Ein Zeichen des Protestes gegen den Krieg in Tschetschenien
Wir, die Unterzeichneten, Bürger Russlands, Einberufene und Offiziere der Reserve, erklären hiermit aufgrund unserer Überzeugungen unsere kollektive Weigerung, der Einberufung zu den russländischen bewaffneten Kräften nachzukommen. Wir tun dies unter Berufung auf unser Recht, das uns von Art. 59, Abschnitt 3 der Verfassung der Russländischen Föderation garantiert wird.

Wir tun dies als effektivsten Ausdruck unseres Protests gegen den Krieg, den die Regierung unseres Landes gegen das Volk Tschetscheniens führt.

Es ist die Aufgabe des Staates, die Bürger, ihr Leben und ihre Rechte vor Banditen zu schützen. Doch heute, wie auch vor fünf Jahren, wird der Krieg nicht nur gegen die Basajews und Radujews geführt. Die Armee unseres Landes führt einen Krieg gegen vollkommen unschuldige Menschen: Die Bewohner des belagerten Grosny und anderer Städte und Dörfer der Republik, gegen die dort lebenden Menschen aller Nationalitäten: Tschetschenen, Inguschen, Russen.

Wir sind unterschiedliche Menschen. Einige von uns würden unter keinen Umständen eine Waffe in die Hand nehmen. Andere sind durchaus keine Pazifisten. Manche würden möglicherweise eine Laufbahn in der Armee einschlagen - wenn es die Armee eines demokratischen Staates wäre, der das Leben, die Freiheit und Würde des Menschen achtet.

Doch heute eint uns dies: Wir halten es für unmöglich, uns an dem zu beteiligen, mit dem wir nicht einverstanden sind. Wir wollen nicht Mittäter oder schweigende Helfershelfer der Kriegsverbrechen werden, die die Armee unseres Landes auf Befehl unserer Regierung vor den Augen der ganzen Welt in Tschetschenien verübt.
Wir tun dies auch, um unseren Freund Dmitrij Newerowskij aus Obninsk zu unterstützen, der den Kriegsdienst aus Überzeugung und als Zeichen des Protests gegen den Krieg in Tschetschenien verweigert hat und der dafür - entgegen der Verfassung - zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde, unter der für einen Kriegsdienstverweigerer beleidigenden Anschuldigung, sich vor dem Kriegsdienst "gedrückt" zu haben.

Diejenigen, die unter Missachtung von Gesetz, Recht und Verfassung die Anklage gegen Dmitrij vorbereitet und das Urteil gegen ihn durchgesetzt haben, hatten ein Ziel: Uns einzuschüchtern, uns zu zwingen, die Uniform anzuziehen und ihre Befehle auszuführen.

Sie haben sich verrechnet. Ihnen ist es nicht gelungen, uns einzuschüchtern. Denn wir sind stärker. Sie können uns bedrohen, die Gesetze verletzen, uns der "Drückebergerei" beschuldigen, uns zu Geldstrafen verurteilen oder sogar ins Gefängnis werfen. Aber die Hauptsache können sie nicht erreichen - uns zu zwingen, unsere Überzeugungen abzulegen und ihnen zu dienen.

Wir rufen alle Einberufenen Russlands auf, unserem Beispiel zu folgen: den Kriegsdienst aus Überzeugung und als Zeichen des Protests gegen den Krieg in Tschetschenien zu verweigern. Denn nur von uns hängt es ab, ob das Morden weitergeht. Ohne uns, das Kanonenfutter für Regierung und Generäle, sind sie machtlos.

Genau deshalb sagen wir heute: "OHNE UNS!"

Vladimir Alexandrowitsch SKRIPKIN, 25 Jahre, Student, Moskau; Konstantin Vladimirowitsch LAPSCHOW, 20 Jahre, Toningenieur, Moskau; Andrej Ewgenjewitsch BUSDALIN, 21 Jahre, Moskau; Pawel Nikolajewitsch LISOW, 18 Jahre, Arbeiter, Kaluga; Alexander Borisowitsch VASILJEW, 31 Jahre, Fernsehjournalist, Kaluga; Ewgenij Alexejewitsch PIMENOW, 18 Jahre, Schüler, Kaluga; Andrej Vasiljewitsch SAWKIN, 21 Jahre, Automechaniker, Kaluga; Konstantin Valentinowitsch PETUCHOW, 22 Jahre, Unternehmer, Kaluga; Dmitrij Gennadjewitsch MAXIMOW, 20 Jahre, Student, Kaluga; Viktor Michajlowitsch KOMAROW, 17 Jahre, Schüler, Kaluga; Marat Vadimowitsch VORONZOW, 24 Jahre, Journalist, Moskau.

Antimilitaristskaya Radikalnaya Assotsiatsiia, RUS-103045 Moskva, Pechatnikov per. 6; Tel./Fax: ++7-095-208-1805; Email: ara [at] glasnet [dot] ru; http://www.ara.ru

(Russisches Original veröffentlicht in: apc.glas.radical am 17. Dez. 1999, Übersetzung: Johannes Rohr j [dot] rohr [at] comlink [dot] apc [dot] org)