Nukleare Nostalgie

von Achim Schmitz Ulf Terlinden
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Nach dem Vollzug der beschlossenen Abrüstungsinitiativen verbleiben in der Bundesrepublik ca. 700 britische und amerikanische nukleare Freifallbomben. Trotz der weltweit veränderten Realitäten hält sich die NATO diese atomare Option für Westeuropa weiterhin offen. Die ca. 50 Freifallbomben (Typ WE 177) der britischen Luftwaffe bei Brüggen / Niederrhein (ca 40 km von Düsseldorf entfernt) gaben uns Anlaß zur Gründung der Initiative "Atombomben raus!".

Dieser Anfang 1992 entstandene Zu­sammenschluß aus Mitgliedern lokaler Greenpeace-Gruppen, der Aktionsge­meinschaft Fluglärm Niederkrüchten e.V. sowie zahlreichen betroffenen Bür­gerInnen führte am 5. Juni 92 einen Ak­tionstag durch: Vor der Einfahrt des flugplatzes machten DemonstrantInnen in Schutzanzügen mit einer vier Meter hohen Bombenattrappe und mehreren Transparenten auf die direkte Nachbar­schaft zur atomraen Bedrohung auf­merksam. An zwei weiteren Punkten in Niederkrüchten wurden mehrere Tau­send Flugblätter entlang einer Bundes­straße verteilt.

Explosiv!

Die "feine englische Art" äußerte sich an diesem Stützpunkt in besonderer Weise. Neben dem allgemein bekannten Be­drohungspotential nuklearer Waffen existiert bei diesem System vermutlich ein zusätzliches Risiko: Die Spreng­köpfe werden zu Wartungszwecken re­gelmäßig nach Großbritannien geflogen; durch den Absturz einer Transportma­schine könnten sie starken Erschütte­rungen und großer Hitze ausgesetzt werden, so daß der Austritt radioaktiven Materials und sogar eine atomare Deto­nation nicht ausgeschlossen werden können. Diese Befürchtung äußerte die Umweltschutzorganisation Greenpeace bei ihrer Aktion am 21. Oktober 1991 am Tor der Luftwaffenbasis. Unseren Informationen zufolge ist das B-57-Sy­stem, auf dessen Basis die WE177 ent­wickelt wurde, mit einem einge­schärnkten Transportverbot belegt.

Das britische Verteidigungsministerium verkündete im Oktober 1991, daß es eine Arbeitsgruppe mit der Überprüfung der Sicherheit britischer Atomwaffen beauftragte - selbstverständlich in der Zuversicht, daß kein Sicherheitsmangel besteht. Das Ergebnis ist bis heute noch nicht bekannt...

Weiter so?!

Doch damit nicht genug: Die britische Regierung plant die Ersetzung der Frei­fallbomben durch neue taktische Luft-Boden-Raketen (TASM) zum Ende des Jahrzehnts. Dieses Waffensystem befreit die Luftwaffe von der Notwendigkeit, in den "feindlichen" Luftraum einzudrün­gen, um die tödliche Fracht an ihr Ziel zu bringen: Es handelt sich um Marsch­flugkörper, die in der Lage sind, vom Abschußpunkt aus noch mehrere Hun­dert Kilometer weit zu fliegen.

Wer die Forderungen der Initiative un­terstützen möchte, schreibe bitte an den Bundesminister für Verteidigung, Vol­ker Rühe, Hardthöhe, 5300 Bonn und fordere den Abzug und die Vernichtung der in der Bundesrepublik verbleiben­den Freifallbomben sowie die Beendi­gung von sämtlichen Planungen für neue Atomwaffensysteme. Für eine Ko­pie entsprechender Briefwechsel sind wir dankbar.

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Dr. Achim Schmitz ist Sozialwissenschaftler und Sozialpädagoge mit Schwerpunkt „Friedenspolitische Bildungsarbeit“ und Trainer für Gewaltfreiheit. Er promovierte zum Thema „Gewaltfreiheit trainieren“ an der Hochschule Vechta; sein Buch „Gewaltfreiheit trainieren“ erscheint 2010 beim Verlag Sozio Publishing in Belm-Vehrte.
Ulf Terlinden ist Mitarbeiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit (BITS) und studiert Politikwissenschaft an der FU Berlin