"O" wie Osman

von Osman Engin

"Hallo, hier spricht Hedwig Prizibilsky!"

"Ja, guten Tag, hier ist Osman Engin. Ich habe von einem Arbeitskollegen ge­hört, daß Sie seit einem halben Jahr eine Dachgeschoßwohnung freistehen haben. Und da wollte ich Sie mal so fragen ..."

"Ostmann? Sagten Sie Ostmann?"

"Nein, nein. Ich bitte um Entschuldi­gung. Ich habe mich vielleicht nicht deutlich ausgedrückt, Frau Prizibilsky, mein Name ist Os-man! Osman Engin."

"Holzmann, Holzmann-Erwin? Ich kenne gar keinen Erwin Holzmann. Oder vielleicht doch, ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern."

"Frau Prizibilsky, ich bin ganz Ihrer Meinung! Keine Wohnung sollte so lange freistehen. Deshalb möchte ich Sie höflichst bitten, mir zu sagen, wie hoch die Miete ..."

"Höflich? Ich höre immer 'höflich'! Ich finde es mehrmals unhöflich, daß Sie mir nicht Ihren Namen sagen. Unter zi­vilisierten Menschen ist das so üblich.

"Entschuldigen Sie, das tut mir wirklich leid. Da habe ich doch glatt vergessen, meinen Namen zu nennen. Ich heiße Osman, Osman Engin, und weil ich ge­hört habe, daß Sie eine sehr schöne Wohnung ..."

"Jetzt habe ich Ihren Namen endlich verstanden. Ich glaube, ich kenne Sie. Irgendwie kommen Sie mir bekannt vor, Herr Rossmann ..."

"Nein, Osman ..."

"Bitte, bitte, bitte nicht unterbrechen. Ich habe es gleich ... Rossmann, Sie wohnen doch direkt neben dem Wasch­salon!"

"Ich wohne im Waschsalon, wenn ich nicht bald eine neue Wohnung habe!"

"Im Waschsalon? Aber Herr Ross­mann!!"

"Liebe Frau Prizibilsky, ich buchsta­biere jetzt meinen Namen noch einmal: Also. 'O', wie, wie, wie: 'O' wie Osman, und ich rufe an, weil ich wissen will, was mit der Wohnung ..."

"Ah, sagen Sie doch gleich. Jetzt fällt es mir wieder ein. Sie wollen das neue Telefon bringen. Sie sind der Post­mann!"

(Du taube Nuß, du brauchst kein Tele­fon, du brauchst ein Hörgerät, aber mit 1000-Watt-Verstärker.)

"Gnädige Frau, es tut mir unendlich leid. Ich weiß, Sie haben lange auf Ihr Telefon gewartet. Ich muß Sie enttäu­schen. Ich sehe vielleicht so aus, aber ich bin nicht der Postmann. Auch nicht der Milchmann. Aber ich kenne jeman­den bei der Post. Wenn Sie wollen, kann ich meine Beziehungen spielen lassen."

"Wenn Sie das neue Telefon nicht brin­gen wollen, was wollen Sie dann ei­gentlich von mir, Herr Postmann?"

"Frau Prizibilsky, versuchen wir es an­dersrum. Gehen Sie doch mal vor die Tür, und halten Sie die ersten drei Schwarzhaarigen mit möglichst langem Schnurrbart an. Mit Sicherheit heißt ei­ner von den dreien 'Osman'.

"Warum sagen Sie es dann nicht gleich. Sie sind von der Firma Osram, die Birne."

"Nein, die Gurke. Bei Allah, ich heiße Osman. Schluchz ..., schluchz ..., Os-man!"

"Aber das ist doch kein Grund, traurig zu sein. Das kann doch jedem passieren, Herr Kloßmann."

"Okay, Sie haben gewonnen: Ich heiße gar nicht Osman. Ab jetzt bin ich Ali. Wie Ali Baba und die 40 Räuber. Aber ich bin nur Ali, ohne Baba, und Räuber kenne ich auch keine."

"Heinz Herbert, Liebling! Jetzt habe ich dich erkannt. Du willst mich nur wieder auf den Arm nehmen. Du Schlimmer. Fast hätte ich dir das geglaubt mit dem Ali Baba."

"Verzeihen Sie bitte. Da liegt ein Missverständnis vor. Ich bin noch nicht Ihr Liebling. Wir könnten es zwar mal pro­bieren, nur meine Frau darf davon nichts erfahren. Wenn Sie wollen, können Sie mich 'Osi' nennen. Das ist die Abkür­zung von Osman."

"Also, Herr Nußmann, ich weiß auch nicht. Sie gehen aber ran! Irgendwie ha­ben Sie auch so einen komischen Ak­zent. Sind Sie vielleicht kein Deut­scher?!!"

"Im Prinzip haben Sie nicht Unrecht, Frau Prizibilsky. So was wie mich nennt man bei uns in der Türkei Deutschling. Aber könnten Sie mir bitte sagen, wie hoch die Miete sein soll für Ihre freie Woh..."

"Tuuuuuuuut, tuuuuuuuut, tuuuuuu­uut!!"

aus "Der Sperrmüll-Efendi", Ge­schichten zum Lachen von Osman Engin, erschienen im Rowohl-Verlag, Reinbeck

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt
Osman Engin wurde am 25.9.1960 in der Türkei geboren und lebt seit Anfang der siebziger Jahre in Bremen. Sein Studium der Sozialpädagik schloß er mit dem Diplom ab. Seit 1983 veröffentlicht Osman Engin monatlich eine Satire in der Stadtillustrierten "Bremer". Auch andere Zeitungen und Zeitschriften, u.a. "Titanic" und "taz", wurden auf den deutsch schreibenden türkischen Autor aufmerksam und veröffentlichten seine Satiren. Als Bücher erschienen bisher: "Deutschling", "Der Sperrmüll-Effendi" und "Alle Dackel umsonst gebissen".