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"Krieg den Drogen!"
Militarisierung der US-Drogenpolitik
vonUS-Beamte werden nicht müde, das Gespenst einer antidemokratischen Allianz von Narcos und Guerilleros zu propagieren. Eine tatsächliche Gefahr besteht jedoch darin, daß die Anti-Drogenaktivitäten der USA eine immer engere Verbindung zur Aufstandsbekämpfung aufweisen und das Land unausweichlich in einen bitterbösen Guerilla-Krieg ziehen. Die Teilnahme der US-Armee am Kampf gegen Drogen, äußerst populär in Kongreß und Medien der USA, läßt diese Entwicklung um so wahrscheinlicher werden. Die Armee, die die internationalen US-Maßnahmen zur Rauschgiftbekämpfung maßlos einen "Krieg um Drogen" nannte, war bis vor kurzem kaum eingebunden und gesetzlich daran gehindert, dies zu forcieren. Jedoch wurde dem Pentagon 1982 durch eine Gesetzesänderung erlaubt, Drogen-Operationen zu unterstützen, und 1986 genehmigte Präsident Reagan den Einsatz von militärischem Material wie Personal in Aktivitäten zur Drogenbekämpfung.
Seitdem kommt der US-Armee eine wichtige Unterstützungsfunktion zu: Die Marine stellte der Küstenwache 1987 2.500 Seetage zur Verfügung; Luftwaffe und Marine leisteten mehr als 16.000 Flugstunden im Rahmen von "Verbotsbemühungen". Die entsprechenden Stellen nahmen für militärische Ausrüstung Anleihen von über 300 Millionen US-Dollar auf. Das Pentagon nahm teil an Anti-Drogen-Operationen auf den Bahamas, im Südwesten der USA und im bisher größten Umfang an der Operation "Hochofen" 1986 in Bolivien.
Das Pentagon selbst jedoch widersetzt sich standhaft dagegen. Einen Monat nachdem der Senat mit 86:3 dafür stimmte, das Drogenverbot zu einer offiziellen Aufgabe der Armee zu machen, sagte der Staatssekretär im Verteidigungsministerium Frank Carlucci vor dem Kongreß: "Die vordringliche Aufgabe des Verteidigungsministeriums ist es, dieses Land vor einem bewaffneten Angriff zu schützen. ... Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden zusätzliche Aufgaben zu Lasten der Hauptaufgabe gehen, es sei denn, weitere Mittel werden verfügbar gemacht." Einige offizielle Drogenbekämpfer warnen daneben vor der Art des Armee-Einsatzes, nach der Politiker jetzt rufen, nämlich "an der Quelle", auf den Feldern. So sagt Ann Wrobleski: "Ich sehe keine Aufgabe für sie in dieser Umgebung." Sie ist jedoch der Ansicht, daß die US-Armee Ausbildung, Bewaffnung und Ausrüstung von Anti-Drogeneinheiten in den Produzentenländern unterstützen solle.
"Ich glaube, das grundsätzliche Argument lautet, daß fast jeder andere Bereich der US-Regierung bei Anti-Drogenprogrammen akzeptabler ist als das Militär", sagte der Chefökonom der Rand Corporation, Peter Reuter, während eines Seminars auf dem Kapitolhügel im Juni 1988. "Nichts wird wahrscheinlich die Leidenschaft der lateinamerikanischen Nachbarn mehr entzünden als der Anblick von US-Militärstiefeln im eigenen Land. Sie waren schon früher dort in wenig freundlichen Missionen, und dies ist ein Teil der Geschichte, der noch für lange Zeit präsent sein wird."
Die Organisation des Anti-Drogen-Kampfes
David Westrate, bei der DEA (Drug Enforcement Administration -- US-Drogenbehörde, d.Red.) in der Verwaltung der Operationen beschäftigt, zustimmend: Die Drogenbehörde operiert in "einer nicht politischen Situation, die uns unter der Fahne der Gesetzesdurchführung Dinge zu tun erlaubt, die wir in militärischer Form nicht tun könnten."
In diesen Tagen beschützt "die Fahne der Gesetzesdurchführung" ein immer größeres Ausmaß von internationalen Aktivitäten zur Drogen-Bekämpfung, die besser zu einem Kriegsfilm passen als in eine Polizeistory. Während die Drug Enforcement Administration die bekannteste Drogenbekämpfungsstelle ist, spielt international das Außenministerium eine bedeutendere Rolle. Das State Department ist die "Hauptstelle" zur Drogenbekämpfung und koordiniert durch sein Büro für internationale Drogenangelegenheiten (INM) die diesbezüglichen Aktivitäten anderer US-Agenturen, einschließlich der DEA, der US-Aid, die in Produktionsgebieten Projekte zur Erzielung von Ersatzeinkommen finanziert, und der US-Informationsstelle, die Kampagnen gegen Drogenmißbrauch durchführt. Aufgabe des Außenministeriums ist es, ausländische Regierungen dazu zu bringen, auch weiterhin eine in den USA formulierte Drogenbekämpfungspolitik zu verfolgen. Nach Ann Wrobleski besteht die Arbeit von US-Botschaften in Ländern wie Peru und Bolivien zu mehr als der Hälfte aus Drogenbekämpfung.
Die Rolle des State Departments geht über diplomatische Aktivitäten weit hinaus. Fast alle US-Gelder zur Drogenbekämpfung werden vom INM an ausländische Regierungen weitergeleitet. Als Hauptfinanzier von Operationen zur Drogenbekämpfung wurde es zunehmend auch an deren Ausführung durch ausländische Regierungen beteiligt. Das State Department hat sich für Anti-Drogenmaßnahmen in Lateinamerika und Asien seine eigene Mini-Luftwaffe geschaffen, bekannt als Air Wing, zu der 13 Sprühflugzeuge gehören, die in Vernichtungsprogrammen für Rauschgiftpflanzen eingesetzt werden, 6 Bell-212-Hubschrauber und eine C-123-Transportmaschine.
Im Gegensatz dazu stellt die DEA, die dem Justizministerium unterstellt ist, lediglich Personal zur Verfügung. Die Mitarbeiter haben in Übersee ausschließlich zwei Schlüsselfunktionen: Informationen über Drogenproduktion und -versand zu sammeln und -- sichtbarer -- lokale Anti-Drogeneinheiten zu beraten und zu trainieren.
Drogen- oder Aufstandsbekämpfung?
Das Gesetz gegen Drogenmißbrauch von 1988, im Oktober vom Kongreß gebilligt, verzichtet vorläufig auf ein Verbot der Bewaffnung von Spezialeinheiten der Anti-Drogenpolizei, die in vielen Ländern auf Drängen von US-Offiziellen geschaffen wurden. Die Beträge hierfür belaufen sich auf 2 Millionen US-Dollar für das Training ausländischer Anti-Drogeneinheiten und weitere 3,5 Millionen an "Militär"-Hilfe, im Wortlaut der Aufstellung, für südamerikanische Polizeieinheiten, die an der Drogenbekämpfung beteiligt sind.
In Peru wie auch sonstwo haben solche Einheiten wenig Ähnlichkeit mit dem, was wir als Polizei kennen. Sie stürzen sich nur selten in Miami-Vice-ähnliche Schießereien mit Drogenbaronen in maßgeschneiderten Modellanzügen. Stattdessen werden sie trainiert und ausgerüstet für den Dschungelkrieg. Die spezielle Anti-Drogenpolizei Perus, bekannt als UMOPAR (Mobile Landstreife), und letztes Jahr offiziell in die Zivile Drogenschutzpolizei umgewandelt, ist eine 500 Mitglieder starke Kampfeinheit, die gegenwärtig mit nordkoreanischen Sturmgewehren ausgerüstet ist. 1987 gaben die USA 3,6 Millionen US-Dollar aus für das Training der Einheit, als Ergänzungszahlung, für die Bereitstellung von Feld-Ausrüstung, für Nachschub und Transport; für die gleichen Zwecke wurden für 1988 4 Millionen US-Dollar veranschlagt. UMOPAR hat 5 Hubschrauber und eine Transportmaschine, alles als Leihgabe der "Air Wing" des Außenministeriums.
DEA-Mitarbeiter arbeiten eng mit den peruanischen Einheiten zusammen als Trainer und "Beobachter" von Operationen, die von Peruanern kommandiert und durchgeführt werden. Unabhängig davon, wie begrenzt die operative Aufgabe dieser Mitarbeiter ist (in einigen Berichten wird vermutet, daß diese nicht immer nur aus Beobachtung besteht), spielt das strategische Interesse der USA zweifellos eine Hauptrolle bei der Festlegung, wie die Operationen ausgeführt werden. Die DEA hat eine analoge Rolle zu der der US-Berater in El Salvador: Washingtons Politik wird ausgeführt, während der größte Teil des Risikos bei den Ausländern bleibt.
Die Analogie mit El Salvador sollte jedoch nicht zu sehr vereinfacht werden. Das ausdrückliche Ziel der US-Drogenpolitik in Peru ist nicht der Kampf gegen die Guerilla; dennoch bedeutet deren offizielle Einstufung als "Drogen-Terroristen" im Bund mit den Händlern, daß die Grenzen zwischen Aufstands- und Drogenbekämpfung leicht verwischt werden.
Sendero seinerseits schien bis jetzt zu zögern, solche Angriffe zu unternehmen, die eine massive US-Intervention zur Folge haben könnten. Aber die Bauern von Huallaga und die Narcos könnten weniger zurückhaltend verfahren.
Wie würden die Vereinigten Staaten auf den Abschuß einer oder mehrerer ihrer Maschinen reagieren? Der Miami Herald lieferte einen Hinweis, als er davon berichtete, daß "ausgewählte Armee-Einheiten sich auf eine Intervention vorbereiteten, sollte der Widerstand zunehmen". Der Bericht sprach davon, daß letzten September in Georgia "450 Fallschirmspringer der 82sten US-Luftlandedivision über Fort Stewart abgesprungen sind", um eine Befreiung von US-Geiseln aus den Händen von Drogenhändlern zu simulieren. US-Beamte dementierten den Bericht vehement. Wrobleski nannte ihn "reinen Unsinn". Angesichts der Gleichsetzung von Drogenhändlern und Terroristen erscheinen solche Aktionen jedoch im Bereich des Möglichen, obwohl die Reagan-Administration in der Region nie eine formale Integration von Anti-Drogen- und Anti-Terrorpolitik vollzogen hat.
aus: NACLA, Vol. XXII, No. 6, 1989 Übersetzung: Henning Sonnemann, aus: ila Nr. 128, September 1989