Ein Thema für immer mehr Menschen

Mit Vermögen Gegenwart und Zukunft gestalten

von Hanne Rademacher
Initiativen
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Die meisten von uns denken dabei: ich habe kein Vermögen, mich geht das Thema nichts an. Nicht wenige stellen jedoch eines Tages fest, daß die Eigentumswohnung, das Haus oder der langfristige Sparvertrag, die bisher nur als eine monatliche Zahlungsverpflichtung und damit als finanzielle Belastung ins Bewußtsein traten, im Laufe der Zeit Vermögen geworden sind.

Andere sind Besitzer von deutlich größerem Vermögen, leben aber in einer gewissen Distanz zu diesem Vermögen, da dieses fest angelegt ist und im alltäglichen Denken keine Rolle spielt.

Wieder andere erben. Sie sind zu diesem Zeitpunkt häufig in einem Alter von 50-60 Jahren und sie stellen etwas überrascht fest, daß sie von nun an selber zur älteren, zur vererbenden Generation gehören.

Zu diesem Zeitpunkt des Lebens besteht nicht selten das Bedürfnis, zurückzuschauen auf das, was war und vorauszuschauen auf die Lebensperspektive für die eigene Altersphase und auf die Perspektive für die Kinder und Enkel.

Elementare Bedürfnisse, insbesondere solche, die über lange Zeit nicht berücksichtigt wurden, werden klarer gesehen:

- Den einen wird mit Blick auf die eigene Alterssituation und die Arbeitsplatzsituation der Kinder- und Enkelgeneration geradezu quälend bewußt, wie schlecht es um die Arbeitsverteilung in unserer Gesellschaft steht. Es ist klar, daß mensch diesem Problem mit Geld, das ausschließlich an Einzelpersonen vererbt wird, nicht beikommen kann. Es ist offenkundig, daß es sich um ein gemeinsames Problem vieler handelt und daß dieses sich auch nur in gemeinsamer Anstrengung lösen läßt.

 - Anderen ist klar, daß das Atomrisiko und die Art unseres Umgangs mit Tieren, Pflanzen, Luft, Wasser und Erde eine Gefahr für das eigene Leben, die eigene Gesundheit ist. Ihnen wird bewußt, daß die Beziehung zu ihren Kindern und Enkeln nicht davon unberührt sein kann, ob sie jetzt untätige Zuschauer bleiben oder ob sie heute die Lebensbedingungen für morgen mitgestalten.

- Andere sehen ihr und anderer Leben gefährdet, da wir das Thema Gewalt immer noch verharmlosen, insbesondere dadurch, daß wir sehr wenig tun, um neue Methoden zu entwickeln und zu verbreiten, durch die viele Menschen lernen, gewaltfrei und wirksam mit Gewaltsituationen umzugehen.

- Anderen ist das Nord-Süd-Spannungsfeld, das sich nach wie vor weiter auflädt, ein Thema, dem wir uns stellen müssen. Das Ungleichgewicht zwischen denen, die profitieren und denen, auf deren Kosten das Ganze geht, wird immer größer. Da wir alle mehr oder weniger zur Gruppe der Profitierenden gehören, wird jede und jeder von uns kompromittiert. Inzwischen ist zudem die Tatsache, daß sich im Arm-Reich-Spannungsfeld ein Gefahrenpotential ungeahnter Größenordnung aufbaut, unübersehbar geworden.

Mit Blick auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft treten die Zusammenhänge klarer ins Bewußtsein als sonst. Wenn er oder sie dann noch mit klarem Kopf sich damit konfrontiert, daß er oder sie jetzt zu denen gehört, die in voller Freiheit über Vermögen verfügen können, tauchen Fragen auf wie:

- Ist es noch angemessen, nach der alten, tief in mir sitzenden Regel des Vererbens und Erbens zu handeln, nach der das Erbschaftsvermögen ausschließlich in die Familie gehört?

- Kann ich mich noch damit beruhigen, daß ich Steuern zahle, auch Erbschaftssteuer, und daß eigentlich der Staat für alle gemeinsamen Aufgaben zuständig ist?

- Sind zum Beispiel 80% des zur Verfügung stehenden Vermögens für die Erbenden genug oder zuwenig? Sind dann 20% für Projekte, durch die Gegenwart und damit auch Zukunft mitgestaltet wird, genug, zuviel oder zuwenig?

Auf diese Fragen gibt es verschiedene Reaktionen. Die einen werden sich mit Sätzen ablenken wie: "Es wird schon irgendwie gehen." - "Wer gibt mir Sicherheit, daß mein Geld nicht einfach nur versickert?" - "Sieh Dir die Summe an, die gebraucht würde, und sieh Dir die Summe an, über die ich verfüge." - "Besserwisser und Moralapostel gehen mir auf den Wecker." In der Praxis läuft es oft darauf hinaus, daß diese Menschen sich beim Erben und Vererben nach den alten Mustern verhalten.

Andere wollen jetzt nicht mehr warten, bis die staatlichen Organe handeln oder bis die Probleme, die wir heute haben, vor den Problemen, die wir morgen haben werden, in den Hintergrund gedrängt werden. Sie wollen jetzt mit dem Geld, über das sie verfügen, handeln. Aber es sind noch sehr wenige, die entschieden genug sind, auf diese Weise mitgestaltend einzugreifen.

Zwar nimmt die Zahl der Menschen, die sich für gemeinsame Initiativen und Projekte engagieren, ständig zu; die einen investieren viel eigene Lebenszeit,eigene Lebenserfahrung und inzwischen auch Sachkompetenz in Wir-Projekte, andere beteiligen sich durch regelmäßige Spenden. Aber doch verhältnismäßig wenige von diesen engagierten Menschen haben sich in der Situation des Vererbens oder Erbens dazu entschieden, einen größeren Betrag für die Finanzierung gemeinsamer Lösungsansätze zur Verfügung zu stellen.

Woran liegt das?

- Welche Schaltungen in unseren Gehirnen laufen nach überholten Schaltplänen?

- Inwiefern sind bewußte und unbewußte Einflußnahmen aus den Familien die Ursache für das Zögern?

- Welche Gesetze müßten geändert werden, damit mehr privates Geld für Wir-Projekte zur Verfügung gestellt wird?

Da es sehr viel Ungeklärtes gebt, steht es an, sowohl öffentlich als auch in den Familien zu diskutieren und zu sprechen.

Dabei müßte auch unser Verständnis des Ich-Wir-Spannungsfeldes thematisiert werden. Die Ich-Betonung ist bei uns ein Wachstumsbereich. Der Wir-Bereich schrumpft. Wir-Denken, Wir-Fühlen und Wir-Handeln wird nicht selten als realitätsferne Träumerei abgetan und belächelt.

Die Verhaltensmuster der Ich-Kultur und die Zweifel an der Wir-Kultur sind in fast jeden von uns tief eingesickert. Um sich im Alltag behaupten zu können, haben wir manches aus der Ich-Kultur gelernt. So kommen die Zweifel am Wir-Engagement nicht nur von außen, sondern inzwischen auch aus dem eigenen Innern. Hinzu kommt, daß Geld und Vermögen etwas ist, das eindeutig dem privaten Ich-Bereich zugeordnet wird. Mit Vermögen wird individuelle Zukunft abgesichert.

Der Mann oder die Frau, die vor der Entscheidung stehen, einen Teil des Vermögens in ein Wir-Projekt zu investieren, befinden sich dabei in einem Zentrum des Ich-Wir-Spannungsfeldes unserer Gesellschaft.

Aber Hauptziel der Diskussionen und Gespräche im öffentlichen und privaten Bereich muß es sein, Antworten auf zwei Fragen zu finden:

- Ist es der richtige Weg, einen Teil des privaten Erbschaftsvermögens in Wir-Projekte zu investieren?

- Wie läßt sich für die Einzelnen mehr Klarheit und innere Sicherheit erreichen, so daß sie den Mut finden, sich mit einem Teil des eigenen Vermögens auf neue Wege einzulassen?

Wenn nur ein Viertel der Menschen, die Vermögen vererben oder erben, sich entscheidet, einen Teil des Vermögens in Wir-Projekte ihrer Wahl einzubringen, kann schon heute einiges in Gang gesetzt werden. Träumereien oder Chancen?

Kontaktanschrift:

Kampagne "Schenken - Stiften - Engagieren" Gesamtkoordination: Dieter Schöffmann, VIS a VIS, Stolberger Str. 3, 50933 Köln, Tel. 0221/ 954567-1, Fax 954567-5, e-mail: VISaVIS [at] compuserve [dot] com, Koordination Stifterinitiativen: Alfons Kleine Möllhoff, Gasselstiege 194, 48159 Münster, Tel. 0251/272017, e-m.:: 0208896999-001 [at] t-online [dot] de

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Hanne Rademacher ist Mitarbeiterin der Kampagne