen sie im Buch als gute Beispiele vor, wie z.B. der Zivile Friedensdienst, aber anscheinend werden sie nicht zur Friedensbewegung gezählt. Gleichzeitig schlagen sie an verschiedenen Stellen vor, dass auch interessierte BürgerInnen aktiv werden können, in dem sie z.B. LeserInnenbriefe schreiben oder bei PolitikerInnen nachfragen – durch öffentlichen Druck könne man sie zu mehr Mitteln für Prävention und anderen zivilen Maßnahmen drängen.

Sarah Brockmeier und Philipp Rotmann (2019): Krieg vor der Haustür. Die Gewalt in Europas Nachbarschaft und was wir dagegen tun können. Bonn: Dietz Verlag, ISBN: 978-3-8012-0548-5, 240 Seiten, 22,- €

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Outi Arajärvi arbeitet zum Thema Migration im Bereich Bildung und Forschung und ist Ko-Vorsitzende des Bundes für Soziale Verteidigung.