Nach den G8 Protesten - In Bewegung bleiben

von Corinna Genschel
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Vom 17.-20. Januar trafen sich unter dem Motto "Perspektiventage - In Bewegung Bleiben" in Berlin ca. 500 Aktivist/innen, um ein halbes Jahr nach den G8-Protesten über Stand und Zukunft der (globalisierungskritischen) Bewegungen in Deutschland zu diskutieren.

Gekommen waren besonders Leute aus der undogmatischen "Bewegungslinken" verschiedener Altersstufen. Viele waren in der Tat junge Aktivist/innen aus der ganzen Republik, für die die Erfahrung des Zivilen Ungehorsams, der selbstorganisierten Camps, die Repression ebenso wie das Erlebnis, etwas gemeinsam erreicht zu haben, eine neue politische Erfahrung war. Und es war die offene und an den Bedürfnissen "der Selbstorganisierung" orientierte Form dieser Vier-Tage-Veranstaltung, die genau ihnen Raum für Mitgestaltung bot an den Debatten um mögliche thematische Klammern, um die mobilisierende Bedeutung von Protestcamps, der Suche nach Schnittstellen der verschiedenen Bewegungen. Umgekehrt hieß dieses Vorgehen jedoch, dass weder ein Gesamtprojekt 2008 noch ein einigermaßen verlässlicher Aktionsplan 2008 verabredet werden konnte. Dafür waren die Tage sicher auch nicht der Ort, der Wunsch nach direktem Anschluss an G8 stand aber immer wieder im Raum. Für eine solche Verabredung wäre auch eine politische Debatte notwendig gewesen, die das eigene "Bewegungstun" in den Kontext gesellschaftspolitischer Dynamiken sowie ins Verhältnis nicht anwesender sozialer Akteure und Bewegungen gestellt hätte. Dies ist insgesamt wenig passiert, zu sehr und eng waren viele an der "Erfahrung Heiligendamm" als einem außerordentlichen Ereignis orientiert. Nichtsdestotrotz, auch wenn also die (negativen) Effekte von Kampagnenpolitik als Orientierung auf einen Ereigniszeitraum deutlich wurden, waren die Tage auch durch ein konstruktives Miteinander und eine intensive Arbeit an Themenfeldern und Aktionsformen geprägt:

So zeigte die Intensität der Debatte um ein oder mehrere Protestcamps in 2008 die Bedeutung, die die Camps in Heiligendamm für viele hatten. Viel wurde darüber diskutiert, ob ein so genanntes Mehrsäulencamp die verschiedenen Bewegungsthemen und alle im G8-Protest beteiligten Strömungen vereinen könne. Auch wenn dieser Idee eine Absage erteilt wurde, blieb die Orientierung auf Protestcamps als besondere Mobilisierungsform erhalten.

2008: Camps zu Militarismus, Rassismus, Klimapolitik
Für den Sommer 2008 sind von daher vier Camps geplant, die Selbstorganisierung, die Möglichkeit zivilen Ungehorsams und "anderes Leben" vereinen sollen: Im Raum Hamburg wird es ein antirassistisches Camp gegen Lager und Abschiebung geben, in Büchel (gegen die Lagerung von Atomwaffen) und am Bombodrom (gegen den Bau des Bombodroms) sind anti-militaristische Camps bzw. Besetzungen geplant. Für ein linkes Klima-Camp hat sich schon vor längerer Zeit ein Bündnis gebildet. Zeitlich parallel zum G8 Gipfel in Japan geplant und noch auf der Suche nach einem sinnvollen Ort, hat sich dieses Bündnis die politische Intervention in die herrschaftliche Klimapolitik (z.B. Bau von Kohlekraftwerken) sowie in die derzeitige Klimadebatten zum Ziel gesetzt.

Während die Plena stark vom Pro und Contra eines gemeinsamen Events dominiert waren, gab es in den Workshops und den Open-Space Veranstaltungen intensive Arbeit an einzelnen Themen wie auch den Versuch, sinnvolle thematische Schnittstellen verschiedener Bewegungen herzustellen. Gerade die Diskussionen um Inhalt und Möglichkeiten einer radikal linken Klima- und Umweltbewegung war durch das Bedürfnis bestimmt, wirkliche Querverbindungen zu sozialen Kämpfen und globalen Herrschaftsverhältnissen zu entwickeln. Auffallend war m.E. auch das große Interesse an Debatten um Bürgerrechte und Repression. Spannend war, dass es eben nicht einfach um die Aufarbeitung der erfahrenen Repression ging, sondern nach Möglichkeiten einer staatskritischen "Bürgerrechtsbewegung" (in einer europäischen Dimension) gefragt wurde und engagiert die Schnittstellen zu antimilitaristischer Politik ("Innere/Äußere Sicherheit", zivil-militärische Zusammenarbeit usw.) ebenso wie zu sozialen Rechten bearbeitet wurden. Ob es diese oder andere Themenfelder sind, an denen die im G8 Prozess Engagierten "in Bewegung bleiben" und über "G8" mit anderen "Bewegung werden", wird sich im Laufe dieses Jahres zeigen.

Selbstverständlich gab es auch eine Vielzahl anderer diskutierter Themenfelder und Aktionsvorschläge. Die Organisator/innen der Perspektiventage sind derzeit bemüht, alle Protokolle, Wandtafeln und andere Mitschriften für alle auf der Homepage http://www.perspektiventage.de verfügbar zu machen.

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Corinna Genschel ist im Vorstand des Komitee für Grundrechte und Demokratie.