Neue Regeln für evangelische Militärseelsorge?

von Gregor Witt
Hintergrund
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Praktisch seit Gründung der Bundeswehr sorgen sich die Kirchen um die Seelsorge an Soldaten. Kritik daran gab es immer wieder, doch blie­ben die Kritiker jahrzehntelang in der Minderheit. Seit der Vereinigung ist das anders. Die evangelischen Landeskirchen der Ex-DDR haben die Übernahme des Militärseelsorgevertrages verweigert. Sie wollen die klare Trennung von Kirche und Staat.

In Ostdeutschland stößt vor allem der Status der Militärpfarrer als Staatsbe­amte und die Unterstellung unter das "Ev. Kirchenamt für die Bundeswehr" auf. Denn dadurch ist der Verteidi­gungsminister oberster Dienstherr. Ob­wohl der Militärbischof in kirchlichen Dingen oberster Chef ist, sind die Bin­dungen an Staat und Armee eng. So er­teilen die Militärpfarrer den Soldaten "Lebenskundlichen Unterricht". Grund­lage dafür ist eine Dienstanweisung des Bundesverteidigungsministeriums.

In Ostdeutschland erproben die Geistli­chen ein staatsunabhängiges Alterna­tivmodell: Die Pfarrer werden allein von der Kirche bezahlt und bleiben einge­bunden in ihre Landeskirche. Im No­vember 1993 sollte die Synode der Ev. Kirche in Deutschland (EKD) über die Zukunft der Militärseelsorge und die Einbindung der rund 140 Militärpfarrer in die Kirche entscheiden. Doch wurde die Entscheidung vertagt. Die 24 Lan­deskirchen sollen sich erst eine Meinung bilden. Voraussichtlich in zwei Jahren wird man wissen, wie die neue Gestalt der Soldatenseelsorge aussehen wird.

Die Basis für die Diskussion bilden zwei vom Ausschuss zur künftigen Ge­staltung der Militärseelsorgevertrag vorgestellte Modelle, die der EKD-Syn­ode vorlagen. Gemeinsame Grundsätze beider Modelle sind u.a.:

"1b) Die in unserer Kirche nebeneinan­der vertretenen verschiedenen bis ge­gensätzlichen friedensethischen Positio­nen und Einstellungen zu Waffen, Krieg und Gewalteinsatz entlassen die Kirche nicht aus der Verantwortung für die Seelsorge an den Soldaten. Der Auftrag für die Seelsorge an den Soldaten hat seinen Ursprung wie jeder andere kirch­liche Auftrag im Missionsbefehl Jesu und in der Verantwortung der Kirche für ihre getauften Glieder. Er ist nicht Ausfluss einer bestimmten friedensethischen Position."

1l) Im Ausschuss ist es wichtiger Kon­sens, daß die strukturelle und organisa­torische kirchliche Bindung der Militär­seelsorgevertrag enger zu gestalten ist, als es bisher gängige (westliche) Praxis ist. Damit soll die innerkirchliche Ak­zeptanz dieser Arbeit erhöht und die in­tensive inhaltliche und persönliche, er­mutigende und kritische Begleitung durch die Gesamtkirche gestärkt wer­den. Dies kann dazu beitragen, eine in­haltlich eigengeprägte Theologie in der Militärseelsorgevertrag zu vermeiden. Ebenso kann dadurch eine Ablehnung der Seelsorge an den Soldaten durch an­dere kirchliche Arbeitszweige vermin­dert werden."

"1o) ... Der bislang nur in der Zentralen Dienstvorschrift 66/2 des Bundesmini­sters der Verteidigung - also nur durch den Staat - geregelte Lebenskundliche Unterricht sollte zum Gegenstand einer Vereinbarung zwischen Staat und Kir­che gemacht werden. Diese Vereinba­rung sollte nicht den Rang eines Staats­vertrages haben, also nicht ratifikations­bedürftig durch den Bundestag und EKD-Synode in eigenen Gesetzen sein..."

Hier die wichtigsten Unterschiede:

Modell A

"3 a) Fortentwicklung ohne Änderung des Militärseelsorgevertrages (...)

3 b) ... besteht keine überzeugende Notwendigkeit, den Beamtenstatus auf­zugeben. (...)

3 c) Im Militärseelsorgevertrag nur kurz behandelt (Artikel 14) hat es (das Ev. Kirchenamt für die Bundeswehr, GW) die 'zentralen Verwaltungsaufgaben der evangelischen Militärseelsorge' wahr­zunehmen. Im Laufe der Entwicklung ist die theologische Arbeit als besonde­rer Schwerpunkt verstärkt worden.

Diese Arbeit sollte aber nicht nur dort, sondern vor allem innerkirchlich in den Strukturen der Kirche wahrgenommen werden. Daher empfiehlt sich, die theo­logische Arbeit und Begleitung der Mi­litärseelsorge ... zur organisatorisch un­mittelbaren Sache auch der Kirche zu machen. Dafür sollte eine entsprechende Organisationseinheit am Sitz des Bun­desministeriums der Verteidigung in Bonn in das Kirchenamt der EKD eingegliedert werden. Diese Einheit sollte dem Militärbischof unterstellt werden, der nach dem Militärseelsorgevertrag die kirchliche Leitung der Militärseel­sorge hat. Der Militärbischof sollte hauptamtlich oder doch wesentlich hauptamtlich tätig sein."

Modell B

"4 a) Fortentwicklung mit Veränderung des Militärseelsorgevertrages (...)

4 b) ... soll der strittige Bundesbeamten­status der Militärpfarrer in den Status von Seelsorgern als Soldaten als Pfarrer im unmittelbaren Dienst der EKD über­führt werden. (...)

4 c) Das evangelische Kirchenamt der Bundeswehr soll in das Kirchenamt der EKD eingegliedert werden und am Sitz des Bundesministeriums der Verteidi­gung verbleiben. Es soll vom evangeli­schen Militärbischof geleitet werden, der nach dem Militärseelsorgevertrag die kirchliche Leitung der Militärseel­sorge hat. Der Militärbischof sollte hauptamtlich oder doch wesentlich hauptamtlich tätig sein. (...)

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