Politik für das kurdische Volk

von Mani Stenner
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Das kurdische Volk stand durch den Völkermord und-die Flucht von Millionen für einige Wochen im Zentrum der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit. Das Interesse läßt nach, das Elend geht weiter. Die Zukunft der Menschen in Kurdistan, die Hoffnung auf Rückkehr und ein durch die UNO garantiertes Leben in der Heimat; die Hoffnung auf politische Rechte und Selbstbestimmung sind ungewiß. Trotz der pragmatischen Verhandlungen der Kurdistan-Front mit Bagdad ist das Vertrauen in Zusagen Saddam Husseins gering. Die Menschen in der deutschen Friedensbewegung, denen von berufener und unberufener Seite vorgeworfen wurde, zum Golfkrieg  zu viel und zur Verfolgung der Kurden zu wenig demonstriert zu haben, sollten jetzt mit langfristiger Solidarität dazu beitragen, daß die politischen Rechte der Kurden in ihrer Heimat und in der Bundesrepublik vorankommen.

Das Kurdenproblem ist in seinem Ursprung kein humanitäres Problem, sondern ein altes politisches Problem. Deswegen muß es politisch gelöst werden. Ohne eine gerechte und dauerhafte Lösung - des Kurdenproblems, nicht nur im Irak, kann es keinen Frieden im Nahen Osten geben.

Jetzt muß aber neben der humanitären auch eine eindeutige politische Hilfe für die Rechte des kurdischen Volkes beginnen. Die Kurden wöllen keine Flüchtlinge bleiben und nicht im Exil leben. Sie wollen in ihrer Heimat leben, selbstbestimmt und. frei und in Frieden mit ihren Nachbar. Dies gilt für die Kurden - in allen Teilen Kurdistans; die für ihr Selbstbestimmungsrecht gemäß der Charta der Vereinten Nationen kämpfen. Der Schutz der Weltgemeinschaft für die Kurden muß einen langfristigen und politisch abgesicherten Bestand haben.

Erforderlich ist deshalb die Schaffung eines Platzes für das kurdische Volk bei der UNO, die Behandlung der Kurden-Frage bei der· UNO· und die Einbeziehung der legitimen Vertreter des kurdischen Volkes in eine Nahost-Friedenskonferenz.

Der Sprecher des Bündnisses der Organisationen aus Kurdistan in der BRD (HEVKARI) hat bei der. Kundgebung am 20. April auf dem Kölner Neumarkt die dringendsten Forderungen so zusammengefaßt:

Die Einrichtung einer oder mehrerer Schutzzonen für die Flüchtlinge kann das· Kurdenproblem nicht lösen. Wir wollen nicht wie die Palästinenser 40 Jahre in Zeiten leben, wir wollen nicht isoliert von der Weltgemeinschaft in unwürdigen Lagern leben, wir wollen nicht mehr Opfer der Weltpolitik sein. Wir wollen wieder in unsere Heimat.

Wir wollen wieder in unsere Städte und Dörfer. Unsere Forderungen:

  • Sofortige Beendigung des Völkermordes in Kurdistan und Abzug der Armee von Saddam Hussein aus Kurdistan.
  • Intensivierung der humanitären und medizinischen Hilfe für Kurdistan, Betreuung und Sicherung der Versorgung der Flüchtlinge durch den Hoheit Flüchtlingsrat der Vereinten Nationen (UNHCR).
  • Ermöglichung der Rückkehr aller Kurden in ihre Wohngebiete und Sicherung ihrer legitimen Rechte unter Aufsicht der Vereinten Nationen.
  • Beendigung jeglicher diplomatischer, politischer und wirtschaftlicher Beziehungen aller Staaten mit dem Regime des Saddam Hussein:
  • Aufnahme der legitimen Vertreter der Kurden bei der UNO.
  • Behandlung der Kurden-Frage bei der UNO mit dem Zieleiner gerechten, demokratischen und friedlichen Lösung dieser Frage auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechtes der kurdischen Nation.

Wo war die Bundesregierung?
Die deutsche Wirtschaft und die Bundesregierung haben sich in der Vergangenheit eindeutig engagiert, das meiste davon dürfte noch unbekannt sein. MBB lieferte laut „Monitor“ noch 1990 Spezial-Kampfhubschrauber zur Bekämpfung der Peschmergas, während das Bundeskriminalamt Saddam Hussein mit Auskünften über die in der Bundesrepublik lebenden Kurden behilflich war. Wie viele der im Irak lebenden Angehörigen wurden wegen dieser Kumpanei verfolgt? In der Türkei hat die deutsche Bundesgrenzschutz-Spezialtruppe GSG-9 „Anti-Terror-Einheiten“ gegen die Kurden ausgebildet. Kein Genscher und kein Blüm . denkt daran, die versprochene deutsche Militärhilfe von 1,5 Mrd. DM infrage zu stellen, um Druck für humanitäre und politische Rechte in türkisch-Kurdistan zu machen.

Gleichzeitig hat es die Bundesregierung offenbar leichter als die Friedensbewegung, sich durch „großzügige humanitäre Hilfe“ in der öffentlichen Wahrnehmung als Freund des kurdischen Volkes zu profilieren, obwohl Beobachter vor Ort viele Schwächen bei·der Hilfe von Bundeswehr und DRK ausmachen, die nur z.T. durch die Behinderungen türkischer und iranischer Behörden verschuldet sind. So klappt die Überführung Schwerverletzter zur Behandlung in bundesdeutschen Krankenhäusern nicht, obwohl genug. Krankenhausplätze durch die Kommunen bereitgestellt sind.

Die in der BRD wie die in den Flüchtlingslagern lebenden Kurden haben keine andere Wahl, jede Hilfe ist willkommen, wichtig ist für sie daß die neugewonnenen „Anwälte“ für die kurdischen Rechte bei ihrer jetzt verkündeten Solidarität bleiben und sie in Taten umsetzen.

Dazu können wir hier innenpolitisch beitragen, ein verbales Eintreten für die Kurden muß konkrete Konsequenzen auch in der Bundesrepublik nach sich ziehen:

Es gibt konkrete Möglichkeiten für humanitäre und politische Hilfe:
Sowohl als Auswirkung des Golfkriegs wie der neuen Tragödie des kurdischen Volkes haben wir eine Menge neu zu lernen am besten durch viel Begegnung und Zusammenarbeit mit den Betroffenen aus der Region und auch im Alltag durchzuhaltende Ianganhaltende Aktivitäten zur Solidarität.

  • Bürgerinnen und Parteien können die Hilfsbereitschaft . von Ländern und Kommunen durch entsprechende Anträge einfordern, z.B, durch Anträge für Förderung der Projekte von medico international in Länder und Kommunalparlamenten. Kann·eine Kommune unmöglich Geld aufbringen; kann sie immer noch durch offizielle Spendenaufrufe helfen.
  • Wir können jetzt beginnen, Partnerschaften zwischen kurdischen und deutschen Städten und Kommunen aufzubauen. Über solche Brücken zwischen der BRD und Kurdistan kann lnformation und Hilfe direkter transportiert werden Beginnen sollten solche Projekte durch Arbeit von Solidaritätsgruppen „von unten“· ähnlich wie die erfolgreiche Arbeit zu Nicaragua. Damit würde eine langfristige Kooperation beginnen, die die Menschen in Kurdistan. gerade deshalb brauchen, weil sie nach einer kurzfristigen Aufmerksamkeit durch Massaker das immer wieder vergessene Volk sind.

Durch unsere Gespräche mit kurdischen Freundinnen und Freunden wissen wir aber auch, daß politische Unterstützung für diese Volksgruppe innerhalb der Bundesrepublik nötig ist und erbeten wird:
Ca. 400.000 Kurdlnnen leben in der BRD; damit sind· die Kurden die viertstärkste nichtdeutsche Volksgruppe. Da sie hier aber weiterhin nach ihrer staatlichen Zugehörigkeit, der türkischen, irakischen, iranischen usw. eingestuft und behandelt werden, sind ihnen die Rechte, die andere nichtdeutsche Volksgruppen seit Jahrzehnten genießen, vorenthalten. Die Diskriminierung der Kurdinnen und Kurden in der Heimat wird so in der Bundesrepublik nahtlos fortgesetzt. Wichtige Forderungen sind deshalb:

  • Abschiebestop für alle kurdischen Asylsuchenden
  • Anerkennung     als eigenständige Volksgruppe mit den Konsequenzen:
  • muttersprachlicher Unterricht
  • soziale Betreuung in der eigenen Sprache
  • kurdische Radio- und Fernsehsendungen
  • Anerkennung der kurdischen Namen durch die Standesämter

Für die Außen- und Wirtschaftsbeziehungen der· Bundesrepublik fordern die Kurden:

* Keine Militärhilfe für die Türkei, Irak, Iran und Syrien bis dort die Rechte der Kurden gewährleistet sind.

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