Israel-Palästina

Ohne Hoffnung gibt es kein Leben

von Otmar Steinbicker

Das folgende Interview führte Otmar Steinbicker mit Hai Askenazi (HA) und Jamil Qassass (JQ). Sie sind zwei Vertreter der „Combatants for Peace“, einer israelisch-palästinensischen Initiative.

OS: Ihr seid eine der wenigen gemeinsamen israelisch-palästinensischen Initiativen, und Ihr seid frühere israelische SoldatInnen und palästinensische Kämpfer, die jetzt zusammen für Frieden kämpfen. Wie habt Ihr zusammen gefunden?

HA: Combatants for Peace (CFP) wurde von ehemaligen Kämpfern beider Seiten während der zweiten Intifada gegründet. Von da an haben sich Leute, die die Nase voll von Gewalt haben, uns angeschlossen. Heute schließt die Bewegung alle Menschen ein, die Frieden wollen, auch Nicht-Soldaten.

OS: Israelis in Israel und Palästinenser in der Westbank machen jeden Tag sehr unterschiedliche Erfahrungen, insbesondere in Bezug auf die Besatzung. Was motiviert einen früheren israelischen Offizier, der seinen Militärdienst in den besetzten Gebieten geleistet hat, sich den Combatants for Peace anzuschließen?

HA: Viele Jahre dachte ich, dass man nicht mit der anderen Seite sprechen kann, dass Israel Recht hat und dass die Palästinenser übel sind und Unrecht haben. Dann begann ich, über den Konflikt zu lesen und fand heraus, dass beide Seiten schreckliche Dinge getan haben, und dass jede Seite ihre eigenen verständlichen Motive und Entschuldigungen hat. Seitdem fing ich an zu glauben, dass es Frieden in diesem Teil der Welt geben sollte und dass dieser Frieden möglich sei.

OS: Und was motiviert einen Palästinenser, der gegen die Besatzung gekämpft hat, sich einer gemeinsamen Initiative mit früheren Soldaten der Besatzungsarmee anzuschließen?

JQ: Ich glaube, dass Gewalt nicht der Weg ist und dass sie keinen Frieden bringen wird. Als ehemaliger Kämpfer kenne ich den Preis des Krieges, und ich glaube, dass das palästinensische Volk seine Freiheit nur auf gewaltfreiem Wege erlangen kann.

OS: Was sind die Ziele der Combatants for Peace?

JQ: Hier ist, was unsere Website schreibt:

  • In der Öffentlichkeit auf beiden Seite das Bewusstsein über die Hoffnungen und das Leiden der jeweils anderen Seite zu wecken und Dialogpartner zu schaffen,
  • Die israelische und der palästinensische Gesellschaft in Versöhnung und gewaltfreien Kampf zu bilden,
  • Politischen Druck auf beide Regierungen auszuüben, den Kreislauf der Gewalt zu stoppen, die Besatzung zu beenden und einen konstruktiven Dialog wiederaufzunehmen.

OS: Wie arbeitet Ihr zusammen? Wie versucht Ihr, an Eure MitbürgerInnen auf beiden Seiten zu appellieren?

JQ: Wir sind in mehreren Gruppen organisiert. In jeder Gruppe sind israelische und palästinensische Mitglieder. Wir treffen uns mindestens zweimal monatlich, um unsere Aktivitäten zu besprechen. Die Aktivitäten schließen Demonstrationen, Vorträge und Treffen in Häusern mit Menschen beider Seiten ein. Normalerweise sprechen bei jeder solchen Begegnung in einem Haus ein Palästinenser und ein Israeli und erzählen ihre Geschichte – wie sie aufgehört haben, zu kämpfen, und sich CFP anschlossen. Anschließend sprechen wir über die Combatants for Peace und wie wir die Situation sehen.

Demonstrationen können sowohl Demos in Israel, in den palästinensischen Gebieten oder (wie unsere letzte) nahe der Sicherheits-/Trennungsmauer sein.

OS: Vor einigen Monaten habt Ihr gemeinsame Treffen gegen den Gaza-Krieg durchgeführt. Was waren eure Erfahrungen?

HA: Während des Krieges stand unsere Gesellschaft ziemlich geschlossen hinter unserem Premierminister und hinter der Armee. Es gab viele extreme Stimmen gegen jeden, der den Krieg kritisierte. Heute höre ich andere Stimmen und denke, dass einige Leute verstehen, dass wir durch diesen schrecklichen Krieg nichts gewonnen haben. In den Monaten seither haben sich viele Leute den CFP angeschlossen.

JQ: Ich habe mich schrecklich gefühlt. Einige der Leute, die ich kenne, sagten, dass dies das Ergebnis von Frieden sei. Heute haben sich die Leute beruhigt und sind bereit, anderen Stimmen zuzuhören.

OS: Mit der Eskalation um den Haram a-Sharif /Tempelberg wächst die Gefahr einer blutigen dritten Intifada. Es gibt Extremisten und Ermordete und Verletzte auf beiden Seiten. Seht Ihr eine wirkliche Perspektive, solch ein großes Blutvergießen noch zu vermeiden?

HA: Ich hoffe wirklich, dass sich dies nicht zu einer gewaltsamen Intifada entwickelt. Ich glaube wie meine Organisation, dass der beste Weg, die Besatzung und die Ungerechtigkeit zu bekämpfen, die Gewaltfreiheit ist. Ich denke, dass, wenn die PalästinenserInnen auf gewaltfreiem Wege Widerstand leisten würden, wie z.B. sehr große Demonstrationen und Paraden, Israel keine Antwort darauf haben würde und sich bald von den besetzten Gebieten zurückziehen müsste.

OS: Sehr Ihr eine wirkliche Perspektive, Frieden zu schaffen?

HA: Ich glaube, dass Frieden möglich ist. Ich denke, dass, obwohl ich es nicht für die nahe Zukunft sehen kann, sich die Lage sehr schnell verändern kann. Selbst die Berliner Mauer fiel in einer sehr kurzen Zeit...

JQ: Ich glaube an Frieden und dass er möglich ist. Es muss Hoffnung geben, denn ohne Hoffnung gibt es kein Leben.

 

Die Combatants for Peace haben eine zweisprachige Website: http://cfpeace.org/. Übersetzung aus dem Englischen: Christine Schweitzer

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Otmar Steinbicker ist Redakteur des FriedensForums und von aixpaix.de