Neue UNO-Resolution gegen Atomwaffen

von Martin Singe
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Gemäß Artikel VI des Nichtweiterverbreitungsvertrages über Atomwaffen (NPT-Vertrag) haben sich die unterzeichneten Staaten verpflichtet, über die Denuklearisierung der Welt zu verhandeln. Die Atomwaffenstaaten selbst jedoch weigern sich, dieser Forderung nachzukommen. Nun hat die letzte UN-Vollversammlung noch einmal Dampf gemacht. Mit einer neuen Resolution soll der Atomwaffenabbau beschleunigt werden.

Am 4. Dezember 1998 stimmten 114 Staaten für die Resolution "Auf dem Weg in eine atomwaffenfreie Welt: Die Notwendigkeit einer Neuen Agenda". 18 Staaten stimmten gegen die Resolution und 38 Staaten enthielten sich. Die rot-grüne Bundesregierung brachte es gerade mal auf eine Enthaltung, ganz im Gegensatz zu den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages. Die NATO-Atomwaffen-Staaten USA, Großbritannien und Frankreich hatten sich scharf gegen die Resolution ausgesprochen und sie abgelehnt. Jedoch folgte ihnen aus der NATO nur die Türkei, die anderen NATO-Staaten enthielten sich der Stimme. Auch die GUS-Staaten zeigten sich gespalten. Während Russland und Armenien gegen die Resolution stimmten, befürworteten Aserbeidschan und Weißrussland die Vereinbarung, die übrigen enthielten sich. Auch China hat sich bei der Abstimmung enthalten. Des weiteren fanden sich unter den Resolutionsablehnern Pakistan und Indien sowie einige der europäischen NATO-Beitrittskandidaten, die bei den Tonangebenden in der NATO einen brav-folgsamen Eindruck hinterlassen wollten.
Die Initiative für diese Resolution war von der sog. "Neuen Agenda-Koalition" (Ägypten, Brasilien, Irland, Mexiko, Neuseeland, Schweden und Südafrika) ausgegangen. Ursprünglich gehörte auch Slowenien zu den Initiatoren. Auf internationalen Druck hin zog es sich jedoch zurück und enthielt sich bei der Abstimmung.

Die neue Agenda fordert die vollständige Abschaffung der Atomwaffen, da die einzige vollkommene Verteidigung gegen Atomwaffen deren Abschaffung und die gegenseitige Versicherung, nie wieder welche zu produzieren, sei. Dazu müsse auf einer internationalen Konferenz ein universales und multilaterales Rahmenwerk ausgearbeitet werden. Die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) solle ein System von Kontrolleinrichtungen erarbeiten. Die offiziellen fünf Atomwaffenmächte werden aufgerufen, sich in den Prozess zur vollständigen Abschaffung aller Atomwaffen voll zu integrieren. Sie sollten als erstes über die Abrüstung der strategischen Atomwaffen verhandeln, deren Alarmbereitschaft aussetzen und die Sprengköpfe von den Abschussrampen entfernen. Die strategischen Doktrien sollten revidiert werden. Jegliche weitere Entwicklung und Stationierung von Atomwaffen habe zu unterbleiben. Die Einrichtung atomwaffenfreier Zonen, vor allem in Spannungsgebieten wie im Nahen Osten oder in Südasien könne einen Beitrag auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt sein.

Am heftigsten wurde die Resolution von den USA, Frankreich und Großbritannien bekämpft. Sie beschrieben die Forderungen als kontraproduktiv, schwarzseherisch und mit den Abschreckungsprinzipien unvereinbar. Auch Indien und Pakistan argumentierten mit der Vorbildwirkung der Abschreckung. China unterstützte als einziger Atomwaffenstaat mehrere Teile der Resolution, enthielt sich jedoch der Stimme, da der Zeitpunkt für die Umsetzung aller Forderungen noch nicht gekommen sei.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass das außenpolitische Komitee des kanadischen Unterhauses ein Dokument zur Zukunft der Atomwaffen veröffentlicht hat. Darin wird Kanada aufgefordert, die Nuklearstaaten zur atomaren Abrüstung zu ermuntern, das Konzept der Außergefechtsetzung von Atomwaffen zu unterstützen, die Erarbeitung einer atomaren Abrüstungskonvention zu unterstützen und sich in der NATO dafür einzusetzen, dass das atomare strategische Konzept hinterfragt und aktualisiert wird. Bonn hätte also durchaus starke Partner, wenn es z.B. auf die Abschaffung des Ersteinsatzkonzeptes in der NATO drängen würde, statt nach einer Bemerkung wieder schweigend in NATO-Gehorsamsstellung zu verharren.

(Quellen: Disarmament Times, Nr. 5, Dez. 98; DER PAZIFIST Nr. 1/119, Jan. 99)

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".