Offener Brief Teil 2

von Werner Kuhn

Der offene Brief des BÜNDNIS 90 an die Friedensbewegung hätte sich besser auf die Frage beschränkt was man ge­meinsam für den Frieden tun kann.

Denn die Beurteilung der Friedensbe­wegung: "sie müsse "realistischer" wer­den, auf "pazifistische Beschwörungs­rituale verzichten, weniger antikapitali­stisch sein und Amerika und die UNO nicht kritisieren; weil bei aller Unvollkom­menheit das nun mal die Or­ganisationen sind, die zur Konflikt­schlichtung, der Verhinderung und Beendigung von Kriegen am ehesten dienen können..."

ist zu oberflächlich und polemisch, um nützlich zu sein. Zudem erinnert diese Kritik bis in Details an die Argumenta­tion der Abschreckungsideologen in den Jahren des Wettrüstens.

Hätte die Friedensbewegung damals solche Ratschläge befolgt und die Kon­frontationspolitik der NATO - statt mit Massenprotesten - durch Solidaritätsak­tionen unterstützt, hätte Michail Gor­batschows Entspannungspolitik seinen Militärs gegenüber wohl kaum begrün­det werden können.

Heute nun soll die Teilnahme an UNO - Interventionen der richtige Weg zum Frieden sein.

Obwohl der Golfkrieg gerade erst ge­zeigt hat wie aus "Friedensaktionen" der UNO Kriegsverbrechen an der Zivil­bevölkerung wurden. Solange deshalb das Interesse der Industrienationen ent­scheidet, wo und wann Einmischung oder Nichteinmischung erfolgt, bleibt die UNO eine untaugliche Institution zur Wahrung oder Herstellung des Rechts in der Welt.

Selbst Blauhelm - Einsätze oder die Somalia - Aktion täuschen  - So hilfreich sie kurzfristig auch sein mögen - eine Wirksamkeit vor, die sie nicht ha­ben.

Solange Rüstung und Militär (die Vor­aussetzung für Kriege und Ursache von Armut) nicht grundsätzlich in Frage ge­stellt werden, sind bestenfalls Unterbre­chungen der Machtkämpfe zu erreichen.

Erst wenn zugunsten der UNO auf na­tionale Streitkräfte verzichtet und der UNO Polizeigewalt übertragen wird ist  die oft beschworene "Neue Weltord­nung" möglich.

Die Erfahrung vieler Kriege und das ge­rade zu Ende gehende Wettrüsten ver­langen zeitgemäßere Konfliktlösungen.

Vor allem den Verzicht, die UNO zur Tarnung selbstsüchtiger Interessenpoli­tik zu mißbrauchen.

Somalia zeigt gerade, wie für aufwen­dige Militäraktionen immer genügend Geld zur Verfügung steht. Wäh­rend für die Aufnahme aller Kriegs­flüchtlinge in den Anliegerstaaten - bis zur Wirksamkeit nichtmilitärischer Maßnahmen - die Mittel fehlen.

Der halbherzige Wirtschaftsboykott ge­gen Serbien und die unzureichende Überwachung deuten ebenfalls auf den Einfluß mächtiger Interessengruppen hin. Die Wirkungslosigkeit aller unblu­tigen Maßnahmen soll offenbar so lange demonstriert werden bis eine breite öf­fentliche Zustimmung zu Militär­interventionen erreicht ist.

Selbst die Blockade aller Nachrichten, Rundfunk und Fernsehübertragungen oder ein Chemiekalieneinsatz zur Auf­lösung aller Gummi- und Plastikteile an Waffen, wie es einige Militärstrategen als Machtdemonstration der UNO for­dern, scheint nicht opportun zu sein. Wie bedeutungslos Menschenleben heutigen Machthabern sind zeigen Mil­lionen Hungertote in der Welt, die Ame­rika und die EG nicht davon abhalten, Beschränkungen der Nahrungsmittel­produktion zu beschließen. Auch Atom- und Chemieanlagen, die unzählige Men­schen krank und ganze Landstriche un­bewohnbar machen sind Zeichen dieser Skrupellosigkeit.

Während unsere Regierung "von der größer gewordenen Verantwortung Deutschlands in der Welt" redet, die eine Teilnahme an Befriedungs- und Entwaffnungsaktionen der UNO ver­langt, rückt Deutschland vom 8. Platz der Waffenexporteure im Jahr 1989 auf die 3. Stelle der Waffenlieferanten im Jahr 1991 vor. (SIPRI - Jahrbuch 1992) Eine Entwicklung die politische Folgen haben muß.

Wenn vom deutschen Boden nur Frie­den ausgehen soll, wie unsere Politiker immer verkünden, muß "humanitäre Einmischung" in Jugoslawien und an­derswo darin bestehen:

-     Die Grenzen für alle Kriegsflücht­linge und Deserteure zu öffnen.

-     Auf rigorose Einhaltung aller Boy­kottmaßnahmen zu bestehen.

-     Die Erfassung aller Kriegsverbrechen zu ermöglichen.

-     Die vorhandenen Friedensinitiativen politisch und finanziell zu unterstüt­zen.

-     Prämien für Dersertation und Waffen zu zahlen.

Da für den Golfkrieg in wenigen Wo­chen 12 Milliarden DM bereit­gestellt wurden, sollte ein Bruchteil dieser Summe für unblutige Befriedungs­aktionen auch aufzubringen sein.

Hier liegen die Aufgaben für das BÜNDNIS 90 - ebenso wie für die SPD - wenn sie progressive Parteien sein wollen, Zukunftsorientierte Politik heißt: Frie­den durch Gerechtigkeit! Heißt weltweite Unterstützung von Friedens- und Menschenrechtsgruppen.

Bedeutet Rüstungskonversion und Ver­bot aller Waffenexporte. Auch wenn Opportunisten die Auseinandersetzung mit den betroffenen Interessengruppen scheuen. BRD ohne ARMEE und die Umwandlung der Bundeswehr in einen Katastrophen und Entwicklungshilfe­dienst (wie wir es seit 1983 fordern) ist der zukünftige Weg zum Frieden.

Lassen wir uns unblutige Formen der Konfliktbewältigung nicht als politische Naivität oder "deutschen Sonderweg" diffamieren.

Die Einsicht wächst, daß Kriege und Brandsätze gegen Fremde, samt "Befriedungsaktionen" nach Art des Golfkrieges Ausdrucksformen der glei­chen Gewaltmentalität sind.

Um den Rückfall in antiquierte militari­stische Vehaltensweisen zu verhindern, werden neue Anstrengungen nötig sein. Notfalls indem die Friedensbewegung selbst Partei wird.

Ausgabe

Werner Kuhn wirkt in der Westfälischen Friedensinitiative mit.