PeaceNet: Global handeln, vor Ort wählen

Managua, Juni 1989. In der Hauptstadt Nicaraguas findet der Kongress "Fate and Hope of the Earth" statt. Jürgen Nauber, Mitorganisator der Tagung, braucht wichtige Informationen aus Deutschland.
Am Informationsstand von PeaceNet gibt er die Nachricht an seinen deutschen Kollegen direkt in den Computer ein. Wenige Stunden später ruft dieser den Text aus dem Londoner GreenNet-Computer ab.

Das Computer-Netzwerk der "Asso­ciation of Progressive Communicati­ons (APC)", das diese schnelle und unkomplizierte Art der weltweiten Kommunikation ermöglicht, wirbt mit dem Slogan "Dial Locally, Act Globally", also der Abwandlung unseres "Global denken, vor Ort handeln". APC ist die weltweite Dachorganisa­tion der nichtkommerziellen Netzwerke PeaceNet, EcoNet (San Francisco) und GreenNet (London). Nachdem 1986 zunächst das PeaceNet-System in San Francisco und wenig später GreenNet in London installiert wurde, wächst die Zahl der TeilnehmerInnen und angeschlossenen Systeme ständig. Inzwischen gibt es weltweit 5000 elektronische Postfächer in den APC-Sy­stemen. Darunter sind so bekannte Gruppen wie Friends of the Earth, In­ternational Peace Bureau, IPPNW, War Resisters International usw. usw.
Neben den privaten Postfächern ma­chen aber die über 500 "conferences" den interessanten Teil der APC-Netz­werke aus. In diesen themenbezoge­nen "Konferenzen" werden wie an ei­nem schwarzen Brett Nachrichten oder Informationsgesuche abgelegt. Ob in Nevada ein neuer Atombom­bentest geplant ist oder in Großbritan­nien ein Munitionsdepot blockiert wird, die Informationen finden sich in PeaceNet und GreenNet. JedeR Teil­nehmerIn kann Nachrichten in den Konferenzen lesen oder selber Kom­mentare senden bzw. die Diskussion über ein neues Thema beginnen.
Doch verfolgen wir erst noch einmal etwas genauer, wie die Nachricht aus Nicaragua nach Deutschland gelangte. Bevor Jürgen Nauber in Managua den Text in den Computer eintippen konnte, mußte er den Empfänger an­geben: "gn!vflu". 'gn' steht für Green­Net und 'vflu' ist die Bezeichnung des privaten Postfaches des 'Vereins für Landwirtschaft und Umweltschutz', der den Kongreß in Managua mitor­ganisiert hat. Diese organisatorische Arbeit lief natürlich auch über Green­Net und PeaceNet.

Von Managua aus wurde die Nach­richt, zusammen mit vielen anderen Texten, zunächst nach San Francisco weitergeleitet, und dort (kurzfristig) im PeaceNet-Computer gespeichert. Von dort aus kommt sie nach London, denn der GreenNet-Rechner ruft stündlich über eine internationale Datenleitung in San Francisco an und tauscht Nachrichten aus. Hier in Lon­don wird die Nachricht nun im priva­ten elektronischen Postfach des VfLU abgespeichert.
Der VfLU-Mitarbeiter in Bornheim bei Bonn schaltet seinen Computer ein und startet sein Datenübertragungs­programm. Sein Modem ist an das Telefonnetz angeschlossen und wählt nun automatisch die Telefonnummer des Kölner Datex-P-Knotens der Bun­despost. Nachdem er sich durch seine Teilnehmerkennung identifiziert hat, kann er das Datennetz der Post benut­zen und tippt die Nummer des Green­Net-Computers in London ein. Dort muß er sich mit dem "Usernamen" vflu und einem geheimen Passwort vorstellen. Sofort zeigt GreenNet an, daß der 'vflu' neue Post hat. Er gibt den Befehl zum Lesen der Nachricht ein und läßt den Text auch gleich aus­drucken.

Einige Fragen kann er sofort beant­worten. Er gibt ein, daß er antworten möchte und tippt die von Jürgen Nau­ber gewünschten Informationen direkt ein. Nach wenigen Stunden ist seine Antwort in Managua.

Dann schaut er noch kurz einige Kon­ferenzen auf neue Nachrichten durch. Die IPPNW bereitet den nächsten Hi­roshima-Tag vor und sucht Ideen und MitstreiterInnen. In der Greenpeace-Konferenz finden sich Originalberichte von den neuesten Aktionen. Ein 'Eco­Net'-Teilnehmer meldet in der Konfe­renz 'entoxics', daß im brasilianischen Urwald DDT gegen Ungeziefer ver­sprüht werden soll. Der VfLU-Mitar­beiter hat noch einen englischen Info­text über DDT und sendet diesen als Antwort in die Konferenz. Später werden daraufhin andere Gruppen aus aller Welt mit dem VfLU in Verbin­dung treten.
So fördern PeaceNet und die ange­schlossenen Systeme wirklich "glo­bales Denken", denn die Diskussion mit Gruppen in Übersee ist mit Com­puter-Netzwerken so leicht, als träfe man sich in der Kneipe an der Ecke. Die Netzwerke können zwar ein per­sönliches Kennenlernen nicht ersetzen, aber oft führt der erste Kontakt gerade über eine PeaceNet-Conference.

In der Bundesrepublik laufen zur Zeit die Vorbereitungen, um das COM­POST-Netzwerk an GreenNet und damit an das weltweite APC-Netz an­zuschließen. COMPOST - Computer­post für Frieden, Umwelt, Menschen­rechte - ist ein Zusammenschluß ver­schiedener nichtkommerzieller Mail­box-Systeme, die schon jetzt eine In­frastruktur für die Kommunikation 'alternativer' Gruppen und Einzelper­sonen bieten. COMPOST-Mailboxen gibt es in Kiel, Hamburg, Hannover, Köln, Wuppertal, Frankfurt, Stuttgart, Nürnberg, München und Wien. Sie sind über das normale Telefonnetz er­reichbar.

Kontakt: ökoline-Infovermittlung
Udo Schacht-Wiegand,

Moorkamp 46,
3000 Hannover 1, Tel: 0511-350 30 81 (bis 22 Uhr)
Mailbox: 0511-350 56 04 (300/1200/2400 Baud)
GreenNet-Anmeldeformulare und wei­tere Infos können gegen Einsendung ei­nes mit 1,- frankierten Rückumschlags und
2,- DM in Briefmarken angefordert werden bei
GreenNet
26, Underwood Street,
London N1 7JQ, England,
Tel 0044-1-490 15 10
Datex-P NUA: 0 2342 12301371.
Gebühren: 5.00 GBP/Monat, darin sind ca. 80 Minuten Anschaltzeit enthalten. Jede weitere Minute kostet 0.06 GBP.
Dazu kommen die Telefon­gebühren bis zum nächsten Datex-P-Knoten und die Datex-P-Gebühren sel­ber mit ca. 0.20 DM/Minute. Eine Datex-P-Teilnehmerkennung kostet 15,- DM Grundgebühr/Monat. (GBP = Brit. Pfund, ca. 3,30 DM)

 

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