Kyritz-Ruppiner Heide: Der Rest ist Gnade

von Roland Vogt

Im Februar 1991 teilte das Bundeswehrkommando Ost in Strausberg dem Landrat des damaligen Kreises Wittstock, Christian Gilde, mit, die Bundeswehr strebe grundsätzlich keine Übernahme von sowjetischen Liegenschaften an. Die Menschen in der Region der Kyritz-Ruppiner Heide durften das als Entwarnung verstehen: Nach jahrzehntelangem Übungsterror würde zwischen Wittstock, Neuruppin und Rheinsberg eine Zeit himmlischen Friedens ausbrechen.

Im Vertrauen auf diese frohe Botschaft wurden Projekte und Konzepte zur zivilen Nachnutzung des ehemaligen "Bombodrom"-Geländes entwickelt. Auch Privatleute aus der Region im Vorfeld der Mecklenburger Seenplatte begannen in die touristische Infrastruktur zu investieren. So beispielsweise eine Familie in Kagar: Sie nahm Kredite bis zu einer Million DM auf, abgesichert durch Bürgschaften von Freunden und Familienangehörigen, um die Modernisierung eines ehemaligen Betriebsferiengeländes zu finanzieren.

Als der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe dann doch entschied, das einst sowjetische "Bombodrom" in einen deutschen Luft-Boden-Schießplatz verwandeln zu wollen, war der Schock groß.

Aber die Leute, die dort leben, ließen sich nicht lähmen. Sie organisierten binnen kurzem einen regionalen Volkswiderstand, der immer weitere Kreise zog und mittlerweile deutschlandweit Resonanz findet.

Allerdings lernten die Betroffenen schmerzlich, dass auf die "Große Politik" kein Verlass ist. Dafür stehen die Namen Scharping und Struck. Der eine versprach als Kanzlerkandidat, der andere als Fraktionsvorsitzender, dass, sobald ihre Partei im Bund regiere, das Projekt des Luft-Boden-Schießplatzes gestoppt, die Kyritz-Ruppiner Heide für die zivile Nutzung freigegeben werde. Durch einen wahrhaft teuflischen Schachzug des Schicksals wurden beide nacheinander Verteidigungsminister und setzten sich fortan mit aller Konsequenz für das einstige Rühe-Projekt eines Luft-Boden-Schießplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide ein.

Auch das Vertrauen der Landeskinder Brandenburgs in das Wort ihres jeweiligen Landesvaters und seiner Minister wurde arg strapaziert. Die SPD führt seit der Neugründung des Landes Brandenburg ununterbrochen die Regierung an. Eindeutig gegen den Luft-Boden-Schießplatz verhielt sie sich nur in der Ampelkoalition während der ersten Legislaturperiode. Als sie dann alleine regieren konnte, verschanzte sie sich hinter dem Argument, durch Stellungnahmen als Regierung nicht in laufende Gerichtsverfahren eingreifen zu wollen, und in der dann folgenden Großen Koalition nahm sie hinter der CDU des ehemaligen Generals und Hardthöhenstaatssekretärs Schönbohm Deckung.

Erst im Wahljahr 2004 kam auf erstaunliche Weise Bewegung ins Spiel. Im April dieses Jahres brachte die Unternehmerinitiative Pro Heide ein kleines Wunder zustande: sie überzeugte den CDU-Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns davon, dass es ruinös für die Erholungsregion unweit der Mecklenburgischen Seenplatte ist, wenn Ruhe suchende Touristen dort durch Tiefflüge und Schießlärm verschreckt werden. Junghanns vollzog einen Kurswechsel seines Ministeriums, das zuvor das Bundeswehrprojekt bei einer Anhörung "mit Nachdruck" befürwortet hatte. Er befreite so die Landes-SPD zu sich selbst

Seitdem gab es einen edlen Wettstreit der wahlkämpfenden Parteien um die Gunst der regionalen Bevölkerung, die ihre Position im April 2004 auf einer beeindruckenden Demonstration in Neuruppin vor mehr als zehntausend Teilnehmern zum Ausdruck brachte.

Auf Antrag von SPD und CDU beschloss der brandenburgische Landtag vor der Wahl am 19. September, auf Bundesebene gegen den Luft-Boden- Schießplatz vorgehen zu wollen.

Die spannende Frage, ob es sich dabei um ein Wahlmanöver oder um einen echten Kurswechsel handelte, ist mittlerweile beantwortet, denn die neu aufgelegte SPD-CDU-Regierung bezog auch in ihrer Koalitionsvereinbarung Stellung gegen den "ehemaligen Truppenübungsplatz" in der Kyritz-Ruppiner Heide.

Junghanns hatte bereits im April 2004 die Initiative für eine länderübergreifende Arbeitsgruppe Nordbrandenburg-Südmecklenburg ergriffen. Diese hat inzwischen unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Platzeck drei Mal getagt und versucht, die angestrebte zivile Umwandlung des 142 Quadratkilometer großen Geländes in einen weiteren regionalwirtschaftlichen Kontext zu stellen, wobei sich der Dreiklang aus Wald-, Seen- und Heidelandschaft für die Vermarktung als spezifische Erholungsregion anbietet.

Auf der großpolitischen Ebene bedeutet dies aber noch nicht viel. Der Bundesminister der Verteidigung, Struck, wartet auf den Ausgang der Gerichtsentscheidungen und meint dabei die besseren Karten zu haben. Er vertraut auf das Bundesverwaltungsgericht, das im Dezember 2000 der Bundeswehr zwar bis auf weiteres den Übungsbetrieb untersagt hatte, die Übernahme des einst sowjetischen Übungsplatzes durch die Bundeswehr aber gleichwohl für rechtmäßig erklärte.

Die Verhinderung des Luft-Boden-Schießplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide kann nach Lage der Dinge politisch nur zustande kommen, wenn der Bundesminister der Verteidigung das Projekt von sich aus stoppt oder wenn eine Mehrheit im Bundestag es aus dem Truppenübungsplatzkonzept von 1992 herausnimmt. Davon sind wir noch weit entfernt. Aber die Erfahrung mit dem Kurswechsel einer Großen Koalition in Brandenburg zeigt, dass man auch offen bleiben muss für das Unerwartete.

Die Bürgerinitiativenbewegung für eine FREIeHEIDe jedenfalls tut gut daran, weiterhin auf die eigene Stärke zu vertrauen und unverdrossen Bündnispartner im gesellschaftlichen Raum auch auf Bundesebene zu suchen. Selbst wenn wir die äußersten Anstrengungen unternehmen um unsere Ziele zu erreichen, müssen wir uns -frei nach Luther- immer wieder klarmachen: der Rest ist Gnade.
 

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Roland Vogt war von 1996-2006 Konversionsbeauftragter im Wirtschaftsministerium des Landes Brandenburg. Der Jurist und Diplompolitologe bezeichnet sich -wie bereits im Handbuch des 10. Deutschen Bundestags- als Friedensarbeiter. Er hat die AL Berlin und die Europagrünen mitgegründet und war Mitinitiator der Bürgerinitiative FREIeHEIDe.