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Hintergrund
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Friedensforum 5/2020, S. 29: Covid-19 und Ziviler Widerstand sowie S. 25 „Auf in die Diktatur! Die Auferstehung meines Nazi-Vaters in der deutschen Gesellschaft“

Über die Interview-Aussage des skandinavischen Friedensforschers Jörgen Johansen im „Friedensforum“, dass er „gewaltlose Faschist*innen“ „gewaltsamen Faschist*innen“ vorziehe, bin ich maßlos erschrocken. Warum? Es gibt keinen gewaltlosen Faschismus, ergo auch keine „gewaltlosen Faschist*innen“, genauso wenig wie man nur ein „bisschen schwanger“ sein kann. Die Gewalt beginnt immer erst im Kopf sowie durch die dort rezipierten Theorien: Sie, die Gewalt, ist Basis des gesamten Konstrukts des Faschismus. Gerade im Kontext der Proteste gegen eine angebliche „Corona-Diktatur“ und weitere angebliche „Diktaturen“ im heutigen Deutschland verbietet es sich für jeden humanistisch eingestellten Menschen, die Augen vor den neuen „Rattenfängern“ zu verschließen, ein von rechtsextremer Seite geschürtes „Volksfrontgefühl gegen die da Oben“ zu feiern und zu glauben, dass das am Ende alles für eine „gute Sache“ und daher zweitrangig sei, mit wem man marschiere. Zivilgesellschaftliche Aktionen und die in friedlichen Protesten geäußerten Sorgen um zu kritisierende Zustände in einem demokratischen Gemeinwesen erfordern immer auch eine profunde politische Analysefähigkeit der Organisatoren, wer, mit wem, warum Seite an Seite marschieren will. Viele Begriffe, die heute verwendet werden, um in demagogisch-kritischer Weise auf das „SYSTEM“ zu zeigen, gehören zum alten Nazi-Sprech aus den 20er und frühen 30er Jahren und sind eigentlich schnell zu entlarven. Digitale Medien, Filterblasen, Fake News, „Alternative Fakten“ und das blitzschnelle Verbreiten und stumpfe Rezipieren jeder noch so abstrusen Verschwörungs-Theorie katalysieren allerdings einen hoch gefährlichen gesellschaftlichen Prozess in aberwitziger Geschwindigkeit. Daher gilt heute mehr denn je: keinen Fußbreit den Faschisten und Rechtsextremisten, egal unter welcher Flagge sie mit wem auch immer gerade segeln möchten. Hut ab vor Niklas Frank, der aktuell in seinem neuen und im „Friedensforum“ besprochenen Buch „Auf in die Diktatur! Die Auferstehung meines Nazi-Vaters in der deutschen Gesellschaft“ auch in hohem Alter erneut vor dieser größten politischen Gefahr warnt!

Wolfram Geier

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