Was ist das, wofür wird sie eingesetzt?

Mediation

von Cornelia Timm
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"Ist der Kontakt wieder hergestellt, findet uns die Lösung von allein." Dieser Satz des amerikanischen Mediators Marshall B. Rosenberg ist eine Kernaussage über die Mediation. Er bedeutet, dass das Wichtigste am Mediationsverfahren die Annäherung der Konfliktparteien ist. Wenn es ihnen gelingt, wieder in Ruhe miteinander zu sprechen, ist eine Lösung oft nicht mehr weit.

Die Mediatorin hat die Aufgabe, die Konfliktparteien bei dieser Kontaktaufnahme einfühlsam zu unterstützen und den Dialog in eine Richtung zu lenken, in der gemeinsame Interessen herausgefunden werden können, so dass am Ende eines Mediationsprozesses möglichst eine Win-win-Lösung steht, d.h., dass keine der beiden Parteien verliert. Die Lösung des Konfliktes liegt allein bei den Konfliktparteien, denn nur sie haben die Kompetenz, die für sie richtige Lösung zu finden. Da sie mit dieser Lösung leben müssen, haben sie auch die Verantwortung dafür. Die Mediatorin dagegen hat die Verantwortung für den Prozess der Mediation. Hier besteht ein wesentlicher Unterschied zu Gerichts- oder Schiedsverfahren, in denen von einem Außenstehenden ein Urteil gesprochen wird, das bestimmten Normen und Gesetzen unterliegt und meistens einen Sieger und einen Besiegten zurücklässt.

Wie hat das Ganze nun begonnen? Bereits im Mittelalter soll es Mediatorinnen gegeben haben, pardon, natürlich Mediatoren, denn zu dieser Zeit wurden solche Aufgaben wahrscheinlich nur von Männern ausgeführt. Der Historiker Hermann Kamp weist in seinem Buch "Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter" (Darmstadt 2001) nach, dass in politischen Konflikten, besonders in Auseinandersetzungen um Herrschaftsrechte, die oft gewalttätig ausgetragen wurden, schon frühzeitig Vermittler tätig waren.

Es hat noch einmal ein paar hundert Jahre gedauert, bis die Mediation "gesellschaftsfähig" wurde. In den letzten Jahren hat sie einen regelrechten Boom erlebt. Schon seit etwa 30 Jahren ein verbreitetes Verfahren zur Konfliktlösung in den USA, ist sie in Deutschland gerade in die Pubertät gekommen und entwickelt sich zur Zeit rasant weiter. Allein die Anzahl der Bücher über Mediation ist in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen; ein deutliches Zeichen für ein großes Interesse - und leider auch ein Zeichen für einen Markt, der sich sehr schnell entwickelt und manchen Menschen das Gefühl vermittelt, hier ebenso schnell eine neue Verdienstquelle aufzutun.
 

Es gibt inzwischen eine große Anzahl von Aus- und Fortbildungsveranstaltungen in diesem Bereich, aber meiner Meinung nach ist Mediation lernen wie Auto fahren lernen: Man lernt die Schritte, lernt die Haltung, übt bestimmt Redewendungen, aber erst die Erfahrung beim Anwenden macht nach und nach eine gute Mediatorin aus. Insofern reicht es nicht aus, ein noch so gutes Buch über Mediation zu lesen. Man muss es tun!

Möglichkeiten dazu gibt es reichlich: Konflikte im familiären Bereich, Paarkonflikte, Nachbarschaftskonflikte, Konflikte am Arbeitsplatz, aber auch politische Konflikte, besonders Umweltkonflikte sind neben vielen anderen für die Mediation geeignet. In politischen Konflikten ist der Ausgleich der oft sehr unterschiedlichen Machtverhältnisse eine besondere Herausforderung für die Mediatorin.

Wie geht es denn nun? Das Schwierigste am Mediationsprozess ist, die Konfliktparteien an einen Tisch zu bekommen. Konflikte sind oft mit Ängsten und Unsicherheiten verbunden, die nicht gerade dazu beitragen, selbstbewusst in einen Konfliktlösungsprozess einzusteigen. Hier ist bereits die einfühlsame Haltung der Mediatorin gefragt, die Vertrauen schaffen muss, um die Bereitschaft zur Teilnahme an einer Mediation zu fördern. Freiwilligkeit ist hier oberstes Gebot, denn nur dann kann sich ein offenes Gespräch entwickeln.

Ein Mediationsgespräch verläuft in festgelegten Phasen, von der Einleitung über die Darstellung der Sichtweisen der Parteien und die Aufdeckung der Hintergründe dieses Konfliktes bis hin zu einer Lösung, die schriftlich vereinbart wird. Das Wichtigste ist die Atmosphäre, für die die Mediatorin verantwortlich ist. Das beginnt schon mit der Gestaltung des Raumes, in dem sich die Konfliktparteien so wohl wie möglich fühlen sollen. Ein fester Zeitrahmen, die Erklärung und Darstellung des Prozesses, vereinbarte Regeln und vor allem die zugesicherte Vertraulichkeit erleichtern den Anwesenden, eine Mediationssitzung "durchzuhalten".

Die Mediatorin hat vor allem die Aufgabe einer guten Moderation des Gespräches, wobei sie jedoch die Zügel fest in der Hand haben sollte. Ihre Haltung muss geprägt sein durch Allparteilichkeit, d.h., dass sie die Parteien gleichermaßen unterstützt, durch Akzeptanz der Personen, die vor ihr sitzen, egal, was sie berichten und durch Anerkennung der von den Konfliktparteien hier in diesem Prozess geleisteten Arbeit.

Es ist ausgesprochen spannend, mitzuerleben, wie Menschen, die anscheinend nicht mehr unter Einhaltung normaler Gesprächsregeln miteinander kommunizieren können, Schritt für Schritt wieder in einen Kontakt kommen. Manchmal entsteht gegen Ende des Prozesses im Überschwang der Gefühle eine regelrechte Euphorie, die eine gute Mediatorin insofern bremsen muss, als dass nur Vereinbarungen getroffen werden, die auch wirklich umsetzbar sind. Ist die Lösung schriftlich fixiert und von allen Beteiligten unterzeichnet, bietet es sich an, dass die Mediatorin einen Termin vereinbart, der dazu dient, die Realisierung der Lösung zu überprüfen.

Schade ist, dass Mediation nicht immer funktioniert; schade ist auch, dass manche Menschen aus Angst, sich Blößen geben zu müssen, diese Form der Konfliktbearbeitung ablehnen. Aber zum Glück gibt es inzwischen viele, die sich getraut haben, einen Mediationsprozess zu durchleben und dazu beitragen, dieses wirklich konstruktive Verfahren bekannt zu machen.

Als Mediatorin muss ich übrigens manchmal ganz schön Federn lassen, nämlich dann, wenn die Kontrahentinnen sich wieder gut verstehen und meinen, eigentlich hätten sie mich doch gar nicht gebraucht. - Ich glaube, dann war die Mediation wirklich gut.

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Cornelia Timm, ORCA-Institut für Konfliktmanagement und Training in Minden, Mitarbeiterin im Internationalen Versöhnungsbund