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Kriegpolitik und Propaganda
vonDer Außenminister mit den erstaunlichen Ohren hatte es schon vor einiger Zeit formuliert: In Sachen "Selbstbestimmung lassen wir Deutschen uns von niemandem übertreffen". Recht hat er, der gute Mann, zumindest, wenn es um Kroatien und Slowenien geht. Da stimmt ihm die gesamte deutsche Öffentlichkeit von FAZ bis taz, von der Deutschen Bischofskonferenz bis zum Friedensforum zu. Dabei stört es weder, daß "Selbstbestimmungsrecht" schon seit 100 Jahren der Titel deutscher Intervention in Osteuropa ist, noch, daß in diesem Fall "die entschiedensten Verfechter der Anerkennung - Deutschland, Italien, Österreich und Ungarn - exakt jene Länder (sind), die das faschistische Kroatien während des 2. Weltkrieges unterstützt haben", wie der Sprecher des US-Außenministeriums anmerkte.
Die so mit Solidarität Bedachten bedankten sich artig: im kroatischen Fernsehen werden keine Filme mehr gezeigt, die Deutsche als Nazis zeigen. Dies sei geschmacklos in einer Zeit, in der fast nur Deutschland kroatische Interessen verteidige. Sicher ist diese Meldung nur ein Streiflicht, aber es beleuchtet zwei Aspekte, die durchaus erhellend sind.
Zum einen gibt es tatsächlich eine direkte Linie vom deutschen und kroatischen Faschismus zum heutigen Kroatien. Natürlich betreibt serbische Politik damit kräftig Propaganda, aber es bleibt Tatsache, daß Symbole des faschistischen Ustascha-Staates von Kroatien übernommen wurden, daß Regierungs- und Parteimitglieder der Tudjman-Partei Anhänger großkroatischer, Ustascha-naher Vorstellungen sind, daß die offen faschistischen HOS-Milizen direkt in die militärischen Aktivitäten Kroatiens eingebunden sind. Statt angesichts solcher Bündnispartner angewidert auf Distanz zu gehen, deckt auch das Friedensforum den Mantel vornehmen Schweigens darüber.
Zum anderen ist es tatsächlich Deutschland, das in diesem Konflikt eine ganz wesentliche Rolle spielt. Es ist nicht ganz einfach, im Einzelnen die Wege und Stationen deutscher Einflußnahme zu belegen. Es gibt darüber kaum zugängliches Material. Angesichts dessen, daß Deutschland in dieser Frage ursprünglich völlig quer zu den meisten EG-Ländern und den USA lag, wollte natürlich niemand durch allzu forsches Auftreten alte Erinnerungen wecken und neues Porzellan zerschlagen. Also geht vieles erst mal im Stillen ab:"...Gespräch mit Ivan Milas, einem...persönlichen Vertrauten des Präsidenten Tudjman...außerhalb des Bundeskanzleramtes und ohne Wissen des Auswärtigen Amtes. Als ich früher einmal politische Kontakte zu Litauen auf Länderebene empfohlen habe, habe ich von dort nur Ablehnung erfahren." So schreibt Horst Teltschik am 14.8.1990 in sein Tagebuch, um fortzufahren: "Milas übermittelte den Wunsch des Präsidenten nach enger Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik. Die Kroaten richten sich ausschließlich nach Deutschland aus." Im November 91 nimmt der kroatische Regierungssprecher Nobilo diesen Ball wieder auf:"Ohne die Hilfe der Deutschen hätten wir gar nicht bis jetzt standhalten können."
Warum sucht mensch im Friedensforum auch dazu vergeblich einen Beitrag? Wenn ich nicht unterstellen will, daß hier ein Teil der Wirklichkeit absichtlich unterschlagen wird, weil es nicht ins gewünschte Bild paßt (also zu Propagandazwecken gelogen wird), wenn ich auch nicht annehmen kann, daß die Redaktion dazu keine AutorInnen gefunden hätte (ich hätte ihnen eine Reihe guter Leute empfehlen können), dann fallen mir nur noch zwei mögliche Motive ein.
Vielleicht hält das Friedensforum die kroatisch/slowenische Sache für gerecht, weil es um Selbstbestimmung gehe und dies eine gerechte Sache sei. Darüber wäre eine lange Debatte nötig, ich beschränke mich auf einige Fragen, weil ich dazu hier schon mal was geschrieben habe. Soll dieses Recht entsprechend alter linker/gewerkschaftlicher Positionen nur für unterdrückte Völker gelten? (Das sind Kroaten und Slowenen sicher nicht.) Oder gilt es für alle? (Dann muß es auch für die Serben, auch für die in Kroatien, gelten.) Spielen politisch-gesellschaftliche Ziele noch eine Rolle, wenn sich jemand auf Selbstbestimmung beruft oder gilt dieses Recht jenseits aller konkreten Inhalte? Gilt der Völkerrechtsgrundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Staaten (Nichteinmischung) nicht mehr, wenn innerhalb eines Staates ein neuer proklamiert wird? Wie muß eine Menschengruppe beschaffen sein, um als "Volk" zu gelten, wieviele "Minderheiten" darf sie haben, wie bestimmen sich ihre Grenzen? Mit einem Wort: Wer bestimmt eigentlich, wer sich in Jugoslawien selbst bestimmen darf, wenn nicht das Recht des Stärkeren?
Vielleicht ist es aber auch genau umgekehrt, und die Redaktion hält die serbische Sache für ungerecht, weil sie mit militärischen Mitteln vertreten wird. Aus pazifistischen und/oder anderen Gründen kann die serbische Kriegspolitik durchaus kritisiert werden. Es wird auch nicht schwerfallen, daraus resultierendes konkretes menschliches Elend in einem Ausmaß nachzuweisen, daß solche Kritik moralisch quasi unangreifbar wird. Trotzdem muß gefragt werden, welche Ursachen zu dieser Situation geführt haben.
Wer in einem Land wie Jugoslawien, wo Menschen verschiedener Volksgruppen ziemlich bunt gemischt zusammenleben, völkisch-nationalistische Separation betreibt, der produziert notwendig Ängste und Agressionen. Wenn diejenigen, die sich da absondern wollen, auch noch die reicheren sind, die den Löwenanteil des gemeinsamen Hausrats mitnehmen wollen, dann entstehen Hoffnungslosigkeit und Panik. Und wenn es sich dann zuguterletzt auch noch um diejenigen handelt, die schon einmal die Ausgegrenzten zu Hunderttausenden abgeschlachtet haben und die auch diesmal versuchen, zahlreiche von ihnen in ihrer direkten Abhängigkeit zu halten, dann kann sich niemand wundern, wenn diese sich angegriffen fühlen und zurückschlagen.
Ich sage damit nicht, daß diese Reaktion richtig wäre, noch weniger, daß so das Problem lösbar sei, aber sie ist unvermeidlich. Das wußte auch die kroatische Führung. Wer in einer solchen Situation Nationalismus predigt, will den Krieg. So ist es auch nur logisch, daß Tudjman schon im August 91 die sofortige Anerkennung Kroatiens mit dem Argument fordert, nur so seien ungehinderte Waffengroßeinkäufe möglich. Es war die BRD, die ihm dabei assistierte, auch noch, als der Anerkennungsvorstoß Österreichs isoliert blieb: Noch im September verlangte sie ein militärisches Eingreifen der EG zugunsten der Separatisten - natürlich nicht unter Beteiligung der Bundeswehr. Diejenigen in der Friedensbewegung, die eine Kampagne gegen Einsätze der Bundeswehr außerhalb des Nato-Gebietes betreiben und dazu schweigen, daß die BRD in Jugoslawien ohne eigene Soldaten Krieg führt, müssen sich fragen lassen, in welche Falle sie da gegangen sind!
Niemand ist gezwungen, die offizielle Position Serbiens für bare Münze zu nehmen, es akzeptiere die Selbstbestimmung des kroatischen Volkes, es verlange nur für sich Gleiches. Wer seine Politik im Kosowo betrachtet, hat gute Gründe zum Zweifel. Aber warum wird z.B. von Pax Christi BRD in einer vor Haß geifernden Stellungnahme vom Dezember 91 behauptet, Serbien wolle Kroatien vernichten, ohne diese serbische Position auch nur zu erwähnen? Formal ist sie ein Angebot für eine friedliche Lösung des Konflikts, das jedenfalls nicht unseriöser erscheint als die kroatische Ankündigung, Frieden werde es erst geben, wenn alle serbischen Gebiete der alten jugoslawischen Teilrepublik Kroatien wieder Zagrebs Kontrolle unterständen. Es wäre spannend zu erfahren, warum weder die offiziellen noch die Alternativpolitiker zur Probe aufs Exempel bereit sind. Ich bin sicher, es geht den meisten nicht um Frieden, sondern um die Durchsetzung kroatischer Maximalforderungen.
Dabei unterstelle ich der offiziellen Seite einfach mal handfeste materielle Interessen und gehe dem aus Platzgründen hier nicht weiter nach. Aber was ist mit denjenigen Alternativen, die ehrlich den Frieden wollen? Es darf vermutet werden, daß einige die Reintegration ins System fortsetzen, die mit der Annektion der DDR begann und im 2.Golfkrieg traurige Höhepunkte erreichte. Aber vielleicht ist eine scheinbare Kleinigkeit im Friedensforum aufschlußreicher: Auf Seite 8 ist eine offen rassistische antiserbische Karikatur aus der Süddeutschen Zeitung abgedruckt mit einer ausdrücklichen Distanzierung. Auf Seite 13 folgt eine Karikatur völlig gleicher Machart unkommeniert als Gestaltungselement der Redaktion! Einsichts- und Kritikfähigkeit reichen offenbar nicht einmal 5 Seiten weit, einen solch festen Platz hat das eurozentristische Ressentiment in alternativen Köpfen! Da sind Böse ("Pulverfaß Balkan") und Gute ("zivilisiertes Mitteleuropa") lokalisiert, ehe und ohne daß es erforderlich wäre, die Wirklichkeit zu Kenntnis zu nehmen.
Tudjman sagte es im Dezember so: "Serbien gehört einer ganz anderen Welt an, einer anderen Zivilisation. zwischen den Serben und uns gibt es eine Grenze." Sie in der Wirklichkeit für Serben so unüberwindbar zu machen, wie sie es in hiesigen Köpfen schon ist, ist das Ziel kroatischer Kriegspolitik und das Ergebnis aller freundschaftlichen Propaganda. Ob dieses Ergebnis bewußt gewollt oder einfach nur so erreicht wird, nur das unterscheidet offizielle und alternative Propagandisten der kroatischen Sache.