Der Soldatengottesdienst in Köln

Mit Gottes Segen zum Hindukusch?

von Elvira Högemann
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Der Kölner Kardinal Meisner mag es, wenn die Öffentlichkeit von ihm Notiz nimmt. Er findet scharfe Worte gegen Abtreibung, Sexualität im Allgemeinen und Speziellen, gegen die gottlose moderne Kunst wie auch gegen sein neues Kirchenfenster. Das Positive verschweigt er ebenfalls nicht. Jedes Jahr im Januar feiert er im Dom eine heilige Messe für die Soldaten der Bundeswehr und segnet ihr Tun in aller Welt.

Das finden nicht alle Kölner gut. Wie jedes Jahr aus diesem Anlass, protestierten auch am Morgen des 10.1.2008 Angehörige der Friedensbewegung gegen die Kriegseinsätze der Bundeswehr und gegen die Militarisierung der Gesellschaft, zu der dieser Gottesdienst seinen Beitrag leistet. "Deutsche SoldatInnen und PolizistInnen raus aus Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Afghanistan, Horn von Afrika ..." - das Transparent zählte alle Einsatzorte außerhalb der deutschen Grenzen auf. Nur schriftlich konnte man sich den zum Dom einrückenden Soldaten verständlich machen, denn währenddessen läuteten die Kirchenglocken Sturm. "Schutz des geborenen Lebens - verhindert Kriege" forderte die Freidenkergruppe. Zum Wegtreten wurden NATO wie Bundeswehr aufgefordert.

Den Demonstranten wurden in diesem Jahr auf einem schmalen Streifen an der Seite hinter einem Absperrband der Polizei zusammengedrängt, von Bereitschaftspolizei umringt, detailliert gefilmt. Als man sein eigenes Wort wieder verstand, konnten die Demonstranten auch akustisch mitteilen, weshalb sie hier protestierten: "Jagt sie zum Teufel!" lautete das Motto des Aufrufs von "Bundeswehr wegtreten". Der Text hebt den Zuspruch des Ministers Jung für die Performance im Dom hervor und benennt den Zweck der Übung: "Gerüstet mit der jährlichen Segnung ist der deutsche Soldat als erneuter Angriffskrieger über jeden Zweck erhaben." Auch wenn Meisner - vielleicht - in Bälde zurücktrete, "verbleibt ein gestärkter rechter Flügel von Rückwärts-Theologen"; er habe mit seinem "klerikalen Fundamentalismus" nach Kräften versucht, die gesellschaftliche Debatte nach rechts zu verschieben.

Nicht nur die Debatte. An der Geschichte dieser Proteste fällt ins Auge, wie viel enger der Spielraum für die gegenteilige Meinung von Jahr zu Jahr wird. Nicht nur, dass der Platz vor dem Dom für die Protestkundgebung nicht mehr genehmigt und von Transparenten gesäubert wurde, nicht nur, dass seit dem vorigen Jahr sich die Bereitschaftspolizei statt der Kölner sehr im einzelnen um die Demonstranten bemüht - diese Polizeikräfte treten in immer größerer Zahl auf und mischen sich immer häufiger ins Geschehen ein. Als sich eine Gruppe verkleideter Skelette über die Domplatte auf die Kundgebung zu bewegt, wird sie abgefangen, ihre Personalien werden aufgenommen, das Transparent konfisziert. Darauf stand: "Der Tod dankt für die gesegnete Ernte". Danach durften die Protestierer auch als Einzelpersonen die Domplatte nicht mehr betreten. Der Kardinal betrat den Dom unter Polizeigeleit, und aus dem Dom wurden (wie schon seit Jahren) die entfernt, die nicht in das Event hineinpassten - diesmal die Skelette wie auch Angehörige der Clowns` Army, die dann ihre Späße unter den wachsamen Augen der Polizei draußen fortsetzten.

Währenddessen predigte der Kardinal zum Thema "Die Menschheitsfamilie - Gemeinschaft des Friedens". Er verbrauchte viel Text für eine Definition, kam aber schließlich zu dem Ergebnis, dass alle Menschen "unabhängig von Rasse, Klasse, Nation oder Gesellschaftsform" einander "ebenbürtig" seien. (Dass er das Geschlecht, anders als das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, wegließ, sei am Rande vermerkt.) Irgendwie wurde auch erwähnt, dass hieraus eigentlich ein friedliches Zusammenleben der Völker erfolgen müsse, aber der Kardinal kommt mit der - wissenschaftlich schwer haltbaren - Behauptung "Seit es Menschen gibt, gibt es auch Soldaten." zu einem ganz anderen Schluss. Die Notwendigkeit friedlichen Zusammenlebens wird umgedeutet in einen Appell an das "Verantwortungsbewusstsein", das seine Zuhörer "vor einem leichtfertigen Umgang mit dem menschlichen Leben" bewahre. Dass dieser "Umgang" das Töten von Menschen ist, musste nicht ausgesprochen werden. Der obligate Segenswunsch schloss sich an.

Meisner berief sich in dieser Predigt auch auf die Enzyklika "Pacem in terris". In ihr wird als erstes Grundrecht des Menschen das Recht auf Leben proklamiert, es wird das Verbot der Atomwaffen und eine durch Verträge gesicherte allgemeine Abrüstung gefordert. Ihr Verfasser Johannes XXIII. hielt es noch für "kaum glaublich, dass es Menschen gibt, die es wagen möchten, die Verantwortung für die Vernichtung und das Leid auf sich zu nehmen, die ein Krieg im Gefolge hat." Sein Engagement war bei den Demonstranten draußen sehr viel besser aufgehoben als bei der Veranstaltung im Dom.

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Elvira Högemann ist Mitglied im Kölner FriedensForum.