USA nach den Wahlen

Neuer Präsident – neuer Kalter Krieg

von Otmar Steinbicker
Hintergrund
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Die ersten Schritte der neuen US-Administration unter Präsident Joe Biden in Richtung Außenpolitik deuten eine drastische Verschärfung des Kurses gegen Russland und China an, der die kältesten Zeiten des Kalten Krieges zu toppen droht.

Im Wahlkampf hatte es noch widersprüchliche Signale gegeben: Einerseits scharfe Töne vor allem gegen China, die denen der Republikaner nicht nachstanden, andererseits die deutliche Aussage, sich ernsthaft gegen die Folgen des Klimawandels zu engagieren. Klar war, beides zusammen geht nicht. Die Problematik des Klimawandels erfordert internationale Kooperation auch der USA, Russlands und Chinas. Die Problematik des Auftauens des sibirischen Permafrostbodens mit der Folge der Freisetzung gigantischer CO2-Mengen erfordert sogar in naher Zukunft erhebliche gemeinsame internationale Investitionen im Überlebensinteresse aller Nationen.

In seiner Rede bei der Münchener Sicherheitskonferenz am 19. Februar 2021 erklärte Biden etwas kryptisch: „Die Historiker werden diesen Augenblick, wie ich bereits sagte, als einen Wendepunkt untersuchen und so über ihn schreiben“ und kündigte einen „langfristigen strategischen Wettbewerb mit China“ an, der „hart“  werde. Weiter benannte er die „Bedrohung aus Russland“ und nannte namentlich den russischen Präsidenten: „Putin strebt die Schwächung des europäischen Projektes und des NATO-Bündnisses an.“

Drei Tage zuvor hatte er Victoria Nuland zur Under Secretary of State for Political Affairs und damit zur Nummer 3 im US-Außenministerium nominiert. Die Dame war Anfang Februar 2014 im Verlauf der Ukraine mit so heftigen Bemerkungen gegen die EU aufgefallen, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel explizit äußerte: Die Beleidigung der EU sei „absolut nicht akzeptabel“. Spiegel Online bezeichnete Nuland am 10.2.2015 als „Amerikas Krawall-Diplomatin“.

Krawallig gab sich auch Biden, als er in einem  Interview des Senders ABC News gefragt wurde, ob er der Ansicht sei, dass Putin „ein Mörder ist“. Biden antwortete: „Das tue ich.“ Diese Aussage markiert den tiefsten Stand der Beziehungen zwischen den USA und Russland seit 1945. Nicht einmal in den schlimmsten Tagen des Kalten Krieges gab es eine solche Aussage eines amerikanischen Präsidenten über sein Gegenüber – auch nicht als sowjetische Panzer 1953 den Aufstand in der DDR, 1956 in Polen und Ungarn und 1968 den Prager Frühling niederwalzten. Eine solche Aussage erschien unmöglich, da sie in letzter Konsequenz das Ende der Diplomatie bedeutet. Allerdings reagierte Putin geschickt gelassen darauf und bot Biden ein Telefongespräch an, das aber nicht von Biden nicht angenommen wurde. Ernster war die Rückberufung des russischen Botschafters aus den USA mit der Begründung, Russland wolle seine Beziehungen zu den USA neu überdenken.

Als Hauptfeind wird von der Biden-Administration China als stärkster ökonomischer Konkurrent gesehen. China soll in seiner Entwicklung ausgebremst und vor allem vom Zugriff auf Hochtechnologie ferngehalten werden. Ob das gelingen kann, ist zweifelhaft. China hat bereits angekündigt, erheblich mehr in die Technologieentwicklung zu investieren und sich zunehmend auf den Binnenmarkt zu konzentrieren, um Abhängigkeiten vom Ausland zu reduzieren. Deutsche Autobauer haben diese Ankündigung mit Blick auf ihre Exportchancen mit Erschrecken zur Kenntnis genommen.

Dabei geht es längst nicht mehr nur um einen „Handelskrieg“, eine ökonomische Auseinandersetzung mit harten Bandagen, sondern auch um die Möglichkeit einer militärischen Konfrontation mit dem Reich der Mitte. Die neue China-Politik der USA, so schrieb die „New York Times“ am 17.3.2021 besorgt, stelle eine völlige Umkehr gegenüber der China-Politik der früheren demokratischen Präsidenten Clinton und Obama dar. Es scheine sogar breite Übereinstimmung darüber zu geben, dass die Beziehungen zwischen den USA und China nicht nur einen der tiefsten Punkte seit 1949 erreicht haben, sondern dass sie sogar noch schlimmer zu werden drohen. Auch wird Henry Kissinger zitiert, der vor 50 Jahren die Öffnung der USA gegenüber China mit initiierte. „Die Gefahr“, so Kissinger im November unmittelbar nach der Wahl Bidens, „ist, dass es zu einer Krise kommt, die über Rhetorik hinausgeht und zu einem wirklichen militärischen Konflikt wird.“

Kurz vor einem lange geplanten Treffen der Außenminister der USA und Chinas verfügte die Biden-Administration Sanktionen gegen 24 chinesische Regierungsvertreter*innen. Das Treffen begann daraufhin mit heftigen gegenseitigen Beschuldigungen der Chefdiplomat*innen beider Seiten und endete in offenem Dissens.

Wenige Tage später reiste Russlands Außenminister nach China. Dass sich beide Länder auf die neue Situation im Verhältnis zu den USA einstellen müssen, versteht sich und dass sie dabei enger aneinanderrücken, ist wahrscheinlich. Selbst eine neue militärische Blockbildung, die beide Länder bisher vermieden, ist dabei nicht mehr auszuschließen. Sollte es dazu kommen, dürfte der Westen das als Eskalation begreifen, was zu einem Drehen an der Eskalationsschraube führen mag.

Auch wenn Biden vielleicht am Ende vielleicht nicht den großen Krieg will, so kann bei fortschreitender Eskalation letztlich eine Fehlinterpretation militärischer Pläne und Aktionen von welcher Seite auch immer, einen solchen Krieg auslösen. Die Zeiten der Gewissheit, dass die Verantwortlichen auf allen Seiten den großen Krieg vermeiden werden, weil er nicht zu gewinnen ist, sind wohl vorbei. Die Gewissheit, dass wir einen solchen Krieg nicht überleben werden, bleibt.

Otmar Steinbicker ist Redakteur des Friedensforums.

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Otmar Steinbicker ist Redakteur des FriedensForums und von aixpaix.de