Sieg für die Meinungsfreiheit in Siegen

Landgerichtsentscheid zu „Geheimnisverrat“

von Bernhard NolzJan Meyer-Krügel
Hintergrund
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Das Siegener Landgericht hat am 26. Februar 2021 den Friedensaktivisten Hermann Theisen in allen Punkten von der Aufforderung zum Geheimnisverrat gegenüber Bundeswehrsoldaten freigesprochen. Bernhard Nolz und Jan Meyer-Krügel vom Siegener Zentrum für Friedenskultur haben den Berufungsprozess begleitet und sehen, dass das Gericht gerade in Corona-Zeiten die Meinungsfreiheit gestärkt habe. Sie betrachten dies als ein Mut machendes Zeichen für alle Menschen, die aktuell um ihre Existenz kämpfen oder sich Sorgen um die Demokratie machen. Die Prinzipien der Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Gerichte als demokratische Errungenschaft müssten gewährleistet bleiben.

Im Berufungsprozess von Hermann Theisen aus Hirschberg ging es um schwerwiegende Vorwürfe: Auf Flugblättern habe er Bundeswehrangehörige aufgefordert, die Öffentlichkeit über die Hintergründe der atomaren Teilhabe Deutschlands sowie über die von der US-Airbase Ramstein gesteuerten Drohnen-Einsätze aufzuklären. Das käme Aufforderungen zum Geheimnisverrat und zu Straftaten gleich.

Wie kommt der Fall zum Landgericht nach Siegen? Hermann Theisen hatte seine Flugblätter im Jahr 2019 auch vor der Hachenberg-Kaserne in Erndtebrück (Kreis Siegen-Wittgenstein) verteilt. Deswegen verurteilte ihn das Amtsgericht Bad Berleburg zu einer Geldstrafe. Hermann Theisen war damit nicht einverstanden. Die anderen Anklagepunkte waren vom Gericht fallen gelassen worden. Das wiederum gefiel der Staatsanwaltschaft nicht. So landete die Sache beim Landgericht Siegen.

Wir konnten eine faire Verhandlungsführung der Vorsitzenden Richterin Hambloch-Lauterwasser erleben. Sie gab dem Angeklagten ausreichend Gelegenheit, seine gewaltfreien Aktionen zu erklären und seine Beweggründe darzulegen.

Wie ein Akt politischer Manipulation und unzulässiger Einflussnahme wirkte auf uns ein Gutachten des Bundesverteidigungsministeriums, das die Aufforderung zum Geheimnisverrat durch den Angeklagten als gegeben ansah. Es ist aber gerade die Bundeswehr, die sich durch die Geheimhaltung der öffentlichen Kontrolle entzieht, was Hermann Theisen seit 30 Jahren mit seinen Aktionen kritisiert.

Dem Staatsanwalt ist es zu verdanken, dass das Ministerium mit seinem Gutachten selbst dafür sorgen konnte, sein fragwürdiges Verhalten an den Interessen der Bevölkerung nach Frieden und Abrüstung messen zu lassen. Das Gericht zeigt mit seiner Entscheidung, dass es der Meinungsfreiheit in der politischen Auseinandersetzung einen hohen Rang einräumt. Es würdigt das friedenspolitische Engagement von Hermann Theisen und stellt es in den demokratischen Rahmen von Freiheit, Verantwortung und Partizipation.

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Bernhard Nolz ist Lehrer i. R., Sprecher der Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden, Aachener Friedenspreisträger.
Jan Meyer-Krügel ist ehrenamtlich im Siegener Zentrum für Friedenskultur tätig.