Buchbesprechung: Erfolgreiche zivile innergesellschaftliche Konfliktbearbeitung

Longo mai: Ein kühnes Projekt

von Andreas Buro

Ende der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatten wir alle gelernt, wie eng innergesellschaftliche Entwicklung und außenpolitisches Verhalten miteinander verknüpft sind. Es ginge also nicht nur darum, Kriege zu verhindern, sondern auch darum, Demokratisierung, Selbstbestimmung - manche sprachen gar von Autonomie - in den europäischen Gesellschaften voranzutreiben – selbstverständlich nicht mit Gewalt, sondern über soziale Lernprozesse und den Aufbau ihnen entsprechender Strukturen.

Beatriz Graf erzählt die Geschichte eines der wichtigsten Projekte, das viele unter dem Namen Longo mai kennen. Dies heißt auf gut provencalisch: "Es möge lange bestehen."

Longo mai, die europäische Kooperative, besteht tatsächlich schon seit 36 Jahren. 1973 wurde sie aus dem damaligen Geist des Aufbruchs und der großen Utopien von meist jungen Menschen aus der Schweiz und Frankreich ins Leben gerufen. Heute hat sie in mehreren Ländern weitere Kooperativen gegründet. In Deutschland ist es der Ulenkrug in Mecklenburg-Vorpommern. Sie ist wirklich europäisch, ja sogar weltweit, wenn man die „Flüchtlingskooperative Finca Sonador“ in Costa Rica einbezieht.

Hier können nicht die vielen Angriffe und Gemeinheiten der etablierten Gesellschaft in Frankreich und der Schweiz, die enormen Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, der Enthusiasmus und verbissene Einsatz für ein selbstbestimmtes Leben und die vielen internationalen Aktionen von Longo mai beschrieben werden, von denen Beatriz Graf berichtet. Das Erstaunlichste: Es ist gelungen, das Projekt lebendig und politisch zu halten. Es konnte nicht integriert werden. Vielleicht wird es durch die gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzkrise neue Anstöße erfahren, indem mehr junge Menschen und auch Ältere versuchen, sich aus den gesellschaftlichen Zwängen zu befreien. Beatriz Graf erzählt die spannende Geschichte eines großen Projekts, das nach 36 Jahren noch immer nach vorn offen ist.

Beatriz Graf: Longo mai – Revolte und Utopie nach ’68. Gesellschaftskritik und selbstverwaltetes Leben in den Europäischen Kooperativen, Thesis Verlag, ISBN 3-908544-88-2

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