Krisen und Kriege in aller Welt

von Christine Schweitzer

Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gilt dieser Tage allein den Geschehnissen in Gaza. Selbst Irak und Afghanistan sind dahinter zurückgetreten, wobei man sicher sein kann, dass sie es wieder in die Schlagzeilen und die Fernsehnachrichten schaffen werden, sobald in Gaza erst einmal ein Waffenstillstand herrscht. Doch diese drei Länder sind nicht die einzigen Orte in der Welt, wo gewaltsame Konflikte stattfinden. Nach der Hamburger Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (www.akuf.de) waren es z. B.2006 weltweit 29 Kriege und 15 weitere bewaffnete Konflikte. Während die AKUF immer ein oder zwei Jahre rückwirkend berichtet, ist eine gute Quelle, sich tagesaktuell über Krisen und Kriege in aller Welt zu informieren, die täglich erscheinende News-Liste des kanadischen Human Security Report Projects. Sie informiert weltweit über Ereignisse und Entwicklungen, die gewaltsame Konflikte betreffen (http://www.humansecuritynews.info/). Im folgenden Beitrag sollen einige der eher wenig oder nicht beachteten Krisenherde vorgestellt werden.

Sri Lanka
Der rund zwanzig Jahre andauernde Bürgerkrieg in Sri Lanka ist in den letzten Wochen und Monaten in eine entscheidende Phase getreten. In Sri Lanka kämpft die singhalesische Regierung gegen tamilische Aufständische, die Tamil Tigers (LTTE), die die Unabhängigkeit ihres Territoriums fordern. Doch nachdem die LTTE durch eine Spaltung ihrer Organisation im Jahre 2003 entscheidend geschwächt wurde, sind Regierungstruppen seit dem letzten Jahr erfolgreich dabei, die von der LTTE kontrollierten Gebiete zurückzuerobern. Im Januar fiel ihr provisorischer Regierungssitz. Über Opferzahlen ist, da die Regierung keine unabhängigen Berichterstatter und auch kaum Hilfsorganisationen in die Kampfgebiete lässt, sehr wenig bekannt. Es muss aber auf der Basis der Erfahrung früherer Phasen dieses Krieges davon ausgegangen werden, dass die Zahl der Vertriebenen und Toten in die Zehntausende geht oder sogar noch höher ist. Die militärischen Erfolge der Regierung müssen dabei nicht heißen, dass der Konflikt demnächst beendet wird – denkbar ist, dass die LTTE auf der Basis von Guerilla- und Terroraktionen ihren Kampf noch lange fortsetzt. Und auch in den nicht von Krieg direkt betroffenen Regionen Sri Lankas ist die Situation schwierig. Menschenrechte werden eher klein geschrieben und politisch motivierte Entführungen und Morde haben in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen. Jüngstes Opfer ist ein prominenter Journalist und Herausgeber einer regierungskritischen Zeitung, der auf der Fahrt zur Arbeit erschossen wurde.

Uganda
Im Bürgerkrieg in Uganda zwischen der Regierung und der sog. „Lord Resistance Army“ (LRA) im Norden des Landes herrscht zwar seit fast drei Jahren ein Waffenstillstand, doch trotz mehrfacher Anläufe wurde immer noch kein Friedensabkommen unterzeichnet. Und die LRA hat ihre Aktivitäten weitgehend in die Demokratische Republik Kongo verlegt, die sowieso schon durch Bürgerkrieg erschüttert ist. Nach Angaben der UN hat sie dort seit September 2008 mindestens 537 Menschen getötet und 408 entführt. Über 100,000 Menschen sind auf der Flucht.

Somalia
Während die Piratentätigkeit vor Somalias Küste inzwischen von internationalen Marineeinheiten bekämpft wird, destabilisiert sich die Situation in Somalia derzeit weiter, ohne dass dies viel internationale Beachtung fände. Die ca. 3,000 Mann starken äthiopischen Truppen, die seit zwei Jahren in dem Land präsent waren, nachdem sie islamistische Gruppen bekämpft hatten, ziehen sich derzeit aus Somalia zurück, was von der großen Mehrzahl der Bevölkerung wie von der Interimsregierung begrüßt wird. Doch wird der Rückzug auch von Gewalt von Seiten islamischer Aufständischer begleitet, was die Besorgnis steigen lässt, dass das Land in Bürgerkrieg zurückfallen könnte.

Sudan
Der Sudan ist der Schauplatz von gleich zwei Konfliktherden. Der Konflikt zwischen dem islamisch geprägten Norden und dem christlichen Süden war 2005 durch ein Friedensabkommen beendet worden, doch derzeit steigen die Spannungen wieder. Ein britischer Think Tank warnte im Januar davor, dass die Wahlen, die für 2009 geplant sind, Anlass für neue Spannungen und in Folge vielleicht der Abspaltung des Südsudans sein könnten.

In Darfour, dem zweiten Konfliktherd, im Norden des Landes gelegen, gehen die militärischen Auseinandersetzungen inzwischen weiter. Im Januar bombardierte das sudanesische Militär Stellungen der Rebellen.

Pakistan-Indien
Die Spannungen zwischen Indien und Pakistan steigen derzeit, weil Indien Pakistan für die Terroranschläge in Mumbai (Bombay) verantwortlich macht. Es übergab der pakistanischen Regierung Untersuchungsunterlagen, aber wirft Islamabad vor, nicht zu handeln. Die Folge: Indien droht derzeit Pakistan, die wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte zu suspendieren.

Schlussbemerkung
Die fünf Beispiele hier stehen unglücklicherweise nicht allein. Die desolate Lage in Zimbabwe, die Gewalt in Griechenland, die Spannungen in Kenia, die ETA-Aktivitäten in Spanien, die Gewalt in Kolumbien, die nur oberflächlich befriedete Kaukasusregion, ethnisch motivierte Gewalt im Kosovo, der Bürgerkrieg in Burma, wiederaufflammende Gewalt in Mindanao (Philippinen) und einige mehr könnten alle ebenfalls aufgeführt werden. Vor diesem Hintergrund ist vielleicht zu verstehen, warum Menschen aus diesen Ländern, die in diesen Tagen die Proteste zum Gaza-Konflikt beobachten, sich mehr als sonst alleingelassen fühlen. Es wäre gut, wenn die Friedensbewegung sich daran erinnerte, dass auch kleine symbolische Zeichen der Solidarität viel Wert sind, und bei den nächsten Antikriegsprotesten – egal ob gegen Gaza, Afghanistan oder anlässlich des NATO-Geburtstages – auch dieser wenig beachteten Konfliktherde gedenken würde.

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Krisen und Kriege
Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.