Militär als Umweltvernichter

von Olaf Achilles

Konfliktbereich Militär und Ökologie

Die schlimmste Kriegsfolge für Menschen war immer die Vernichtung von Menschenleben. Aber es gab auch Folgen für die Umwelt, sei es durch Wasserverseuchung, Zerstörung des Bodens oder von Vegetation, etc. Dieser Aspekt wird zumeist aus der Diskussion um Militärfragen ausge­blendet.

Kritiker haben das Militär wiederholt als eine Verschwendung von materiel­len und intellektuellen Ressourcen be­zeichnet. Rüstung wird als "totes Ka­pital" gesehen, welches vor allem im sozialen Bereich fehle. Dieser ökono­misch-materielle Kritikansatz entwic­kelte sich neben der pazifistischen Ablehnung der Gewalt als Mittel der Konfliktlösung zum Hauptargument gegen Militärausgaben.

Daß militärische Ressourcen nicht nur verschwendet werden, sondern auch bei ihrem Einsatz weit mehr als nur den potentiellen Gegner (Soldat) ver­nichten, konnte man im 2. Weltkrieg anhand der gezielt zerstörten Städte "killing towns"(wie z.B. Guernica, Dres­den, Hiroshima, Nagasaki, Kassel etc.) und der Strategie der "verbrannten Erde" erkennen.

Auch in sog. Friedenszeiten, z.B. beim Manöver, also bei Kriegsübungen, gibt es negative Auswirkungen für die Um­welt.

In den 50er Jahren waren Atombom­bentests ein Anlaß, erstmalig interna­tional über die Umweltzerstörung durch Militär in Friedenszeiten zu dis­kutieren. 

Im Zusammenhang mit dem Vietnam-Krieg nahm diese Diskussion zu. Das Militär bemächtigte sich der Umwelt gezielt als Waffe. Der Einsatz von Entlaubungsmitteln war eine konse­quente Erweiterung der Vernichtungs­strategien des 2. Weltkriegs. In Süd-Vietnam wurden über 1500 qkm Man­grovenwälder zerstört und es wurden Schäden an weiteren 15.000 qkm ver­ursacht. öber 100 kg Dioxin wurden in diesem Krieg freigesetzt. Sie verursa­chen noch heute Geburtsdefekte.

Umweltwaffen, der gezielte Einfluß auf Wetter, Klima, Wasser und Boden etc. für militärische Zwecke, gehören weltweit zum Arsenal der Militärs (vgl. Röhl 1985).

Dennoch gibt es kaum systematisch angelegte Berichte über die ökologi­schen Auswirkungen des Militärappa­rates. Einige entstanden bereits in der zweiten Hälfte der 70er Jahre im "Stockholm International Peace Rese­arch Institute" (SIPRI) und am "International Peace Research Insti­tute Oslo" (PRIO). Sie beeinflußten auch die Arbeit des Umweltpro­gramms der UNO (UNEP) und wur­den mitunter von dort in Auftrag ge­geben.

Der politisch beratenden Ausschuß der Warschauer-Pakt-Staaten widmete sich 1988 in einer Stellungnahme den "Folgen des Wettrüstens für die Um­welt und andere Aspekte der ökologi­schen Sicherheit": "Das Wettrüsten zerstört in immer stärkerem Maße die Umwelt, läuft den Anstrengungen zum Umweltschutz zuwider und verhindert die Lösung der bedeutsamen Aufgabe, ein harmonisches Gleichgewicht von Gesellschaft, Technik und Natur auf der Erde herzustellen. Die Produktion, Lagerung und der Transport verschie­dener Waffenarten, der Bau von Mili­tärobjekten und die Durchführung mi­litärischer öbungen haben unmittel­bare, negative Auswirkungen auf die Umwelt". In der NATO gibt es keine Berichte dieser Art.

Offizielle Untersuchungen in einzel­nen Ländern unterbleiben bis heute. In der Bundesrepublik hat die Arbeits-und Forschungsstelle "Militär, ôkolo­gie und Planung" (MôP) e.V. seit Jah­ren entsprechende Untersuchungen mit Spendengeldern finanziert durch­geführt (vgl. Achilles 1988 und 1990). Insbesondere in der Tiefflugdiskussion kamen hierbei einige Argumente zum tragen (vgl. Achilles/Lange 1989). Viele Beispiele sind in den Materialen der MôP e.V. (Rundbriefe, Doku­mentationen, Themenhefte etc.).

 

Militär zerstört Umwelt weltweit

Die Militärausgaben haben einen An­teil am Weltbruttosozialprodukt von 6,1%.

Sie belaufen sich weltweit auf ca. 1000 Mrd. US-Dollar. Eine Umweltrelevanz ergibt sich allein schon daraus, da diese Gelder gebunden sind und nicht z.B. im Klimaschutz investiert werden.

Der Anteil an den Staatsausgaben be­trägt weltweit nach UNO-Angaben ca. 25-28 %, in der Bundesrepublik sind es 1990 nach NATO-Kriterien offiziell 21,6 %. Das Geld im Militärbereich wird zumeist in umweltschädliche Be­reiche investiert. Militärischer Land­verbrauch, Ressourcenverbrauch, Ma­növer(-schäden), Infrastruktur etc. ha­ben direkte Auswirkungen auf Boden, Wasser, Luft und stören auch durch z.B. Lärm. Manche Folgen sind schlicht unglaublich. So zeigen erste Bodenproben, wie stark öbungsflä­chen verseucht sind (vgl. Voss 1990). Eine neue Studie über "Militär, Rü­stung und Klima" der MôP e.V., wel­che für die GRöNEN im Bundestag durchgeführt wurde und bei der En­quete-Kommission zur Vorsorge und Schutz der Erdatmosphäre des Deut­schen Bundestages eingereicht wurde, zeigt die globalen Zusammenhänge von Umwelt und Militär:

Demnach hat das Militär weltweit einen Anteil am Kerosinverbrauch von mind. 24 %. Dies ergibt allein einen jährlichen CO 8 210 -Ausstoß von 136 Mio Tonnen, was 18,3% der CO8 212 -Gesamtemission der Bundesrepublik ausmacht. Hinzu kommt, daß diese Emissionen zum großen Teil in klima­sensiblen Zonen der Atmosphäre ent­stehen. 

Der gesamte Militärapparat in der Bundesrepublik hat eine CO8 210 -Emission von ca. 39,1 Mio Tonnen pro Jahr. Dies sind 5,26 % der Gesamt-CO8 210 -Emission der Bundesrepu­blik, oder 21,72 % der Emission der Haushalte und Kleinverbraucher, bzw. 39,1 % der Industrie-Emission nach Angaben der Enquete-Kommission.

Die US-Army hat einen jährlichen Energieverbrauch von ca. 14% des Gesamtverbrauchs der Bundesrepublik bzw. 51,3% des Gesamtverbrauchs von Holland. Gerade bei den klimarele­vanten Gasen nimmt der Rüstungs -und Militärbereich eine führende Po­sition ein: Allein US-Navy und Air-Force verbrauchen das 2,8fache des bundesdeutschen Gesamtkonsums an Halon 1211. Das US-Militär konsu­miert nach eigenen Angaben über die Hälfte des Gesamt-FCKW-113-Ver­brauchs der USA (Vgl. Achilles 1990b). Dabei beziehen sich die vor­handenen Daten fast ausschließlich auf den Unterhalt der stationierten und mobilen Militärapparate. Viele offi­zielle Daten sind sehr widersprüchlich, die meisten bleiben geheim. Informa­tionen über die sehr energieintensive und spurengasreiche Rüstungsproduk­tion fehlten bei den Erhebungen fast vollständig.

 

Die Militärs experimentierten mit un­serem Klima in mehrfacher Hinsicht:

  • Das Militär kann ungehindert Klima-Experimente durchführen. Wetter­beeinflussung, Experimente in der Io­nosphäre, Ozonbomben sind die Stichworte. Es hat ungehinderten Zu­gang zu den empfindlichen Bereichen der Atmosphäre. Die entsprechenden Fluggeräte haben meist ozonzerstö­rende Treibstoffe bzw. Treibstoffaddi­tive.
  • Die Umwelt dient dem Militär nachweislich als Waffe z.B. bei Wald­vernichtung durch Herbizideinsatz.
  • Die potentiellen Folgen der Militär­apparate sind klimarelevant: Nuklarer Winter, Atomkrieg aus Versehen, Atombombenunfälle, Abstürze von Militärmaschinen auf "zivilisatorische Bomben" wie z.B. Chemiewerke etc.
  • Die weltweite Bereitstellung der mi­litärischen Sicherheit verbraucht rie­sige Mengen an monetären, intel­lektuellen und natürlichen Ressourcen, die dringend zum Klimaschutz und damit zum Aufbau der Internationalen ökologischen Sicherheit (IôS) benötigt werden.
  • Die Bereitstellung des mobilen und stationierten Militärapparates, der Ge-und Verbrauch dieser Ressourcen in natürlicher (Betriebsstoffe etc.) und in Produktform (Flugzeuge, Panzer etc.) schädigt das Klima in quantifizier­barem Ausmaß. 

Der weltweite Militärapparat zerstört nachhaltig genau daß, was es zu schüt­zen gilt: Unsere Lebensgrundlagen! Ein Aufbau von weltweiter ökologi­scher Sicherheit ist nur mit dem ener­gischen Abbau von "militärischer Si­cherheit" zu verwirklichen.

 

Literatur:

  • Achilles Olaf (Hg.): "Natur ohne Frie­den"; ein Natur-Buch; Knaur-Verlag München 1988;
  • ders./Lange, Jochen: "Tiefflieger"; rororo Reinbeck 1989
  • ders.: "Militärische Belastungsanalyse und Regionale Konversion"; KôF-Reihe Bd. 2; Verlagshaus Riedmühle 1990
  • ders.: "Von der heiligen Kuh zum tro­janischen Pferd"; MÖP-Diskussions­papier; Bonn 1990
  • ders.: "Militär, Rüstung und Klima"; MÖP-Studie VII; Bonn 1990
  • möp-rundbrief; Mitteilungen der Ar­beits-€und Forschungsstelle "Militär, ôkologie und Planung" (MÖP) e.V. zur kommunalen und ökologischen Friedensforschung
  • Renner, Michael: National Security: The Economic and Enviromental Di­mensions; Washington 1989
  • Voss, Jürgen-Hermann: "Die neuen Altlasten" - Studie über den Schwer­metalleintrag auf militärischen öbungsflächen; KÖF-Reihe Bd.4; Verlagshaus Riedmühle, Alheim 1990
  • Olaf Achilles ist Dipl.Ing. Raumpla­nungund Mitarbeiter der Ar­beits- und Forschungsstelle "Militär, Ökologie und Planung" (MÖP) e.V. in Bonn und Re­dakteur des möp-rund­briefs: MÖP e.V., Reuterstr. 44, 5300 Bonn 1

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Olaf Achilles ist Leiter der Forschungs¬stelle Militär, Ökologie und Planung in Bonn