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Mediation - Streit nach Regeln
vonStreit will gelernt sein - zumindest, wenn damit eine fruchtbare Auseinandersetzung gemeint ist, die nicht im "Zuschlagen sämtlicher Türen" mündet und die betroffenen im Regen stehen läßt. Doch genau das passiert allzu oft: Nach eskalierten Streitgesprächen mit gegenseitigen Schuldzuweisungen, Beleidigungen und Vorwürfen ist der Gegner es nicht mehr wert oder sind die Verletzungen zu groß, sich mit ihm auseinanderzusetzen; die Beziehung bricht ab. Stehen Forderungen und Ansprüche aus, so werden diese per Gericht oder Schiedsgericht entschieden - womit (hoffentlich) bestem Wissen und Gewissen "Recht" gesprochen wird.
Der Konflikt ist damit nicht gelöst. Es wird von Dritten eine Entscheidung getroffen, der sich die Betroffenen fügen, oder gegen die sich die Benachteiligten mit einer Anfechtung des Urteils zur Wehr setzen.
Mediation nimmt keine Entscheidungen ab. Sie gibt den Konfliktbeteiligten die Entscheidungskompetenz zurück. Ziel sind einvernehmliche, für alle tragbare Lösungen.
Bei Mediation handelt es sich um ein Vermittlungsverfahren im Konflikt, zu dem sich die Konfliktbeteiligten außergerichtlich und freiwillig zusammenfinden. Das Verfahren wird von unparteiischen Dritten geleitet, die das Vertrauen aller Beteiligten genießen müssen. Nur so kann der Prozeß der Mediation in Gang gesetzt werden. Dabei geht es darum, die Beteiligten in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich an der Klärung des Konfliktes und an einer möglichen Lösung zu arbeiten.
Seit gut 20 Jahren wird in den USA (und mittlerweile in vielen anderen Staaten) mit Mediation gearbeitet. Sie hat vor allem Eingang im Trennungs- und Scheidungsbereich, in Schul- und Nachbarschaftskonflikten, sowie in Umweltkonflikten gefunden.
Doch auch in Rassenkonflikten, zwischen Führern von Bürgerkriegsparteien oder zwischen Regierungen und ethnischen Minderheiten gab es Mediationen. Sehr bekannt wurde der Konflikt zwischen den Miskitoindianern und der sandinistischen Regierung, der durch Vermittlung gelöst wurde.
Adam Curle, einer international erfahrener Mediator, weist darauf hin, daß Mediation für viele unterschiedliche Leute, viele unterschiedliche Leute, viele unterschiedliche Bedeutungen hat." (Dies sei damit zu begründen, daß "Mediation" im angelsächsischen Sprachgebrauch schlicht Vermittlung bedeute, ohne damit ein Konfliktlösungsverfahren einzuschließen.) Allens Vorstellungen gemeinsam sei jedoch, daß sich Mediatorinnen zwischen zwei streitenden Parteien befinden. Sie haben mit Männern, Frauen ... Menschen und deren Einstellungen und Haltungen zu tun, von denen es abhängt, ob sich Konflikte verschärfen oder zum Frieden führen. (1)
So sind die Menschen selbst wichtigster Bestandteil des Prozesses, der Veränderung einleitet.
Mediation sucht keinen Kompromiss - und erst recht keinen faulen
"Ohne Kompromisse geht es nicht, da müssen wir alle etwas nachgeben." Dieser Satz ist uns nicht fremd. Er appelliert an unsere Kompromissbereitschaft. Dort, wo Menschen zusammenleben, können nicht alle ihren Willen durchsetzen. Jede/r muß Abstriche machen und sich zurücknehmen. So wird allgemein der Kompromiss als die gerechteste Lösung angesehen. Man trifft sich in der Mitte; jede/r hat gleich viel abgeben müssen - was will man mehr?
Mit dieser Sichtweise sind keine kreativen, neuen Lösungen möglich. Trennen sich Eltern in "streitigert Auseinandersetzung", wird das alleinige Sorgerecht per Gerichtsurteil zugeteilt. Der Verlierer / die Verliererin darf nach einer vereinbarten Besuchsregelung die Kinder sehen. Befriedigend ist diese Lösung nicht - weder für die Kinder, noch für den ins Abseits degradierten Elternteil. Dem Interesse der Kinder nach einer gleichwertigen Beziehung zu den Eltern ist damit nicht gedient. Die beste Lösung für alle Beteiligten muß das wohl und die Bedürfnisse der Kinder einschließen.
Um den Blick (und das Herz), trotz der emotionalen Betroffenheit, auch für die Interessen der Kinder frei zu bekommen und geeignete Formen für ein gemeinsames Sorgerecht zu finden, ist die Arbeit mit Mediation hilfereich. Sie ermöglicht den Eltern, in eine offene, konstruktive Kommunikation zu gehen. Damit werden Vereinbarungen möglich, die den, Kindern die größtmögliche Unterstützung und eine lebendige Beziehung zu den Eltern ermöglichen.
Der Gewinn dieser Lösung ist, das sie nicht "auf ewig" festgeschrieben wird, sondern den sich verändernden Lebenssituationen angepaßt werden kann.
Kompromisse behindern die Chance, Konflikte als Kristallisationspunkte für Veränderung zu sehen. Lösungen, die einen Gewinn für alle Beteiligten bieten, können nicht auf der Ebene gefunden werden, wo sich die Streitenden ihre Positionen um die Ohren schlagen, einander fertigmachen und abwerten, um selbst als die/der Stärkere, Bessere ... dazustehen.
Welchen Nutzen bringt Mediation in politischen Konflikten?
Das Dortmunder Institut Kommunikation und Umwelt (iku) weiß von etwa 2 Dutzend laufenden Mediationsverfahren im Umweltbereich in der Bundesrepublik. (2) Dank einer kritischen Öffentlichkeit, die Widerspruch organisierte, wird das Nein, das gesundheits- und umweltschädigenden Projekten entgegnet wird, immer häufiger laut.
Wenn eine Kommune z.B. eine Müllverbrennungsanlage bauen will, so gibt es gute Gründe, sich dem Vorhaben zu widersetzen. Vereinfacht gesagt steht dem Ja der Kommune das Nein kritischer BürgerInnen gegenüber. Kommt es zu einem Mediationsverfahren, stellen die von dem Vorhaben betroffenen Menschen (bzw. VertreterInnen verschiedener Gruppierungen) ihre Sichtweisen dar. Es wird deutlich, wer von dem Vorhaben profiliert (von Steuereinnahmen bis zur Schaffung von Arbeitsplätzen), welche Umweltzerstörungen mit dem Bau verbunden sind, welche gesundheitsschädlichen Auswirkungen zu erwarten sind, ... Bewusst wird auch, daß die Kommune einem massiven Handlungsdruck ausgesetzt ist, da sie im Müll zu ersticken droht. Darüberhinaus wird allen klar, daß sich niemand dem Müllproblem entziehen kann und jede/r Teil des Problems ist. Das gesellschaftspolitische Veränderungspotential dieses Konfliktes ist auch hier nicht der Kompromiss: kleinere Müllverbrennungsanlage, bessere Luftfilter ... Das Veränderungspotential kommt erst dort zum Tragen, wo bis an die Wurzeln des Konfliktes vorgedrungen wird: Wenn deutlich wird, daß der Müll nur ein Symptom für eine Wirtschaftsentwicklung ist, die sich an vielen Stellen schon längst gegen die Bedürfnisse der Menschen gerichtet hat. Wenn die Bereitschaft vorhanden oder gewachsen ist, sich den tieferliegenden Problemen zu stellen, kann auch hier Kooperation entstehen. Trotz unterschiedlichen Positionen, können sich gemeinsame Interessen entwickeln aus denen einvernehmliche Lösungen??? und alle gewinnen. Das Müllbeispiel zeigt daß es auch im pol. Bereich nicht reicht, Verantwortlichkeiten einseitig zu verteilen und den anderen die Lösung der Probleme zuzuschieben. Bei genauem Hinsehen werden Abhängigkeiten sichtbar, die nur gemeinsam lösbar sind. Als Modellprojekt in Umweltmediation gilt die Auseinandersetzung um die Sondermülldeponie in Münchehagen. Dort ging es um Müllbeseitigung, Altlasten, Luftverschmutzung, Verkehrsplanung und Naturschutz. "Besonders auf Seiten der Bürgerinitiativen und Umweltschutzorganisationen gab es in Münchehagen anfänglich Bedenken und Widerstände gegen das Mediationsverfahren. Zu viele negative Erfahrungen hatte man bereits mit sogenannter "Bütgerbeitigung" gemacht.
Als positiver Ergebnisse wurden genannt:
- Die ehemals zerstrittenen Parteien arbeiten nun sachlich nun sachlich und konstruktiv zusammen
- Feindbilder wurden abgebaut
- Die Gersprächsatmosphere ist offen und vertrauensvoll.
- Früher beklagte Informationsdefizitte konnten abgebaute werden
- Für viele der bisher kontrovers diskutieren Probleme gab es einvernehmliche Lösungen. (...)
Von Seiten der BI Münchehagen wurde noch genannt:
- Die Arbeitsbedingungebedingungen für die BI wurde durch die Einrichtung und Finanzierung eines Bürgerbüros erheblich verbessert.
- Die BI hat die Möglichkeiten, eigene GutachterInnen mit der Klärung bestimmter Probleme zu beauftragen und finanziert zu bekommen
- Einige wichtige Ziele der BI wurden bereits erreicht.
- Das Fachwissen des Mediators habe maßgeblich dazu beigetragen, Lösungen zu finden und umzusetzen.
Als Aufgaben einer MediatorIn wurden - wohl aufgrund der eigenen po. Erfahrungen genannt:
- Stimmung aufnehmen
- schauen, daß niemand über den Tisch gezogen wird
- politische Fensterreden unterbrechen
- dafür sorgen, daß ausdiskutiert und nicht vorschnell Ergebnisse angesteuert werden.
Als kritische Punkte wurden benannt
- Der Info-Fluß zurück in die BI sei schwierig und aufwendig
- Die Landesregierung habe die Möglichkeit [... nicht leserlich das Fax versagt hat...]
- Die Erwartung, daß Probleme schnell abgehandelt werden können, habe sich nicht erfüllt.
Kritisches Fazit der BI Münchenhagen: "Trotz vielfältiger `Mängel`muß aus unserer Sicht gesagt werden, daß es zu diesem mühevollen Verfahren z.Z. keine Alternative gibt." (3)
Mediation macht Menschen Mut, daß sich ihr Einsatz doch lohnt. Sie stärken Menschen, im kleinen wie im großen, Konflikte positiv zu sehen, um daran zu wachsen und reife Lösungen zu suchen. Mediation ist keine Wundermittel, doch sicher ein guter Weg, um kooperative Denken zu fördern und die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung zu stärken.
(1) vgl. Curle Adam, Tools for Transformation, Apersonal Study, S. 26, Hawthorn Press, 1990
(2) vgl. Eybisch Cornelia Mediation: Wenn zwei sich streiten ... in: Psychologie Heute, März 95, Heft 3, S. 46
(3) Besemer, Christoph, Gewaltfreie Konfliktlösung durch Vermittlung in: gewaltfreie aktion, 25. Jhrg., 3+4 Quartel 1993, S. 47 und 48.