Plattform der IWF/ Weltbank – Kampagne '88

Auf dem Vorbereitungstreffen der IWF / Weltbank-Kampagne l988 in Bonn wurde am 24. Januar d.J. die Plattform der Kampagne verabschiedet, die weitgehend mit der Fuldaer Erklärung des 11. Bundeskongresses entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (28. - 31. Mai 1987) identisch ist.

„Wohlstand und Frieden" versprachen die Gründer der Weltbank den Menschen am Ende des Zweiten Weltkriegs und kündigten ein neues Zeitalter an. Doch Wohlstand wurde nur den Reichen und den Metropolen zuteil. Die ungehemmte Jagd der Banken und Konzerne nach immer höheren Gewinnen hat zu einer drastischen Wirtschaftskrise geführt.

Die Krise hat katastrophale Konsequenzen für die Völker der „Dritten Welt": Hunger, Armut, Krieg, Massenarbeitslosigkeit, weitere Zerstörung der bestehenden sozialen Beziehungen, der natürlichen Lebensgrundlagen wie auch der kulturellen Identität.

Betroffen sind auch wir, weil Arbeitslosigkeit und neue Armut in den Industrieländern nur ein anderer Ausdruck derselben Kapitalverwertungskrise sind, die die „Dritte Welt" in den Ruin treibt.

Wir wissen

  • Die Verantwortung für die Verschuldungskrise tragen die Metropolen, ihre Konzerne, Banken und, ihre Statthalter in der „Dritten Welt" und nicht die Bevölkerung in den Schuldnerländern.
  • Mit der gegenwärtigen Situation findet ein neokolonialer Prozeß, der mit der Gründung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Bretton Woods 1944 auf die Hegemonialinteressen der USA zugeschnitten wurde, seinen vorläufigen Höhepunkt.
  • Seit 1945 hat die wirtschaftliche Ausbeutung der „Dritten Welt" mehr Tote durch Hunger, Armut und Elend gefordert als alle militärischen Auseinandersetzungen.
  • Die Verschuldungskrise hat ihren Ursprung nicht nur im kapitalistischen Wirtschaftssystem und der Ausbeutung der Länder der „Dritten Welt", sondern bedarf darüber hinaus einer weitergehenden Analyse der Verknüpfung mit patriarchalischen Ausbeutungsstrukturen. Die Wirtschaftsstruktur der Länder der „Dritten Welt", sowohl im agrarischen als auch im industriellen Bereich, ist auf die Interessen der kapitalistischen Industrieländer ausgerichtet. Die ungerechten Austauschverhältnisse auf dem Weltmarkt manifestieren sich in niedrig gehaltenen Preisen für Produkte aus diesen Ländern und extrem hohen Preisen für Exportprodukte der kapitalistischen Industrieländer.
  • Durch eine Politik zunächst billiger Kredite, die sich durch die US-Hochzinspolitik schlagartig änderte, verschärfte sich das Problem der Verschuldung und der ungerechten Austauschverhältnisse. Die Länder der „Dritten Welt" sind heute sogar Nettokapitalexporteure.
  • Die Hochzinspolitik trug dazu bei, die Aufrüstung der USA zu finanzieren. Die kapitalistischen Industrieländer setzen ihre Interessen gegenüber der „Dritten Welt" im Zweifelsfall auch rücksichtslos militärisch durch (z.B. Grenada, Nicaragua). Die BRD integriert sich mehr und mehr in dieses Konzept militärischer Konfliktlösung.
  • Die Weltbank und andere Finanzorganisationen verursachen durch die direkte Förderung von unverantwortbaren Projekten und eine auf Monokulturen ausgerichtete Landwirtschaft eine Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen. Die Länder der. ,,Dritten Welt" werden gezwungen, durch Rohstoff- und Agrarexporte (z.B. Tropenholz) Schulden und Zinsen zu bezahlen.
  • Die Krise wurde von den Eliten in vielen Ländern der „Dritten Welt" durch hohe Rüstungsausgaben, teure Prestigeobjekte und Kapitalflucht noch verschärft.
  • Immer mehr Menschen der „Dritten Welt" versuchen dieser Situation zu entfliehen und werden hier als (Wirtschafts-) Flüchtlinge erneut unterdrückt oder gar in Ausbeutung, Folter und Tod abgeschoben.
  • Die Entwicklungshilfe der kapitalistischen Industrieländer ist in deren Interesse und dient dem Aufbau von Wirtschaftsstrukturen nach dem Muster der kapitalistischen Industrieländer. Dies führt zu einer systematischen Verelendung in den Ländern der „Dritten Welt". Die Schulden der „Dritten Welt" belaufen sich derzeit auf mehr als 1.000 Milliarden US-Dollar (= 1.000.000.000.000 US-Dollar). Durch die hohen Zinszahlungen wurden bereits Beträge in Höhe der ursprünglichen Ausleihungen an die Banken zurückgezahlt. Die BRD-Banken haben einen Großteil ihrer Kredite bereits abgeschrieben.

Die Schulden sind nicht rückzahlbar, da häufig die Exporterlöse nicht einmal zur Zinszahlung ausreichen. Das Krisenmanagement von IWF, Weltbank und Geschäftsbanken mit Umschuldungen, Neukrediten und Einzelfallbehandlung der Schuldnerländer festigt die Abhängigkeit und verschärft die Krise.

Deswegen unterstützen wir

die Forderungen nach Streichung der Schulden, die von der betroffenen Bevölkerung in der ,,Dritten Welt" erhoben werden. Die Bildung eines Schuldnerkartells kann ein erster Schritt sein, um dem Gläubigerkartell eine Kraft entgegenzustellen. Die Lasten der Verschuldungskrise, die vor allem durch die IWF-Auflagen verstärkt werden, müssen nach dem Verursacherprinzip von denen getragen werden, die dafür verantwortlich sind und daran verdienen.

Doch dies wird nicht ohne eine tiefgreifende Veränderung der internationalen Beziehungen und gesellschaftlichen Machtverhältnisse zu erreichen sein. Deshalb unterstützen wir die sozialen und politischen Bewegungen in der „Dritten Welt" und in den Metropolen, die gegen das Machtkartell von Konzernen, IWF, Weltbank und Eliten kämpfen.

Eine Schuldenstreichung allein jedoch wird die Probleme langfristig nicht lösen. Solange die Beziehungen der Völker über den „freien" Weltmarkt geregelt werden, solange also das Prinzip des größtmöglichen Gewinns das politische und ökonomische Handeln bestimmt, werden Mensch und Umwelt nur als Kostenfaktor darin auftauchen. Solange kann es auch keinen wirklichen Frieden geben, und die Kette der wirtschaftlichen Krisen mit ihren verheerenden Auswirkungen auf die Bevölkerung in der Peripherie und zunehmend auch in den Metropolen wird nicht abreißen.

Im September 1988 soll die Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank in West-Berlin stattfinden. Dort stellen die führenden Industriestaaten und Großbanken die Weichen für die Schuldenpolitik und das Krisenmanagement der nächsten Jahre.

Deshalb rufen wir zur IWF-/Weltbank-Kampagne 1988 auf.

 

IWF/Weltbank-Kampagne

Auf der 3. Aktionskonferenz der Kampagne, die am 23./24. April d.J. in West-Berlin tagte, wurde ein Fahrplan für die Aktionen gegen den Gipfel von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank (27. - 30. September 1988 in West-Berlin) beschlossen. Er enthält .folgende Elemente:

Gegenkongreß am 23./24. September

Der Gegenkongreß wird von einem internationalen Förderkreis vorbereitet, um Betroffenen aus der Dritten Welt die Möglichkeit zu geben, ihre Positionen darzustellen. An einem Tag sollen die Ursachen der Krise und am anderen Alternativen und Strategien diskutiert werden.

Demonstration und Kundgebung am 25. September

Die Demonstration wird am Sonntag-Vormittag stattfinden, um so die Teilnahme von Gruppen aus der Bundesrepublik zu ermöglichen. Sie wird von einem offenen Trägerkreis mit Sitz in West-Berlin vorbereitet.

Internationales Tribunal vom 26.-29. September

Parallel zum IWF/Weltbank-Gipfel wird das „Internationale Tribunal zur Verteidigung der Rechte der Völker", das von der italienischen Lelio-Basso-Stiftung getragen wird, tagen. Eine internationale Jury aus prominenten PolitikerInnen, JuristInnen und WirtschaftswissenschaftlerInnen wird über eine Anklageschrift befinden, die von der Lateinamerikanischen Juristenvereinigung erstellt wurde. Betroffene aus der Dritten Welt sind als Zeugen geladen.

Parallel zu den Veranstaltungen findet eine Aktionswoche statt, die von den einzelnen Gruppen und Organisationen eigenständig geplant und verantwortet wird. Mitte bis Ende Juni d.J. wird in West-Berlin die vierte Aktionskonferenz stattfinden, die die einzelnen Aktivitäten koordinieren soll.

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