Kritische Aktionäre 1990 - eine Bilanz

von Thomas Gerhards

Kritische Aktionäre sind auf den Hauptversammlungen bundes­deutscher, aber auch österreichischer, schweizer, niederlän­discher und US-amerika­nischer Konzerne längst keine Selten­heit mehr. Sie stellen kritische Fra­gen zur Geschäftspolitik und fordern die Beachtung ethischer Grund­sätze.

In diesem Jahr mußten sich u.a. die Deutsche, Commerz-, und Dresdner Bank, Bayer, BASF und Daimler - Benz unserer Kritik stellen.

Wir, die Kritischen Aktionäre, hatten angesichts der deut­schen Besoffenheit und wachsender Ostphantasien einen schwe­ren Stand:

Von Umweltgefahren, Verschuldung und Ausbeutung der Dritten Welt, Rü­stungsfinanzierung oder -produktion oder Geschäften mit Südafrika wollten die Vorstände einfach nichts mehr hö­ren und ließen es uns Kritiker spüren.

Zwar mußten sie unsere Gegenanträge - wie es das Aktiengesetz vorschreibt - allen ihren Aktionären zusenden, aber in der Jahreshauptversammlung zeig­ten sie sich weniger konziliant als vor Jahren. Kritischen Rednern wurde z.T. einfach das Mikrofon abgedreht und viele ihrer Fragen -die vom Vor­stand eigentlich beantwortet werden müs­sen- blieben offen.

Stattdessen präsentierte dieser den Aktionären und der Presse in Sieger­laune die wieder mal satten Profite.

Dabei war viel Kritisches anzumerken: Dank der massiven Proteste der letz­ten Jahre zeigten sich die Banken in­zwischen zum Schuldenerlaß für die Dritte Welt bereit, fordern von den Ländern aber nach wie vor den rui­nösen Gang zum IWF. Andererseits gewährten sie 1989 großzügig eine Umschuldung für Südafrika - ohne ir­gendwelche Bedingungen zu stellen.

Hatte sich Daimler-Benz in den ver­gangenen Jahren munter ein Rü­stungsimperium aufgebaut, und sich dabei viel Kritik zuge­zogen, so wie­gelte der Vorstand nun ab: Man produziere im wesentlichen Autos und der Schwerpunkt der Produktion habe nie bei Rüstungsgütern gelegen. Wir be­fürchten dagegen eher, daß Daimler, falls sich der Beschaffungsbedarf der NATO oder der Bundeswehr verrin­gern sollte, nun in andere Teile der Welt Waffen oder Rüstungsgüter ex­portieren will.

Gelungen war in diesem Jahr die in­ternationale Vernetzung unserer Ar­beit: Vertreter aus den Philippinen, Italien, Tür­kei, Südafrika, ôsterreich und der DDR sprachen über die Fol­gen der Geschäfte dieser Konzerne in ihren Ländern.

Unbefriedigend war für uns allerdings die Berichterstattung in den Medien. Auch sehen wir deutlich die Gefahr, daß sich die Aktionsform "Kritische Aktionäre" ritualisiert. Wir müs­sen überlegen, ob nicht weitere Ansatz­punkte für eine kriti­sche Auseinander­setzung mit bundesdeutschen Konzer­nen aufge­nommen werden müssten. Auch sind wir uns klar darüber, daß wir mit unserer Arbeit höchstens Nu­ancen der Geschäftspoli­tik der Kon­zerne verändern können, mehr nicht.

Wie sieht die Zukunft aus? Was uns fehlt, so meine ich, sind professionel­lere Strukturen. Es ist einfach nicht möglich, ehrenamtlich gegen die Ge­schäfte eines Konzerns anzugehen. Wir müssen die europäischen und in­ternationalen Kontakte weiter aus­bauen, den Kontakt zu den Gewerk­schaften verstärken, unsere Recher­chen verbessern und die laufende Presse systematischer verfolgen. Wenn uns diese Professiona­lisierung nicht gelingt, werden wir den kommenden Aufgaben kaum gewachsen sein.

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Thomas Gerhards, Kürfürstenstr. 68, 53 Bonn 1, 22 95 40, 31 Jahre alt, Schrei­ner/Dipl.Theologe und Sozialwissen-schaftler. Mitglied von Pax Christi Bonn und "Kritische Aktionäre der Deutschen Bank".