Kriegsdientsverweigerung - ungeliebtes Grundrecht

von Gregor Witt

Einen Sturm heftiger Attacken auf die Gewerkschaften löste Ende März die Informationskampagne von IG Metall-Jugend und DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner) zur Kriegsdienstverweigerung aus. Nachdem die IG Medien und die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) ihre. Unterstützung erklärt hatten, fand am 21. April auf Antrag der FDP sogar eine aktuelle Stunde im Bundestag dazu statt.

Aufhänger für den Vorwurf, die Initiatoren der Kampagne starteten einen "Generalangriff auf die Bundeswehr" (Kohl) bzw. machten einen "Schritt ins Verfassungsabseits" war der Satz: "Massenhafte, hunderttausendfache Kriegsdienstverweigerung kann zu einem unübersehbaren Druckfaktor auf die Regierenden werden, Abrüstung voranzutreiben!" Von Vertretern der Regierungsparteien wurde daraus ein "Aufruf. zu massenhafter Verweigerung". Selbst nachdem der IGM-Vorstand eine Richtigstellung vornahm, blieb es bei dieser selbstgestrickten Interpretation.
Auf einer Veranstaltung der DFG-VK zu Ehren der 1 Million KDV'er seit 1958 stellte das HBV-Vorstandsmitglied Christian Götz fest, wenn man den Satz vorbehaltlos lese, werde deutlich: "Die Aussage ist - angesichts von inzwischen einer Million Kriegsdienstverweigerern - objektiv richtig; völlig unabhängig davon, ob man die beschriebene Entwicklung lebhaft begrüßt, oder kategorisch ablehnt." Aber mit dieser Realität umzugehen fällt der Regierung offenkundig schwer. Legitimationskrise der Bundeswehr, sinkende "Wehrmotivation", sprunghaft wachsende KDV-Zahlen und zuletzt das Desaster mit der Wehrpflichtverlängerung stellen sie vor schwer lösbare Schwierigkeiten.
So wurde die aktuelle Stunde zur KDV zur Stunde des Bekenntnisses zur Bundeswehr und zum Generalangriff auf jene, die das KDV-Recht schützen und verwirklichen wollen. Bis auf die GRÜNEN sahen sich alle Rednerin-nen veranlaßt, ein Hohelied auf Wehrpflicht und Soldaten zu singen. Stoltenberg meinte in seiner Jungfernrede als Verteidigungsminister: "Wer zur massenhaften Kriegsdienstverweigerung aufruft, verfälscht ein kostbares Individualrecht, versucht Indoktrination, versucht, Massen emotional zu mobilisieren; um sie als Instrument im
politischen Kampf einzusetzen, und das ist zu verurteilen." Zwar verteidigten SPD-Redner die Information über das KDV-Recht, aber für Egon Bahr ist es auch Ziel sozialdemokratischer Politik, die KDV-Zahlen zu drücken (siehe Zitat S. 2).
Helles Entsetzen hatte bei einigen Ab¬geordneten offenbar ausgelöst, daß sich die Gewerkschaften noch aktiver für das KDV-Recht einsetzen. Alle Register unsachlicher und verleumderischer Polemik wurden gezogen, um zumindest Teile der Gewerkschaften zur Distanzierung von der Informationskampagne zu bewegen. Zu den Sumpfblüten der Debatte gehören solche absurden Angriffe wie "suggestive Bevormundung" (Lowack, CSU), "dumpfes kommunistisches Stammtischgelaber" (Kossendey, CDU) und die ungeheuerliche Unterstellung, es gebe Leute (gemeint sind IG Metall, DFG-VK und Pax Christi), für die "die Rote Armee…bereits eine Art Heilsarmee geworden (ist). Manchmal hat man den Eindruck, das gelte auch schon für Teile der Rote-Armee--Fraktion," (Fischer, CDU). Der von diesen Abgeordneten gewollte Effekt, die Gewerkschaften zu spalten, ist jedoch nicht eingetreten. Der DGB¬Vorsitzende Breit bekannte sich zwar kurz vor der aktuellen Stunde noch einmal zur gemeinsamen Erklärung von DGB und Bundeswehr zur Wehrpflicht aus dem Jahre 1981. Aber er wie auch andere GewerkschaftsvertreterInnen konnten nichts "verfassungswidriges" darin entdecken, wenn über KDV informiert wird. Ilse Brusis vom DOB rückte die Relationen mit den Worten zurecht: "Ich würde mir wünschen, daß in Bonn einmal ähnliche Aufregung über die Jugendarbeitslosigkeit herrscht, wie jetzt über die Informationskampagne zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung produziert wird."
Nunmehr hat sich auch der Bundespräsident in den Streit um das KDV-¬Recht eingeschaltet. In seiner Rede beim Staatsakt zum 40. Jahrestag des Inkrafttretens des Grundgesetzes meinte von Weizsäcker, " ... es wäre klarer, wenn im Grundgesetz vom Recht zur Verweigerung nicht des Kriegsdienstes, sondern des Wehrdienstes die Rede wäre. Er ist kein Kriegsdienst, sondern ein Kriegsverhinderungsdienst. Das sollte jeder wis¬sen, der sich legitimerweise prüft, ob er aus Gewissensgründen von seinem verfassungsmäßigen Recht der Verweigerung Gebrauch machen soll." Also nicht diejenigen, die Krieg vorbereiten und führbar machen helfen, die das Töten lernen und Massenvernichtungsapparate in Gang halten, sollen ihr Gewissen prüfen, sondern jene, die daran nicht mittun wollen. Obwohl er wenige Sätze zuvor "neues Denken auch bei uns" einfordert, lobt von Weizsäcker nicht die Denker des Neuen, sondern versucht, das uralte, historisch überholte und heute im Sinne des Wortes selbstmörderische Prinzip "Wenn Du den Frieden willst, mußt Du den Krieg vorbereiten" zu retten. Nachträglich gibt er damit den Wahlmännern und -frauen recht, die ihm keinen Vertrauensvorschuß zubilligen wollten, und gegen seine Wahl als Bundespräsident stimmten.
Der hier beschriebene Umgang mit dem KDV-Grundrecht zeigt zweierlei: zum einen, wie zutreffend in dem kritisierten Satz die politische Bedeutung der Verweigerung beschrieben ist. Zum anderen, wie wichtig eine Informationskampagne ist, mit der Jugendliche, insbesondere Auszubildende und junge Arbeitnehmer, die wegen ihres Bildungsstandes benachteiligt sind,

  • Informationen über das Grundrecht auf KDV und die Möglichkeiten seiner Wahrnehmung erhalten,
  • zur Verweigerung ermutigt werden,
  • und die Diskussion über die zukünftige Rolle und Funktion von Armeen vorangetrieben wird!     .

Über 260 Menschen und Gruppen aus der Friedensbewegung unterstützen die Kampagne und wollen sich daran beteiligen.

Informationsmaterial dazu gibt es bei:
IG Metall, Abt. Jugend, Wilhelm-Leuschner-Str. 79-85, 6000 Frankfurt 11, Tel.: 069-26 47 284 und beim DFG-VK-Bildungswerk, Braunschweiger Str. 22, 4600 Dortmund 1, Tel.: 0231-8180 31.

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