Machtproben im Kaukasus

von Frank Bärmann

Seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 befindet sich der Kaukasus in einer Krise. Verantwortlich ist nicht nur separatistisches Interesse einzelner Ethnien, sondern der Einfluss internationaler Politik. Zur Zuspitzung des jüngsten Konflikts im August 2008 haben alle Kriegsparteien beigetragen.

Durch den Zusammenbruch der Sowjetunion hat Russland seine Position als Weltmacht verloren, während die Kaukasusrepublik Georgien von Interesse für die Weltpolitik wurde. Georgien ist ein kleines Land und besteht zu einem Großteil aus unwegsamem Hochgebirgsland. Seine Bevölkerung ist bettelarm. Rohstoffe gibt es nur wenig und Industrie nicht viel. Allein die geographische Lage zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer macht diese Region für Europa und die USA interessant.

Georgien ist zum Transitland für Öl und Gas aus dem kaspischen Raum nach Europa geworden. Die USA propagierten den Bau der transkaukasischen Ölpipeline Baku-Tiflis-Ceyhan seit Ende der 90er Jahre mit dem Ziel, weniger auf das Rohöl aus dem Persischen Golf angewiesen zu sein. Und in wenigen Jahren soll die geplante Pipeline „Nabucco“ Europas Gasversorgung von Russland unabhängig machen. Damit verliert Russland seine Monopolstellung im europäischen Gasgeschäft. Diese Konstellation ist für die russische Regierung bedrängend.

Alleine unter diesem Gesichtspunkt kam der jüngste Kaukasuskonflikt Russland gelegen. Anfangs hatte sich Russland wenig um die Autonomiebestrebungen Südossetiens und Abchasiens gekümmert. Zu Beginn der bewaffneten Konflikte Anfang der 90er Jahre wurde Abchasien gegen die georgischen Truppen ausschließlich durch die Konföderation der Bergvölker des Kaukasus unterstützt. Zu der Konföderation, einem Zusammenschluß nordkaukasischer autonomer Republiken, gehören u. a. Inguschetien und Tschetschenien.

Inzwischen nutzt Russland das separatistische Interesse Abchasiens und Südossetiens gerne für seine militärische Präsenz an der Grenze zu Georgien. Selbst das zeitlich späte Eingreifen Russlands im vergangenen August könnte militärstrategisch begründet sein. Die südossetische Hauptstadt Zchinwali war fast völlig zerstört, als Russland zwei Tage nach Kriegsbeginn in Südossetien einmarschierte, obwohl russische Einheiten bereits seit Monaten in Nordossetien zum Manöver stationiert waren. Man darf vermuten, dem georgischen Militär sollte Gelegenheit zum Zerstören, Morden und Plündern geboten werden, um spätere Racheakte wie das Bombardieren der Ölpipeline oder die Seeblockade zu legitimieren. Das Leid in diesem Machtkampf trägt die ohnehin geplagte Bevölkerung.

Schon seit seinem Amtsantritt Anfang 2004 war die Eingliederung der abtrünnigen Regionen durch die Wiederherstellung der territorialen Integrität erklärtes Ziel des neuen georgischen Präsidenten Saakaschwili. Gerade wegen solcher nationalistischer Positionen hatte er die Wahl gewonnen. Die Reintegration Adschariens gelang Saakaschwili bald, aber er scheiterte mit seinem Vorhaben in Südossetien und Abchasien. Doch damit wollte sich Saakaschwili nicht begnügen, baute in den vergangenen Jahren unter enormen Staatskosten eine schlagkräftige Armee mit modernster Ausrüstung auf und glaubte an eine militärische Lösung des Problems. Bereits im April 2008 beobachtete das georgische Militär Abchasien durch mehrere unbemannte Aufklärungsdrohnen, während in Georgien die Armee gemeinsam mit ca. tausend US-amerikanischen Soldaten Kampfübungen praktizierte.

Hinzu kam noch die innenpolitisch schwierige Situation Saakaschwilis. Bisher konnte er keines seiner Wahlversprechen einlösen. Seiner Regierung fehlt schon seit längerem der Rückhalt in der Bevölkerung. Im November 2007 forderten Demonstranten und Opposition auf Massenprotesten Saakaschwilis Rücktritt. Bei den Neuwahlen Anfang 2008 konnte sich Saakaschwili mit 53% nur knapp behaupten, während er vier Jahre zuvor noch über 90% der Wählerstimmen erhielt. Trotz des wirtschaftlichen Wachstums in den vergangenen Jahren haben sich die Lebensbedingungen für die breite Bevölkerung kaum verbessert, während die Rüstungsausgaben rasant angestiegen sind.

Militärisch hat Saakaschwili den Kaukasuskrieg im August 2008 verloren. Doch politisch war er ein Erfolg. Im Innern thematisiert die Opposition nicht mehr Saakaschwilis Versagen, sondern die Wahrung der nationalen Einheit. Und außenpolitisch gelang es Saakaschwili, sich in der EU und der NATO als Opfer russischer Aggression zu präsentieren.

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Krisen und Kriege
Frank Bärmann ist Mitarbeiter von Connection e.V. Hintergründe zum Kaukasuskonflikt vermittelte eine bundesweite Veranstaltungsreihe vom 2. bis 13. Februar 2009 mit dem in Moskau lebenden Historiker und Anarchosyndikalisten Vadim Damier. Veranstaltet wurde die Vortragsreise von Connection e.V. und von der DFG-VK Hessen. Dokumentiert ist die Veranstaltung unter www.connection-ev.de und in einer speziell zu diesem Anlaß herausgegebenen Broschüre.