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NEIN zur gesamteuropäischen Sicherheitspolitik
Ein klares Nein sagen 37 CDU/CSU-Bundestagsabgeordnete sowie 20 Mitglieder der Nationalversammlung und 71 Senatsmitglieder in Frankreich zu allen Vorstellungen einer gesamteuropäischen Sicherheitspolitik.
In einer von neun französischen Ex-Ministern und den abrstungs-, verteidigungs-, außen- und wirtschaftspolitischen SprecherInnen der CDU/CSU unterzeichneten Erklärung "zur künftigen politischen und sicherheitspolitischen Ordnung in Europa" wird eine deutliche Verstärkung der westeuropäischen militärischen Kooperation gefordert. Dazu gehören u.a.:
- eine gemeinsame Eingreiftruppe fr Einsätze z.B. in der Golf-Region;
- eine gemeinsame Rstungsexportpolitik der Hauptexporteure Europas;
- die Aufstellung multinationaler Streitkr„fte mit integriertem Kommando;
- eine wachsende Rolle der französischen und britischen Nuklearstreitmacht im Rahmen einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion.
Die deutsch-französische Parlamentarier-Erklärung hat in den hiesigen Medien kaum eine Rolle gespielt. Das wird ihrem Gewicht nicht gerecht. Nachstehend veröffentlichen wir wesentliche Auszüge aus dem Papier. (GW)
"Die Wiedervereinigung Deutschlands darf nicht als Gefahr fr Europa verstanden werden, sondern als Chance, auch die Einheit Europas entscheidend und schneller als geplant voranzubringen. Das gilt fr alle Bereiche der Politik; vor allem fr die Wirtschaft und Währung. Es gilt aber gerade auch für die Sicherheitspolitik.
Die sehr weitreichende Verminderung der Bedrohung Westeuropas von Seiten der Sowjetunion darf nicht zu einem Rückfall in nationalstaatliche Strukturen der Verteidigung mit „äußerst negativen Folgen fr die politische Einheit Europas führen. Daher müssen jetzt Weichen fr eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungsunion Europa gestellt werden. Diese ist unerläßlicher Teil einer europäischen politischen Union, die im Bündnis mit den USA als Teil eines gesamteuropäischen Sicherheitssystems eine dauerhafte Friedensordnung auf dem Kontinent gewährleistet.(...)
Begründung
- Die sicherheitspolitischen Strukturen müssen den politischen entsprechen. Bereits heute zeichnet sich klar ab, und es entspricht unserem Willen, daß künftig die im Aufbau zu einer politischen Union befindlichen Europäische Gemeinschaft ein Gravitationszentrum auf dem Kontinent sein wird. Die Europäische Gemeinschaft wird zusammen mit einem transatlantisch abgesicherten und auch verteidigungspolitisch zusammengewachsenen (West)Europa sowie einer im Umbau befindlichen Sowjetunion die Schlüsselelemente fr den Aufbau neuer Sicherheitsstrukturen fr ganz Europa darstellen.
- Eine politische Union ohne Einschluß der Sicherheits- und Verteidigungspolitik kann es nicht geben und umgekehrt. Zwar besteht die begründete Hoffnung, daß der militärische Faktor in Europa an Bedeutung noch stärker verlieren wird, aber die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Verteidigung bleiben als Ausdruck des Selbstbehauptungswillens unerläßlicher Bestandteil einer jeden politisch verfaßten Gemeinschaft. Die jüngsten Ereignisse am Golf zeigen, wie notwendig es ist, daß Europa ber eine gemeinsame Eingreiftruppe und eine gemeinsame Verteidigung verfügt.
- Die NATO ist die einzig noch intakte Sicherheitsstruktur in Europa. Sie ist die Basis, von der aus die künftigen europäischen Sicherheitsstrukturen entwickelt werden müssen. Die NATO-Integration hängt von der führenden militärischen Rolle der USA bei der Verteidigung Europas ab. Diese wird sich in einer politisch und militärisch grundlegend veränderten Situation - wie sie sich abzeichnet - ändern. Die Sowjetunion wird aber eine Weltmacht bleiben, deren Gewicht auf absehbare Zeit nur im engen strategischen Verbund mit den USA ausgeglichen werden kann. Die Vereinigten Staaten werden im Bündnis mit Europa die Rolle eines Garanten der politischen Ordnung spielen, während die Europäer die Hauptverantwortung fr ihre Sicherheit selbst übernehmen können.
Die NATO umgestaltend müssen daher integrative europäische Strukturen entwickelt werden. (...) - Die gemeinsame europäische Verteidigung kann sich nicht nur auf den Ost-West-Bereich erstrecken; sie muß sich auch auf jene Gebiete beziehen, in denen legitime Sicherheitsinteressen Europas bedroht sind. Das gilt vor allem fr den Mittelmeerraum und den Nahen und Mittleren Osten. (...)
Die „äußerst problematischen Folgen der bisherigen Rüstungsexportpolitik aller Industriestaaten - auch der westeuropäischen - müssen zu einer gemeinsamen Rstungsexportpolitik der Hauptexporteure Europas führen. Sie muß ungleich zurückhaltender sein als die jetzige. Die Rüstungskooperation in Europa muß auch diesem Ziel dienen. Eine gemeinsame Rüstungsexportpolitik Europas muß mit den USA und der Sowjetunion abgestimmt werden. (...)
- Mit dem Aufbau einer gemeinsamen europäischen Verteidigung sollten alle Länder beginnen, die dazu willens und in der Lage sind. Hierbei bietet sich als erster Schritt die Aufstellung multinationaler Streitkräfte mit integriertem Kommando an. Eine Ausweitung schon vorhandener multinationaler Organisationsformen, einschließlich multinationaler Eingreiftruppen, kann als Katalysator einer europäischen Sicherheitsidentität, als Vorstufe für eine europäische Verteidigung und damit der europäischen Integration dienen. (...)
- Wenn sich die politische und militärische Lage in Europa weiterhin so ändert wie bisher und wie in den Abrüstungszielen des Westens geplant, wird das einen grundlegenden Wandel der nuklearen Philosophie, der Struktur der nuklearen Waffen und der nuklearen Strategie der Allianz zur Folge haben. Ziel muß es sein, die bisherige Nuklearstrategie der NATO - nämlich die Strategie der Abschreckung (deterrence) - zu ersetzen durch eine glaubhafte Strategie der Abratung (Diskussion), die es erlaubt, den Rückgriff auf den Einsatz nuklearer Waffen zu vermeiden. Wir sehen in der Gipfelerklärung vom 6. Juli 1990, Ziffer 18, eine solche Absicht und somit eine Angleichung an die Strategie Frankreichs.
Unter der Annahme eines nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und der Sowjetunion deutlich abgesenkten Niveaus von Nuklearwaffen und deren verringerter militärischer Bedeutung könnten die französischen und britischen Nuklearsysteme eine wachsende Rolle im Rahmen einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion spielen. Die nationale Zuständigkeit fr die Entscheidung ber ihren Einsatz bleibt davon unüberhört. (...)
- Neben dem Netz abrüstungs- und sicherheitspolitischer Vereinbarungen muß ein solches wirtschaftlicher Verflechtung und der Zusammenarbeit in allen Bereichen ber ganz Europa geworfen werden, um Krieg immer mehr auszuschließen. Dem Verhältnis Europäische Gemeinschaft-Sowjetunion kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. (...)"