Mediation - Streit nach Regeln

von Chritel Könemund
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Streit will gelernt sein - zumindest, wenn damit eine fruchtbare Ausein­andersetzung gemeint ist, die nicht im "Zuschlagen sämtlicher Türen" mündet und die betroffenen im Regen stehen läßt. Doch genau das passiert allzu oft: Nach eskalierten Streitgesprächen mit gegenseitigen Schuldzuweisungen, Beleidigungen und Vorwürfen ist der Gegner es nicht mehr wert oder sind die Verletzungen zu groß, sich mit ihm aus­einanderzusetzen; die Beziehung bricht ab. Stehen Forderungen und Ansprüche aus, so werden diese per Gericht oder Schiedsgericht ent­schieden - womit (hoffentlich) bestem Wissen und Gewissen "Recht" gesprochen wird.

Der Konflikt ist damit nicht gelöst. Es wird von Dritten eine Entscheidung ge­troffen, der sich die Betroffenen fügen, oder gegen die sich die Benachteiligten mit einer Anfechtung des Urteils zur Wehr setzen.

Mediation nimmt keine Entscheidungen ab. Sie gibt den Konfliktbeteiligten die Entscheidungskompetenz zurück. Ziel sind einvernehmliche, für alle tragbare Lösungen.

Bei Mediation handelt es sich um ein Vermittlungsverfahren im Konflikt, zu dem sich die Konfliktbeteiligten außer­gerichtlich und freiwillig zusammenfin­den. Das Verfahren wird von unpartei­ischen Dritten geleitet, die das Ver­trauen aller Beteiligten genießen müs­sen. Nur so kann der Prozeß der Media­tion in Gang gesetzt werden. Dabei geht es darum, die Beteiligten in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich an der Klärung des Konfliktes und an einer möglichen Lösung zu arbeiten.

Seit gut 20 Jahren wird in den USA (und mittlerweile in vielen anderen Staaten) mit Mediation gearbeitet. Sie hat vor allem Eingang im Trennungs- und Scheidungsbereich, in Schul- und Nach­barschaftskonflikten, sowie in Umwelt­konflikten gefunden.

Doch auch in Rassenkonflikten, zwi­schen Führern von Bürgerkriegsparteien oder zwischen Regierungen und ethni­schen Minderheiten gab es Mediationen. Sehr bekannt wurde der Konflikt zwi­schen den Miskitoindianern und der sandinistischen Regierung, der durch Vermittlung gelöst wurde.

Adam Curle, einer international erfahre­ner Mediator, weist darauf hin, daß Me­diation für viele unterschiedliche Leute, viele unterschiedliche Leute, viele un­terschiedliche Bedeutungen hat." (Dies sei damit zu begründen, daß "Mediation" im angelsächsischen Sprachgebrauch schlicht Vermittlung bedeute, ohne damit ein Konfliktlö­sungsverfahren einzuschließen.) Allens Vorstellungen gemeinsam sei jedoch, daß sich Mediatorinnen zwischen zwei streitenden Parteien befinden. Sie haben mit Männern, Frauen ... Menschen und deren Einstellungen und Haltungen zu tun, von denen es abhängt, ob sich Kon­flikte verschärfen oder zum Frieden füh­ren. (1)

So sind die Menschen selbst wichtigster Bestandteil des Prozesses, der Verände­rung einleitet.

Mediation sucht keinen Kompromiss - und erst recht keinen faulen

"Ohne Kompromisse geht es nicht, da müssen wir alle etwas nachgeben." Die­ser Satz ist uns nicht fremd. Er appel­liert an unsere Kompromissbereitschaft. Dort, wo Menschen zusammenleben, können nicht alle ihren Willen durchset­zen. Jede/r muß Abstriche machen und sich zurücknehmen. So wird allgemein der Kompromiss als die gerechteste Lö­sung angesehen. Man trifft sich in der Mitte; jede/r hat gleich viel abgeben müssen - was will man mehr?

Mit dieser Sichtweise sind keine kreati­ven, neuen Lösungen möglich. Trennen sich Eltern in "streitigert Auseinander­setzung", wird das alleinige Sorgerecht per Gerichtsurteil zugeteilt. Der Verlie­rer / die Verliererin darf nach einer ver­einbarten Besuchsregelung die Kinder sehen. Befriedigend ist diese Lösung nicht - weder für die Kinder, noch für den ins Abseits degradierten Elternteil. Dem Interesse der Kinder nach einer gleichwertigen Beziehung  zu den Eltern ist damit nicht gedient. Die beste Lö­sung für alle Beteiligten muß das wohl und die Bedürfnisse der Kinder ein­schließen.

Um den Blick (und das Herz), trotz der emotionalen Betroffenheit, auch für die Interessen der Kinder frei zu bekommen und geeignete Formen für ein gemein­sames Sorgerecht zu finden, ist die Ar­beit mit Mediation hilfereich. Sie er­möglicht den Eltern, in eine offene, konstruktive Kommunikation zu gehen. Damit werden Vereinbarungen möglich, die den, Kindern die größtmögliche Un­terstützung und eine lebendige Bezie­hung zu den Eltern ermöglichen.

Der Gewinn dieser Lösung ist, das sie nicht "auf ewig" festgeschrieben wird, sondern den sich verändernden Le­benssituationen angepaßt werden kann.

Kompromisse behindern die Chance, Konflikte als Kristallisationspunkte für Veränderung zu sehen. Lösungen, die einen Gewinn für alle Beteiligten bieten, können nicht auf der Ebene gefunden werden, wo sich die Streitenden ihre Po­sitionen um die Ohren schlagen, einan­der fertigmachen und abwerten, um selbst als die/der Stärkere, Bessere ... dazustehen.

Welchen Nutzen bringt Mediation in politischen Konflikten?

Das Dortmunder Institut Kommunika­tion und Umwelt (iku) weiß von etwa 2 Dutzend laufenden Mediationsverfahren im Umweltbereich in der Bundesrepu­blik. (2) Dank einer kritischen Öffent­lichkeit, die Widerspruch organisierte, wird das Nein, das gesundheits- und umweltschädigenden Projekten entgeg­net wird, immer häufiger laut.

Wenn eine Kommune z.B. eine Müll­verbrennungsanlage bauen will, so gibt es gute Gründe, sich dem Vorhaben zu widersetzen. Vereinfacht gesagt steht dem Ja der Kommune das Nein kriti­scher BürgerInnen gegenüber. Kommt es zu einem Mediationsverfahren, stel­len die von dem Vorhaben betroffenen Menschen (bzw. VertreterInnen ver­schiedener Gruppierungen) ihre Sicht­weisen dar. Es wird deutlich, wer von dem Vorhaben profiliert (von Steuereinnahmen bis zur Schaffung von Arbeitsplätzen), welche Umweltzerstö­rungen mit dem Bau verbunden sind, welche gesundheitsschädlichen Auswir­kungen zu erwarten sind, ... Bewusst wird auch, daß die Kommune einem massiven Handlungsdruck ausgesetzt ist, da sie im Müll zu ersticken droht. Darüberhinaus wird allen klar, daß sich niemand dem Müllproblem entziehen kann und jede/r Teil des Problems ist. Das gesellschaftspolitische Verände­rungspotential dieses Konfliktes ist auch hier nicht der Kompromiss: kleinere Müllverbrennungsanlage, bessere Luft­filter ... Das Veränderungspotential kommt erst dort zum Tragen, wo bis an die Wurzeln des Konfliktes vorgedrungen wird: Wenn deutlich wird, daß der Müll nur ein Symptom für eine Wirt­schaftsentwicklung ist, die sich an vielen Stellen schon längst gegen die Bedürfnisse der Menschen gerichtet hat. Wenn die Bereitschaft vorhanden oder gewachsen ist, sich den tieferliegenden Problemen zu stellen, kann auch hier Kooperation entstehen. Trotz unter­schiedlichen Positionen, können sich gemeinsame Interessen entwickeln aus denen einvernehmliche Lösungen??? und alle gewinnen. Das Müllbeispiel zeigt daß es auch im pol. Bereich nicht reicht, Verantwortlichkeiten einseitig zu verteilen und den anderen die Lösung der Probleme zuzuschieben. Bei ge­nauem Hinsehen werden Abhängigkei­ten sichtbar, die nur gemeinsam lösbar sind. Als Modellprojekt in Umweltme­diation gilt die Auseinandersetzung um die Sondermülldeponie in Müncheha­gen. Dort ging es um Müllbeseitigung, Altlasten, Luftverschmutzung, Ver­kehrsplanung und Naturschutz. "Besonders auf Seiten der Bürgeri­nitiativen und Umweltschutzorganisa­tionen gab es in Münchehagen anfäng­lich Bedenken und Widerstände gegen das Mediationsverfahren. Zu viele ne­gative Erfahrungen hatte man bereits mit sogenannter "Bütgerbeitigung" ge­macht.

Als positiver Ergebnisse wurden ge­nannt:

-     Die ehemals zerstrittenen Par­teien arbeiten nun sachlich nun sachlich und konstruktiv zusammen

-     Feindbilder wurden abgebaut

-     Die Gersprächsatmosphere ist offen und vertrauensvoll.

-     Früher beklagte Informations­defizitte konnten abgebaute werden

-     Für viele der bisher kontrovers diskutieren Probleme gab es einver­nehmliche Lösungen. (...)

Von Seiten der BI Münchehagen wurde noch genannt:

-     Die Arbeitsbedingungebedin­gungen für die BI wurde durch die Ein­richtung und Finanzierung eines Bür­gerbüros erheblich verbessert.

-     Die BI hat die Möglichkeiten, eigene GutachterInnen mit der Klärung bestimmter Probleme zu beauftragen und finanziert zu bekommen

-     Einige wichtige Ziele der BI wurden bereits erreicht.

-     Das Fachwissen des Mediators habe maßgeblich dazu beigetragen, Lö­sungen zu finden und umzusetzen.

Als Aufgaben einer MediatorIn wurden - wohl aufgrund der eigenen po. Erfah­rungen genannt:

-     Stimmung aufnehmen

-     schauen, daß niemand über den Tisch gezogen wird

-     politische Fensterreden unter­brechen

-     dafür sorgen, daß ausdiskutiert und nicht vorschnell Ergebnisse ange­steuert werden.

Als kritische Punkte wurden benannt

-     Der Info-Fluß zurück in die BI sei schwierig und aufwendig

-     Die Landesregierung habe die Möglichkeit [... nicht leserlich das Fax versagt hat...]

-     Die Erwartung, daß Probleme schnell abgehandelt werden können, habe sich nicht erfüllt.

Kritisches Fazit der BI Münchenhagen: "Trotz vielfältiger `Mängel`muß aus un­serer Sicht gesagt werden, daß es zu diesem mühevollen Verfahren z.Z. keine Alternative gibt." (3)

Mediation macht Menschen Mut, daß sich ihr Einsatz doch lohnt. Sie stärken Menschen, im kleinen wie im großen, Konflikte positiv zu sehen, um daran zu wachsen und reife Lösungen zu suchen. Mediation ist keine Wundermittel, doch sicher ein guter Weg, um kooperative Denken zu fördern und die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung zu stärken.

 

(1) vgl. Curle Adam, Tools for Transformation, Apersonal Study, S. 26, Ha­wthorn Press, 1990

(2) vgl. Eybisch Cornelia Mediation: Wenn zwei sich streiten ... in: Psycholo­gie Heute, März 95, Heft 3, S. 46

(3) Besemer, Christoph, Gewaltfreie Konfliktlösung durch Vermittlung in: gewaltfreie aktion, 25. Jhrg., 3+4 Quar­tel 1993, S. 47 und 48.

 

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Chritel Könemund arbeitet seit 2 Jahren in Mediationsbereich.