Brief an die Enquete-Kommission Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre vom 3.8.1990

Militär als Ozonkiller

von Dr. Wilhelm Knabe

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

hiermit bitte ich darum, den folgenden Abschnitt in den 3. Bericht der En­quete-Kommission mitaufzunehmen. Ich hatte zugesagt, einen Entwurf auf Grundlage der Studie einzureichen.

Der Einfluß von Militär und Rüstung auf das Klima ist ein wichtiges, bisher völlig verdrängtes oder verschwiegenes Problem. Es wurde weder von seiten des Militärs noch der Umweltschützer zur öffentlichen Sache gemacht.
Dabei steht spätestens seit den Tutzin­ger Friedens-Tagen im September 1989 die Verknüpfung von Umweltzer­störung und Militär als Defizit in der öffentlichen Betrachtung bzw. als Bringschuld von Wissenschaft und Po­litik fest.

Die Enquete-Kommission "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" hat sich wegen öberlastung durch andere Themen damit nicht inhaltlich befas­sen können, sieht hier aber erhebli­chen Klärungsbedarf.

Wissenschaftler bezeichnen den Ein­griff des Menschen in das Klima als "großes Experiment", das wegen der völlig ungeklärten Folgen bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung nie­mals genehmigt werden könnte. Die Militärs sind an diesem Experiment in erheblichem Umfang beteiligt:

  1. Als einzige Institution kann das Mi­litär ungehindert und geheim Klimae­xperimente durchführen. Die ôffent­lichkeit erfährt nichts von Versuchen zur Wetterbeeinflussung oder énde­rungen der Ionosphäre, etwa der ôff­nung eines Fensters für tödliche UV-Strahlung.
  2. Das Militär hat quasi ungehinderten Zugang zu den besonders sensiblen höheren Bereichen der Atmosphäre und nutzt diese für Raketen und hoch­fliegende Flugzeuge. Die Verbren­nungsprodukte der Treibstoffe und eingesetzten Additive haben z. T. ozonzerstörende Eigenschaften und tragen somit zur Ausdünnung der Ozonschicht bei. 
  3. Umweltvernichtung dient dem Mi­litär als Mittel in kriegerischen Aus­einandersetzungen, z.B. bei Waldver­nichtung durch Herbizideinsatz. In Vietnam wurden von den USA viele tausend Hektar Mangrovenwald zer­stört und noch größere Flächen schwer geschädigt. 
  4. Die Hochrüstung der Militärappa­rate kann schwerwiegende Klimaände­rungen auslösen. Der nukleare Winter tritt auch bei einem Atomkrieg aus Versehen ein. Atombombenunfälle oder Flugzeugabstürze auf Chemie­werke hätten verheerende Folgen.
  5. Die weltweite Bereitstellung der "militärischen Sicherheit" verbraucht große Mengen an monetären, intel­lektuellen und natürlichen Ressourcen, die dringend zum Klimaschutz und damit für die "Internationale Ökologi­sche Sicherheit" benötigt werden.

    1990 belief sich der Haushalt des Verteidigungsministeriums der Bundesrepublik Deutschland (Titel 14) auf 53,7 Mrd. DM. Die Ist-Ausgaben des gleichen Titels von 1955 - 1989 betru­gen 953 Mrd. DM. Die Geldmengen, die weltweit in Rüstung und Militär flossen, liegen um ein Vielfaches hö­her.
     

  6. Die Bereitstellung der Ausrüstung und der Betrieb des riesigen Militär­apparates schädigen das Klima durch die Abgase der dabei verbrauchten Energie. Das gleiche trifft auf die im militärischen Bereich eingesetzten FCKW und Halone zu.
  7. Seitens des Militärs wurden bisher keine Studien veröffentlicht, aus denen ihre Beteiligung am zusätzlichen Treibhauseffekt hervorginge. Die Ab­schätzung dieses militärischen Anteils kann daher z.Zt. nur anhand grober Annäherungen geschätzt werden. Kri­terien sind hierbei der Anteil am Bruttosozialprodukt oder am Energie­verbrauch.  In der BRD schwanken die Schätzungen des militärischen Anteils am Bruttosozialprodukt zwischen 2,65 und 9,5% bei Einschluß der Ausgaben der Alliierten. Hier tut Aufklärung dringend not.

    Bei der Berechnung der Abgase aus dem Energieverbrauch ergeben sich allein aus dem militärischen Flugver­kehr 2,25 Mio. Tonnen CO2/a für die Bundeswehr und 2,90 Mio Tonnen CO2/a für die hier stationierten Alli­ierten. 
     

  8. Die vom Militär ausgehenden Ge­fahren für das Klima verstärken die Dringlichkeit von konkreten Abrü­stungsschritten. Dieses zusätzliche Ar­gument sollte in die Abrüstungsde­batte eingebracht werden.

Wir fordern Bundestag und Bundesre­gierung auf, die überfällige Analyse der Gefahren vorzunehmen und das Thema in die laufenden Abrüstungs­verhandlungen einzubringen. Die Bundesregierung sollte hierzu vorab einen Bericht vorlegen.

Mit freundlichen Grüßen

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Dr. Wilhelm Knabe ist Obmann der Fraktion DIE GRÜNEN IM BUNDESTAG in der Enquete-Kommission Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre